Energiewende in Bayern: Zwischen Wunsch und Wirklichkeit?!

31.08.2020

Der Anteil erneuerbarer Energien an der Bruttostromerzeugung hat in Bayern über 49 Prozent erreicht. Beim Einsatz von Photovoltaik-Anlagen, Wasserkraft und Geothermie ist Bayern in Deutschland führend. Bei der Stromerzeugung aus Bioenergie erreichen wir Rang 2 unter allen Bundesländern. Dennoch sind viele Menschen der Meinung, dass die Energiewende nicht schnell genug vorankommt. Wir haben mit unserem Experten Prof. Dr. Oliver Mayer, Leiter des Bereichs Energie und des C luster Energietechnik bei der Bayern Innovativ GmbH, über den Status quo gesprochen.

Prof. Dr. Oliver Mayer über den Status quo der Energiewende 2020
„Jeder Beitrag zählt, um die Energiewende voranzubringen“ – Prof Dr. Oliver Mayer.


Oliver, wie bist Du mit dem Status quo der Energiewende zufrieden?

Prof. Dr. Mayer: Mit dem Status quo bin ich eigentlich nie zufrieden, wenn es um Innovationen geht, denn Innovationen haben immer etwas mit Wandel zu tun. Wir sehen das ja beim Thema Klimawandel. Ein Kernelement, um diesen zu stoppen, ist die Energiewende und die zentrale Frage, wie wir in Zukunft eine klimaneutrale Form der Energieerzeugung realisieren können. Meiner Ansicht nach müssen wir hier schneller werden, dürfen aber die gesellschaftliche Tragbarkeit nicht aus dem Blick verlieren.

Weshalb ist es so schwierig, diese Ziele schneller zu erreichen?

Prof. Dr. Mayer: Energieversorgung ist ein komplexes Thema – wir sind es einfach gewohnt, jederzeit Strom und Wärme günstig und zuverlässig zur Verfügung zu haben. Dahinter steht jedoch ein sehr komplexes System . Konventionelle Kraftwerkstechnik (z. B. Kohle- und Gaskraftwerk ) wird komplett vom Menschen gesteuert. Wir haben die vollständige Kontrolle über das Ein- und Ausschalten. Mit der Umstellung auf erneuerbare Energien geht diese Kontrolle ein Stück weit verloren. Der Mensch bestimmt nicht, wann die Sonne scheint, wann der Wind weht oder wie groß der Ertrag einer landwirtschaftlichen Fläche ist, den man als Biomasse verarbeiten kann. Dadurch wird das ganze System noch komplexer und es ist nicht so einfach umzustellen.

Hier liegt auch unsere Aufgabe als Bayern Innovativ, Überzeugungsarbeit zu leisten und Innovationsmethoden anzubieten. Die Politik unterstützt das auch. Beispielsweise hat das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie den Hashtag „#TeamEnergiewende“ ins Leben gerufen, um Entwicklungen in diesem Bereich zu fördern.

Team Energiewende

Wer gehört denn zu diesem Team, was verbirgt sich dahinter?

Prof. Dr. Mayer: „#TeamEnergiewende“ fasst Menschen, Unternehmen und Verbände zusammen, die die Energiewende voranbringen wollen. Nicht nur technisch, sondern auch emotional. Das kann eine Privatperson sein, die ihren Energieverbrauch durch einfache Maßnahmen wie den Kauf neuer, effizienter Hausgeräte oder das Vermeiden des Stand-by-Betriebs senken will. Wenn wir all diese Akteure bündeln, wie z. B. mit diesem Hashtag, erreichen wir ein Momentum. Jeder Beitrag zählt, um die Energiewende voranzutreiben.

Kannst Du noch weitere Maßnahmen nennen?

Prof. Dr. Mayer: Privatpersonen wie auch einzelne Unternehmen haben zahlreiche Möglichkeiten. Beispielsweise die Umstellung auf E-Mobilität , die Erneuerung von Heizungsanlagen – auch Wärmetechnik ist ein Teil der Energiewende, das Einsparen von Warmwasser oder auch die Nutzung von Dachflächen für Photovoltaikanlagen . Verbände können z. B. durch Informationsveranstaltungen einen Beitrag zur Sensibilisierung leisten. Jeder Beitrag zählt!

Wie kann es dann sein, dass Privatpersonen mit Photovoltaikanlagen, die mehr als 10 kw/h liefern, mit zu hohen Abgaben „bestraft“ werde – zumindest empfinden viele Privatpersonen das so?

Prof. Dr. Mayer: Ich verstehe diese Ansicht. Steuern und Abgaben sind nie wirklich gern gesehen. Leider entwickeln sich die rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen nicht so dynamisch wie die Technologie. Ich erkenne hier eine Analogie zum Internet und dem Datenschutz – zunächst entwickelte sich das Internet sehr dynamisch, der Gesetzgeber musste bei Regelungen zum Thema Datenschutz nachziehen und das Ganze „glattziehen“. So ähnlich wird es aus meiner Sicht auch beim Thema Energie kommen – die aktuelle Situation der zu hohen Abgaben wird kein Dauerzustand bleiben.

Während für viele Bürger die Energiewende nicht schnell genug vorankommt, sorgen sich andere um Dinge wie Flächenverbrauch durch Photovoltaik oder Lebensraumzerstörung durch Windkraft. Gibt es einen Kompromiss zwischen all diesen Interessen?

Prof. Dr. Mayer: Klar ist, dass auch erneuerbare Systeme Ressourcen verbrauchen. Sie versiegeln Flächen und Lebensraum. Aber was passiert auf der anderen Seite? Was passiert, wenn wir alles so lassen, wie es ist und den Klimawandel geschehen lassen? Dann wird der Lebensraum der Tiere auch zerstört. Es gilt, hier den Mittelweg zwischen zu vielen und zu wenigen Maßnahmen zu finden. Einige Aspekte muss man auch in Relation sehen: Im Bereich Windkraft mag beispielsweise Vogelschlag ein Problem sein. Nur tritt dieses Problem auch z. B. im Straßenverkehr oder an Fensterscheiben auf. Dennoch verzichten wir darauf nicht. Wir müssen Kompromisse finden und abwägen.

Energiewende in Bayern
An der Energiewende führt kein Weg vorbei.


Also führt aus Deiner Sicht an der Energiewende kein Weg vorbei?

Prof. Dr. Mayer: Ja. Aus meiner Sicht führt an ihr kein Weg vorbei. Deshalb arbeite ich auch gerne in diesem Bereich.

Was bietet Bayern Innovativ an, um die Energiewende zu fördern?

Prof. Dr. Mayer: Wir haben eine Vielzahl von Leistungen, zu einem großen Teil Netzwerkarbeit . Statt einer großen Aufzählung empfehle ich das Abonnement unseres kostenlosen Newsletters , in dem wir regelmäßig über Themen der Energiewende informieren. Wenn dann Interesse besteht, kann man sich gerne bei uns melden, um einen tieferen Austausch zu pflegen.


Das Interview führte Dr. Kord Pannkoke, Leiter Business Development bei der Bayern Innovativ GmbH.

Hören Sie sich das vollständige Interview als Podcast an:

Status quo der Energiewende

In dieser Folge spricht Prof. Dr. Oliver Mayer offen und ehrlich über den Status quo der Energiewende in Bayern und über die Diskussion aktueller Interessenskonflikte.

Weitere Informationen zum Thema finden Sie auch in unserem Blog "Energiewende" .

Ihr Kontakt

Prof. Dr.-Ing. habil. Oliver Mayer

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