Gaskraftwerke

Turbinen und Motoren stehen im Wettbewerb

Autor: Dr. Klaus Hassmann, Cluster Energietechnik (April 2017)

Der vorliegende Beitrag basiert auf Informationen, die /1/ und /2/ entnommen wurden. /1/  bezieht sich auf einen Vortragsblock „Gasmotor versus Gasturbine“ bei der Euroforum-Konferenz „Wachstumsmarkt KWK“ am 20. August 2014 in Düsseldorf; dort haben je ein hochrangiger Vertreter der MAN Diesel & Turbo SE mit Sitz in in Augsburg, von GE Energy aus dem österreichischen Jenbach und von Wärtsilä Deutschland GmbH aus Hamburg ihre Einschätzung der Technologien Motor/Turbine für die verschärften Randbedingungen der Energiewende ausgetauscht.

/2/ fasst zur selben Thematik die Untersuchungen der Universität Duisburg-Essen und von MAN Diesel &Turbo zusammen; verschiedene Kraftwerkskombinationen wurden verglichen. In diesem Zusammenhang ist die großtechnische Umsetzung eines hocheffizienten Gasmotorenkraftwerks der Stadtwerke in Kiel ein wichtiges Indiz dafür, dass der Gasmotor gegenüber der Gasturbine auch als GUD im Energiewende-Einsatz technisch und wirtschaftlich Vorteile hat /3/.   

Merkmale eines modular aufgebauten 200 MW-Kraftwerks /1/

Verglichen wurden Anlagen mit zehn 20 MW Gasmotoren oder vier 50 MW Gasturbinen. Bei einer Lastanforderung von 160 MW würden acht Gasmotoren mit Volllast laufen, 2 befänden sich im Stillstand; bei der Turbinenversion würden 4 Maschinen bei Volllast und eine in Teillast laufen. Aufgrund der Wirkungsgradverluste der Teillast-Gasturbine ist unter dieser Annahme die Motorversion im Vorteil.

Bauzeiten: Ein 200 MW Gasmotor-Kraftwerk lässt sich nach Angaben der Hersteller in einem Jahr bauen. Diese Zeitangabe basiert auf der Erfahrung im Rahmen der  Genehmigung von kleinen Anlagen; da Erfahrung für große Kraftwerke noch fehlt, handelt es sich dabei um einen Erwartungswert der Hersteller. Mit Gesamtinvestitionskosten von 650 €/kW ist die Motorversion zwar teurer als die Turbinen- aber billiger als die GUD-Version.

Die Vertreter der Gasmotoren-Hersteller verweisen zu Recht darauf, dass modulare Kraftwerke ergänzt mit Wärmespeichern an der Strombörse eine preisoptimierte Fahrweise ermöglichen. Anmerkung des Verfassers: Das gilt theoretisch trotz des Nachteils längerer Anfahrzeiten und des Mankos eines niedrigeren Teillastwirkungsgrades auch für die Gasturbinenversion. Einige konkrete Bauprojekte werden umgesetzt, mit denen unwirtschaftliche GUD-Kraftwerke wieder ins Geld bzw. näher ans Geld kommen sollen.

Betriebliche Eigenschaften Gasmotor- versus Gasturbinen-Kraftwerk /1/

Schnellstart aus dem warmen Zustand bis Erreichen der Nennleistung (ca.-Werte): Gasmotoren 2 bis 5 Minuten. Gasturbinen (Solobetrieb): 10 Minuten. Gas- und Dampfturbinen (GUD)-Kraftwerke: 30 Minuten.

Elektrischer Wirkungsgrad im Solobetrieb: MAN: 47% (10 MW Gasmotor)/ 34% (7 MW Gasturbine); GE 48,7% (9,5 MW Gasmotor)/ 45% (100 MW Gasturbine); Wärtsilä 44 – 45% Gasmotor; Nachschaltung einer Dampfturbine steigert Wirkungsgrad auf 50%. GUD-Kraftwerke im obigen Leistungsbereich liegen bei 55%.

Wirkungsgradverluste bei Teillast: Keine konkreten Zahlen, der Motor schneidet im Vergleich zur Gasturbine jedoch deutlich besser ab.

Einfluss häufiger Starts und Lastwechsel auf die Wartungshäufigkeit/auf den Wirkungsgrad: Gasmotor: Einfluss gering, Wirkungsgrad bleibt konstant. Gasturbinen: Kürzere Serviceintervalle; Konsequenz: Höhere Wartungskosten – auf den Wirkungsgrad bezogen werden keine Details genannt.

Einsatzbedingungen: Gasmotor: volle Leistung bis 35 °C und 1.000 m geographischer Höhe. Gasturbine: Leistung nimmt mit ansteigender Temperatur/Höhe ab.

Betriebs-Gasdruck: Gasmotor: 6 bar. Gasturbine: 40 bar (zusätzlicher Verdichter notwendig).

Zweitbrennstoff: Ein Plus für die Turbine, da auch Öl eingesetzt werden kann, was beim Motor nicht geht.

Studie der Universität Duisburg-Essen/MAN Diesel & Turbo

Untersucht wurden die 3 Varianten GuD, Motoren BHKW und das Verbundkraftwerk Motor mit Dampfkreislauf und Dampfturbine. Ausgelegt sind alle 3 Kraftwerkstypen für die Produktion einer jährlichen Wärmemenge von etwa 590 GWh und Einspeisung in das Fernwärmenetz einer kleinen Großstadt. Den höchsten Brennstoff- Ausnutzungsgrad mit 86 % erreicht das Motoren BHKW, die höchste Stromkennzahl das Verbundkraftwerk. Wirtschaftlich liegt das Verbundkraftwerk vorne. Dieses Ergebnis ist eine Bestätigung der Aussagen bei der Euroforum-Konferenz - kein Wunder, an beiden Informationsquellen gingen Fachleute von MAN Diesel&Turbo zu Werke. 

Anmerkung des Verfassers: Es ließen sich auch Lastanforderungen definieren, bei denen das Turbinenkraftwerk im Vorteil ist. Natürlich gilt: 10 Maschinen mit kleiner Leistung lassen sich an einen konkreten Bedarfsfall besser anpassen als für dieselbe Kraftwerks-Nennleistung 4 leistungsstärkere Turbinenmodule. Auch mit Turbinen kleinerer Leistung kann man ein 200 MW Kraftwerk aufbauen. Entscheidend ist unter den für fossil gefeuerte Kraftwerke schwierigen Rahmenbedingungen der Energiewende der Anwendungsfall, das sich daraus ergebende Lastprofil über die Zeit, die Umweltverträglichkeit sowie die fixen und variablen Kosten – daraus ergeben sich Vor- und Nachteile, die der interessierte Anwender bewerten und die Kaufentscheidung treffen muss.

Ob der Kraftwerksneubau der Stadtwerke Kiel (SWK) mit Motoren die hohen Erwartungen bestätigt?

SWK baut ein 200 MW Gasmotorkraftwerk; die Stadtwerke prüften seit 2007 unterschiedliche Varianten, die einem 2018 stillzulegenden Kohlekraftwerk nachfolgen soll. Eines der Argumente für die in 4 Blöcken zusammengefassten 20 Gasmotoren war neben der kurzen Startzeit bis Vollast vor allem die individuelle Regelbarkeit jedes einzelnen Motors, um jederzeit auf wechselnden Bedarf reagieren zu können. Die Primärenergieausnutzung liegt bei 90 %, (je 45% thermisch und elektrisch). Das Kraftwerk wird mit einem 60 m hohen Wärmespeicher ausgestattet. Auch kann z.B. bei zu viel Strom im Netz z.B. durch Wind bei Bedarf in einem E-Kessel zusätzliches heißes Wasser für die Wärmeversorgung erzeugt werden. Generalunternehmer sind die Kraftanlagen München; die Motoren werden vom Jenbacher Motorenwerk der GE geliefert. Das Gesamtinvestitionsvolumen liegt bei 280 Mio €. Im Herbst 2018 soll das Kraftwerk Kiel mit Strom und Fernwärme beliefern. Der Innovationsgehalt und die internationale Beachtung des Projekts ist hoch. Preisverleihungen bestätigen das.

Der in der Überschrift gestellten Frage werden wir nachgehen. 

Literatur

/1/ Jan Mühlstein „Schnelligkeits-Wettbewerb“ Zeitschrift Energie & Management (e&m) Ausgabe vom 3. November 2014 /2/ Armin Müller „Motoren für die Fernwärme“ e&m Ausgabe vom 15. Juli 2016 /3/ Pressemitteilung der Stadtwerke Kiel vom 11. Nov 2016. Aufsichtsrat gibt grünes Licht: Kraftwerksneubau beschlossen.