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Windenergie
Windenergie-Nutzung in Deutschland
Autor: Prof. Dr. J. Fricke (Stand: Juni 2018)
Die Nutzung der Windenergie zur Stromerzeugung in unserem Land schreitet weiter voran. Ende 2017 waren – bedingt durch einen 5 GW Zuwachs - On-Shore Wind-Energie-Anlagen (WEAs) mit einer Leistung von ca. 50 GW am Netz. Sie erzeugten etwa 88 TWh Strom. Die für die jährlich erzeugte Strommenge wichtige Volllast-Stundenzahl lag bei den in Deutschland installierten On-Shore WEAs im Jahr 2017 bei 1750 h, in 2016 waren es nur 1400 h . (Diese Kenngröße ergibt sich, wenn man die in 2017 erzeugte elektrische Energie durch die installierte Leistung dividiert; sie ist auch ein Indikator dafür, wie stark das Windangebot von Jahr zu Jahr schwankt.)
Die installierte Leistung der Off-Shore Anlagen betrug etwa 5 GW, 18 TWh wurden eingespeist. Da auf dem Meer der Wind kräftiger und dauerhafter als auf dem Land weht, liegen die Volllast-Stunden dort bei 3.000 bis 4.000 h. Dafür liegen die Installationskosten auf dem Meer mit etwa 3 - 5 €/Watt noch deutlich höher als auf dem Land mit 1 bis 2 €/Watt. Die WEAs in Deutschland tragen mittlerweile mit gut 13% zur Stromerzeugung bei. Weltweit waren 2017 WEAs mit einer Leistung von ca. 540 GW installiert – 50 GW mehr als in 2016. Die erzeugte elektrische Energie betrug etwa 1.000 TWh.
Nachdem in 2017 92 WEAs mit einer Leistung von 260 MW errichtet wurden, gibt es in Bayern nun insgesamt 1.153 WEAs mit einer Leistung von ca. 2.5 GW. Sie erbringen einen Anteil von rund 4% an der Stromerzeugung in Bayern. Ausbauziel bis 2021 wäre hier ein Stromanteil von 6 bis 10% gewesen. Dem steht die im November 2014 vom Bayerischen Landtag beschlossene 10H-Regelung entgegen. Diese Regelung soll Ende 2018 evaluiert werden.
Arten von Windenergie-Anlagen
Heute installierte WEAs fürs Bayernland mit 2 bis 3 MW Leistung besitzen Türme mit Höhen bis zu 200 m. Oft werden Hybrid-Türme installiert; diese bestehen zum Beispiel im unteren Teil aus mit Stahlseilen verspannten Betonringen, im oberen Teil aus Strahlröhren. Sie stehen auf einem massiven Betonfundament. Für solche Turm-Anlagen werden ca. 400 t Stahl und 4.000 t Beton benötigt.
Stahl-Gittermasten für WEAs in Deutschland sind selten. Holztürme befinden sich in der Entwicklung. Off-Shore WEAs haben Stahltürme und Stahl-Fundamente, entweder Tripods oder Monopiles. Diese werden in den Meeresboden gerammt, was mit extremer Schall-Immission verbunden ist. Um die Schall-Immission zu verringern, wird ein Blasenschleier um die Rammstelle gelegt. Neuerdings gibt es auch schwimmende Fundamente, die mit Stahlseilen im Meeresboden verankert werden.
Die Rotoren drehen sich im Uhrzeigersinn und sind „on-wind“, d.h. vor dem Turm positioniert. Dies wird durch die „Yaw-Control“ bewerkstelligt. Die auf den Rotor auftreffende Windstrom-Röhre wird durch die Entnahme von Strömungsenergie abgebremst, weitet sich wegen Erhalt des Massendurchsatzes auf und rotiert wegen der Drehimpulserhaltung im Gegen-Uhrzeigersinn. Die gestörte Stromröhre ist außerdem hochturbulent und bildet den Nachlauf.Auf dem relativ glatten Meer ist die Nachlauf-Länge wesentlich größer als zu Land mit rauem Boden. Insbesondere Off-Shore WEAs dürfen daher bezüglich der Hauptwindrichtung nicht hintereinander positioniert werden und es müssen größere Abstände zwischen den WEAs in einem Windpark gewählt werden, damit sie sich nicht gegenseitig beeinträchtigen. Nachlauf-Phänomene werden z.B. an der TU München computergestützt modelliert und im Windkanal simuliert. Die Rotoren bestehen ganz überwiegend aus 3 aerodynamisch geformten Blättern oder Flügeln, nur bei Off-Shore WEAs findet man gelegentlich 2-blättrige Rotoren. Erstere drehen sich langsamer und erzeugen daher weniger Lärm. Typisch sind 12 Umdrehungen pro Minute, was bei einer Blattlänge von 60 m Geschwindigkeiten der Blattspitzen von ca. 70 m/s entspricht. Setzt man diese Geschwindigkeit zu der dabei herrschende Windgeschwindigkeit, z.B. 10 m/s, ins Verhältnis, ergibt sich eine typische „Schnelllaufzahl“ von 7.
Obwohl weltweit bereits mehr als hunderttausend WEAs installiert sind, werden die Blätter noch immer händisch gefertigt. Sie bestehen aus einem Faser-Verbundwerkstoff (GFK), an der besonders stark belasteten Blattwurzel auch CFK). Die Blätter werden im Inneren durch angeklebte Stege und Gurte verstärkt. Auf Grund der extrem häufigen Lastwechsel im Zeitraum von 20 Jahren ist eine sehr sorgfältige Verlegung und Verklebung der Faserbahnen erforderlich. Im Betrieb wird die Unversehrtheit der Flügel durch visuelle Inspektion und durch mechanisches Abklopfen überprüft. Zukünftig sollen in „smarte“ Flügel Sensoren und Aktuatoren integriert werden, welche schon kleinste Veränderungen im Verbundwerkstoff nachweisen können. Dieses Verfahren wird „Condition Monitoring“ genannt, das auch auf den Turm, Lager, Getriebe und Generator angewandt wird. Beheizbare Flügel-Vorderkanten sorgen für „Anti-Icing“, was Unwucht vermeiden hilft und Stillstands-Zeiten reduziert.
Eine weitere Zielsetzung ist der Übergang von der händischen Fertigung zur industriellen Fertigung. Im „Blademaker“ Demonstrationszentrum in Bremerhaven, welches das Fraunhofer IWES zusammen mit 15 Partnern betreibt, wird zunächst die Oberflächen-Behandlung der Blätter optimiert. Dabei säubern Roboter die Ränder der Blattschalen, schleifen die Oberfläche und tragen eine Farb-Schutzschicht auf.
Berechnung der Windleistung
Die im Wind steckende Leistung PWind ist proportional zur dritten Potenz der Wind-Geschwindigkeit v, also PWind ~ v³. Optimal für die Nutzung der Windenergie ist eine Abbremsung durch den Rotor auf v/3. Dies hat schon Albert Betz 1919 gezeigt und auch den maximalen theoretischen Wirkungsgrad Nmax = P/PWind für die Umwandlung der Windleistung PWind in die mechanische Leistung P des Rotors berechnet. Nach Betz gilt Nmax = 0.59, wobei die sog. Querkraft auf ein umströmtes Flügelprofil ausgenützt wird. Wird nur die Widerstandskraft eingesetzt, wie etwa beim Savonius-Rotor (oder Vor-dem-Wind-Segeln), kann nur ein maximaler Wirkungsgrad von 15% erreicht werden.
Typische Einschalt-Wind-Geschwindigkeiten für die bei uns installierten WEAs mit einer Nennleistung PNenn von 2 bis 3 MW liegen bei 3 m/s. Hier arbeitet die Anlage aber noch nicht effizient, die Wirkungsgrade für die Umsetzung von Windleistung in Rotorleistung liegen bei 20%. Bei Windgeschwindigkeiten zwischen ca. 5 und 10 m/s steigt die WEA-Leistung steil an und die WEAs arbeiten optimal, mit ca. 45% Effizienz.
Bei Windgeschwindigkeiten von etwa 12 m/s wird die Nennleistung erreicht. Diese bleibt konstant bis zur Abschalt-Geschwindigkeit bei etwa 25 m/s. Da sich in diesem Intervall die im Wind steckende Leistung etwa verachtfacht, wird oberhalb von 12 m/s mit steigender Windgeschwindigkeit ein immer geringerer Anteil aus der Wind-Leistung extrahiert. Die Effizienz sinkt kontinuierlich auf etwa 3% bei 25 m/s ab. Im Bereich der Nennleistung sind WEAs demnach recht ineffiziente Konverter. Aber Windenergie ist ja umsonst.
Die Flügel-Ausrichtung muss der jeweils vorherrschenden Windgeschwindigkeit angepasst werden. Die benötigte Flügel-Verdrehung wird durch „Pitch-Control“ erreicht. Beim Anfahren stehen die Sehnen der Blätter fast senkrecht auf der Rotorebene. (Die Sehne ist die gerade Verbindung zwischen Vorder- und Hinterkante der Blätter.) Beim Erreichen der Nennleistung liegen die Sehnen fast in der Rotationsebene. Oberhalb von 25 m/s werden die Blätter dann in „Fahnenstellung“ gebracht, stehen also senkrecht zur Rotorebene, um Schäden an der Anlage zu vermeiden.
Die Flügel sind an der sich mitdrehenden Nabe befestigt. Diese wird durch ein Lager in Position gehalten, welches sich in der Gondel am Kopf des Turmes befindet. Von der Nabe wird die Rotationsenergie auf das Getriebe übertragen, welches die langsame Drehbewegung des Rotors in die für die Netzeinspeisung geforderte schnelle Drehbewegung des Generators übersetzt. Die erzeugte elektrische Energie wird mittels Transformator im Fuße des Turmes auf 20 kV hochgespannt und mit 50 Hz ins Verteilnetz eingespeist. Viele WEAs werden allerdings auch ohne Getriebe realisiert und sind mit einem Synchron-Generator ausgestattet. Der Strom mit der „falschen“ Frequenz wird dann über einen Wechselrichter in Strom mit 50 Hz gewandelt.
Der Bayerische Windatlas
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass der vom Bayerischen Wirtschaftsministerium heraus gegebene Bayerische Windatlas gleichsam erste Hilfe bietet, wenn Daten zu den Windverhältnissen in Bayern benötigt werden. Er stellt die mittleren Windgeschwindigkeiten in 100, 130 und 160 m Höhe graphisch dar; außerdem präsentiert er die möglichen Energieerträge über Volllaststunden-Werte in diesen Höhen. Aus gegebenem Anlass möchten wir betonen, dass es zur Standortbewertung nicht ausreicht, nur die übers Jahr gemittelte Windgeschwindigkeit zu kennen. Vielmehr kommt es u.a. auf die zeitliche Verteilung der Geschwindigkeiten an. Ein einfaches Beispiel mag dieses beleuchten: Wir wählen eine mittlere Geschwindigkeit v = 6 m/s. Einmal sei das ganze Jahr zeitlich konstant v = 6 m/s; zum anderen sei ein halbes Jahr v = 4 m/s und das andere halbe Jahr v = 8 m/s. Wegen der v³-Abhängigkeit der Windleistung verhalten sich die Jahres-Energie-Erträge wie 6³:(4³/2 + 8³/2) = 1:1.33. Wenn man bedenkt, dass wenige Prozentpunkte über wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg einer Investition in eine WEA entscheiden können, wird deutlich, dass sehr detaillierte, zeitlich und in der Höhe aufgelöste Winddaten für den gewählten WEA-Standort vorliegen müssen.