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KWK auf dem Klima-Prüfstand
Autor: Armin Müller, Energie & Management (Stand: April 2017) Hilft die Kraft-Wärme-Kopplung, die Klimaschutzziele zu erreichen? Die Antwort ist nicht so eindeutig wie gedacht. Die „Sektorkopplung“ hat als etwas anderer Begriff für die Kraft-Wärme-Kopplung mittlerweile Einzug in die politische Diskussion gehalten. Was zunächst nach einem klaren politischen Bekenntnis zur KWK und Nahwärme oder Fernwärme aussieht, ist bei genauerem Hinsehen nicht unbedingt so. In der Politik verbindet man mit dem Begriff eher die Idee, alle Verbrauchssektoren, als auch Wärme und Verkehr, elektrisch zu versorgen und den Strom dafür aus erneuerbaren Quellen bereit zu stellen. Welchen Stellenwert dann noch die Kraft-Wärme-Kopplung hat, war eine der Fragen, die auf der Jahreskonferenz „BHKW 2017“, die BHKW Consult Anfang April in Kassel veranstaltete, diskutiert wurde. Die Antworten darauf unterscheiden sich im Detail, sie haben aber auch eine Gemeinsamkeit: Die möglichst vollständige Dekarbonisierung unserer Energieversorgung muss kommen, wenn wir die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens erreichen wollen. Etwa ab Ende der 2030-er-Jahre dürfen dann auch für die Blockheizkraftwerke keine fossilen Brennstoffe mehr eingesetzt werden.
Keine Sektorenkopplung ohne Energiespeicher
Für Michael Sterner, Professor an der Ostbayerischen Technischen Hochschule (OTH) in Regensburg, steht bei der Umstellung auf ein neues Energiesystem zuerst die intelligente Kopplung von Strom- und Gasnetzen und von Speichern im Vordergrund. Mit einer Mischung von Wärme- und Stromspeichern plus dem Netzausbau lassen sich die künftigen Aufgaben der Energiewende meistern: „Keine Sektorenkopplung ohne Energiespeicher“, betonte er in Kassel. Erneuerbarer Strom werde dann zur Primärenergie für alle Sektoren, auch für den Wärmemarkt. Der Netzausbau muss dabei für den räumlichen Austausch der Energieströme sorgen, die Speicher für den zeitlichen Ausgleich. Wie stark man die beiden Techniken gewichten muss, hängt vom gewählten Szenario ab, erläuterte Sterner. Bei einem großen Zubau von PV-Anlagen und Hausspeichern sind rund 1 000 km weniger Stromleitungen nötig als bei einem Ausbau-Schwerpunkt auf der Offshore-Windenergie. Generell gilt aber: Von den in vielen Studien und Netzentwicklungsplänen kalkulierten Ausbaukilometern ist man hierzulande weit entfernt, beim Netzausbau besteht also Nachholbedarf. Und die KWK? Sie hat für Sterner dann weiter eine ökologisch gerechtfertigte Zukunft, wenn der für den Betrieb notwendige Brennstoff Gas erneuerbar erzeugt wird. Ergänzt werden kann sie – etwa in hoch wärmegedämmten Häusern – von Wärmepumpen, die allerdings auch mit erneuerbarem Strom angetrieben werden müssen. Sonst sind ihre Emissionen viel zu hoch. Beide Techniken zusammen mit PV-Anlagen, Speichern und einer Steuerung bieten sich dann für die Strom- und Wärmeversorgung von Wohnvierteln und Quartieren an. „Ein virtuelles Kraftwerk ist ein schönes Geschäftsmodell für KWK-Anlagen“, sagte Sterner auf der Kasseler BHKW-Tagung. Außerdem gilt für ihn, dass es keine 100-prozentige Dekarbonisierung ohne die Umwandlung von erneuerbarem Strom in andere Energieträger, also „Power to X“, gibt.
Das meiste CO2 ist bereits emittiert
Zu ähnlichen Schlussfolgerungen aber auch zu einem konkreten zeitlichen Ende des Einsatzes fossiler Brennstoffe kommt Volker Quaschning. Der Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin hat berechnet, wie viel CO2 die Menschheit noch emittieren darf, wenn sie den Temperaturanstieg, wie in Paris beschlossen, gegenüber der vorindustriellen Zeit auf 1,5 °C begrenzen möchte. Insgesamt 2 250 Mrd. t dürfen dazu insgesamt in die Atmosphäre geblasen werden, 1 950 Mrd. t davon sind bereits emittiert. Bis 2040, so Quaschnings Argumentation, ist dann das verbleibende Budget von 300 Mrd. t aufgebraucht. Dann dürfte niemand mehr CO2 in die Atmosphäre freisetzen. Trotz großer Umweltanstrengungen hierzulande sieht er Deutschland dieses Ziel deutlich verfehlen. Wenn wir tatsächlich bis 2040 keine Kohlendioxid-Emissionen mehr verursachen wollen, seien viel drastischere Maßnahmen als bisher nötig. Insbesondere die Wärmeversorgung, die in Deutschland bisher zu 74 % (oder 570 Mrd. kWh) mit fossilen Brennstoffen gewährleistet wird, müsse komplett auf erneuerbare Energieträger umgestellt werden. Weil der Einsatz von Biomasse, Solarthermie und Tiefengeothermie nach Quaschnings Berechnungen begrenzt ist, kommt für die Deckung dieses Bedarfs – nach einer deutlichen Steigerung der energetischen Gebäudesanierung – nur elektrische Energie in Betracht.
2040 endet die Nutzung fossiler Brennstoffe
Bei der technischen Entwicklung setzt der Wissenschaftler dabei zuerst auf die Power-to-Gas-Technik (PtG) zur Herstellung von Gas aus erneuerbarem Strom und dann auf dessen Umwandlung in Wärme. Mit fortschreitender Effizienz muss dann auf PtG verzichtet werden. In Zahlen: Nimmt man für einen energetisch sanierten Altbau einen jährlichen Wärmebedarf von 15 000 kWh an, dann braucht man jährlich 23 000 kWh an Primärenergie, wenn dieser über PtG und einen Gasbrennwert-Kessel gedeckt werden soll. Setzt man eine KWK-Anlage hinter die PtG, benötigt diese rund 38 000 kWh/a, produziert dafür aber auch zusätzlichen Strom. Bei einer Gas-Wärmepumpe sinkt der eingesetzte Strombedarf auf 11 500 kWh/a, bei einer Elektro-Wärmepumpe (also dann ohne PtG) mit einer Jahresarbeitszahl von 3 auf 5 000 kWh/a, bei einer mit einer Jahresarbeitszahl von 5 auf 3 000 kWh/a. Die wichtigsten Maßnahmen für eine nachhaltige Wärmeversorgung sind für Quaschning deswegen die Erhöhung der energetischen Gebäudesanierungen auf mindestens 3 % pro Jahr, die Weiterentwicklung von Wärmepumpen, die Pflicht zur Solarenergienutzung in Neubauten und der Aufbau einer zu 100 % regenerativen Stromversorgung bis 2040. Zugleich endet dann auch der Betrieb von Öl- und Gaskesseln sowie der von fossil gefeuerten KWK-Anlagen. Wenn man Restlaufzeiten mit einbezieht, dürfen danach etwa 2030 die letzten derartigen Anlagen installiert werden. Schon vorher gilt für Quaschning, dass PtG plus BHKW eine Technik-Kombination ist, die nicht generell zur Deckung des Wärmebedarfs eingesetzt werden kann. Denn nach allen Berechnungen steigt dabei durch die PtG-Technik der Strombedarf so stark an, dass er nicht mehr mit erneuerbaren Quellen gedeckt werden könnte. Stromgeführte KWK-Systeme stehen trotzdem noch nicht ganz vor dem Aus. Zusammen mit einem starken Ausbau von PV-Anlagen und Stromspeichern, mit erneuerbar gewonnenem Gas, Wärmespeichern und elektrisch betriebenen Wärmepumpen sind sie noch ein Back-up-Systemen für Stromlücken, wenn Wind und Sonne als Hauptenergieträger nicht zur Verfügung stehen. Auch eine Kraft-Wärme-Kopplung auf Basis von Biomasse oder unter Einbindung von Geothermie hat für Quaschning dann noch eine Berechtigung, KWK auf Basis fossiler Energieträger oder rein wärmegeführt hingegen nicht mehr.