Sektorkopplung

Wasserstoff als Ersatz für fossilen Treibstoff

Autor: Kerstin Gemmer-Berkbilek, AREVA GmbH Stand: Februar 2017 Die „Rio-Konferenz“ im Jahr 1992 kennzeichnete den Start des Klimaschutzes auf politischer Ebene. Das „Kyoto-Protokoll“ von 1997 machte sich die Verringerung der Treibhausgase zum großen Ziel und schließlich während der Weltklimakonferenz“ in Paris 2015 (siehe „Weiterführende Links“) haben sich 195 Länder auf das Ziel geeinigt, die Erderwärmung auf unter 2°C zu begrenzen. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts sollen die Netto-Emissionen auf null gesenkt werden - Deutschland strebt eine komplett kohlendioxidfreie Energieversorgung zwischen 2040 und 2050 an. Das heißt perspektivisch die Beendigung der Nutzung von fossilen Energieträgern wie Erdöl, Kohle und Erdgas. Die Energiewende, die in Deutschland bis heute hauptsächlich die Erzeugung von Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen bezeichnet, muss auch die Sektoren Wärmeversorgung und Verkehr mit einbeziehen. Der Übergang von einer kraftstoffbasierten Energiewirtschaft zu einer strombasierten Energiewirtschaft, sowie die Integration des steigenden Anteils von erneuerbaren Energien, erfordert die Kopplung und gemeinsame Optimierung der Sektoren. Eine Reihe von anwendungsbereiten Technologien wie power-to-heat (z.B. Wärmepumpen) oder power-to-mobility (z.B. Elektrofahrzeuge) stehen dafür bereit. In den folgenden Ausführungen soll auf die Kopplung des Elektrizitätssektors zum Verkehrssektor über power-to-gas, dass heißt Wasserstofferzeugung aus (erneuerbaren) Strom eingegangen werden. 

Funktionsprinzip und Stand der Technik

Geht man davon aus, dass erneuerbar und damit auch fluktuierend erzeugte Elektrizität zukünftig die primäre Energiequelle darstellt, so kommt der Kopplung der Energienetze Strom und Gas besondere Bedeutung zu. Anforderungen an eine zukunftsfähige Energieerzeugung wie Flexibilisierung, Langzeitspeicher und vielfältige Verwendungsmöglichkeiten müssen erfüllt sein. Wasserstoff aus regenerativem Strom, über Elektrolyse erzeugt, hat diese vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten. Zur Gewinnung von Wasserstoff macht man sich das Prinzip der Elektrolyse zu nutze. Strom aus erneuerbaren Energien, wie z.B. aus Solarparks oder Windkraftanlagen, wird dazu genutzt, Wasser in seine Grundbestandteile zu spalten. Diese sind Sauerstoff (O2) und Wasserstoff (H2). Die chemische Reaktionsgleichung hierzu ist wie folgt beschrieben. Aus Wasser (H2O) und der Zugabe von Energie .

Die aus der Elektrolyse gewonnen Gase können nun gespeichert und bei Bedarf in vielerlei Anwendungen verwendet werden, wie in der untenstehenden Abbildung zu sehen. Neben der Rückverstromung oder Wärmegewinnung, gewinnt der Einsatz als Kraftstoff im Mobilitätssektor immer mehr an Bedeutung und eröffnet so eine ökonomisch höherwertige Verwendung.

Die im Folgenden genannten technischen und kommerziellen Eckdaten beziehen sich auf PEM (=Proton Exchange Membran) Elektrolyseursysteme, wie sie heute erhältlich sind. PEM Elektrolyseure ermöglichen eine hohe Dynamik im Betriebsverhalten, sind emissionsfrei, erlauben einen hohen Ausgangsdruck und benötigen relativ kleine Aufstellflächen. Aus diesen Gründen haben sie für die vorgenannten Anwendungen einige Vorteile gegenüber alkalischen Elektrolyseuren.

PEM Elektrosyleur:

Systemgrößeca. 1MW
El. Bedarfca. 5kWh/1Nm H2
Ausgangsdruck H2 u. O2ca. 40bar
Systemeffizienzη>70%
Kosten (MW-Anlage, CAPEX)ca. 1500 €/kW

Kostenreduktionsprogramme, welche die Investitionskosten für die PEM Elektrolyseure bis 2025 halbieren sollen, sind von den Herstellern aufgelegt.

Stand der Kommerzialisierung

Die Wasserstofftechnologie ist zwar nicht die neuste Errungenschaft der Technik, aber sie scheint nun im Zuge der Nullemissionsbestrebungen und des steigenden Anteils der erneuerbaren Energien so richtig an Fahrt aufzunehmen. So haben die meisten Premium OEMs Wasserstoff- und Brennstoffzellenantriebe zur Vervollständigung ihrer E-Mobility Strategie aufgelegt. Vor allem asiatische Hersteller haben sich die Brennstoffzellentechnologie zu eigen gemacht und sind im Automobilsektor Marktführer. Toyota mit dem „Mirai“ oder Hyundai mit dem „ix35 Fuel Cell“ stellen schon marktreife Wasserstoffautos zum Verkauf zur Verfügung. Daimler hat die Fertigung größerer Lose ab 2018 angekündigt, Audi und BMW folgen 2020. Auch in der Zugbranche setzt man auf den Wasserstoffantrieb. Auf nicht elektrifizierten Strecken sollen die alten Dieselloks bald durch Wasserstoffzüge ersetzt werden. Die weltweit ersten Zugmodelle dieser Art werden Ende 2017 in Niedersachsen auf ausgewählten Strecken über die Gleise rollen (Alstom H2 Zug Coradia Lint, Innotrans 2016, siehe „Weiterführende Links“). Eine geeignete Wasserstoff- Betankungsinfrastruktur in Deutschland ist im Aufbau:

  • bis 2017 soll es allerdings bereits 50 Wasserstofftankstellen
  • bis 2019 80 bis 100, bis 2023 400 und bis 2030 bis zu 1000 Wasserstofftankstellen geben

Förderprogramme für H2-Aktivitäten

Auf politischer Ebene wird das Thema „Wasserstoff“ schon lange aktiv diskutiert. Die Bundesministerien für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), für Wirtschaft und Technologie (BMWi), für Bildung und Forschung (BMBF) und für Umwelt (BMU) haben bereits 2007 ein Programm ins Leben gerufen, um die Wasserstofftechnologie weiter zu entwickeln und zu fördern, das sogenannte „Innovationsprogramm Wasserstoff und Brennstoffzellentechnologie“ (NIP). Das 2016 auslaufende NIPI wurde vor kurzem durch das NIPII bis 2026 verlängert und sieht insgesamt 1,4 Mrd. € Fördergelder vor, insbesondere zur Marktaktivierung der bestehenden Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologien. Zudem gibt es zahlreiche international geförderte Projekte, die auf die Verringerung der Emissionen in Innenstädten abzielen und die Alltagstauglichkeit von Wasserstoff  im Straßenverkehr erproben. Das Projekt „Clean Hydrogen in European Cities“ (CHIC) liefert hierzu schon einige positive Ergebnisse (siehe „Weiterführende Links“). Mit insgesamt 90 Brennstoffzellenbussen in Europa, u. a. bei der Regionalverkehr Köln GmbH, in Hamburg,  London  oder in Stuttgart konnte bereits der Nachweis erbracht werden, dass Brennstoffzellen-Busse und v. a. auch die Infrastruktur für kleine Fahrzeugflotten funktioniert und in ihrer Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit nahe den Werten konventioneller Lösungen liegen. Weitere größere EU Förderprogramme für den Einsatz von Brennstoffzellenbusse in europäischen Großstädten unter  dem HORIZON 2020 Programm sind in Vorbereitung für 2017 und 2018.

Fazit

Mittel- und langfristig ist Wasserstoff ein vielversprechender Ersatz für fossile Treibstoffe, mit dem die Nullemissionsziele im Verkehrssektor ohne Einbußen der Funktionalität (Betankungszeiten, Reichweiten) erreicht werden können. Um die Technologie auch wirtschaftlich interessant zu machen, müssen jedoch noch einige Anstrengungen seitens der Marktakteure und auch seitens der Politik unternommen werden. Man kann also gespannt die Entwicklungen der Zukunft mitverfolgen.

Weiterführende Literatur: