Zukunftsvision: Biokunststoffe als Schlüssel zur Nachhaltigkeit

Autorin: Monika Voigt

Natürliche, biologisch abbaubare Biokunststoffe sind aufgrund ihres geringeren Verbrauchs an fossilen Ressourcen und ihrer geringen CO2-Bilanz eine vielversprechende Alternative zu konventionellen Kunststoffen. Prognosen für die nächsten Jahre sagen Biokunststoffen weltweit eine steigende Akzeptanz, höhere Produktionskapazitäten und wachsende Marktanteile voraus. Auch die derzeit laufenden Forschungsprojekte deuten auf ein größeres Potenzial und einen industriellen Einsatz in verschiedenen Anwendungsbereichen hin und auf die Chance, die Wirtschaft schneller und nachhaltiger voranzubringen.

Marktbedeutung von Biokunststoffe jetzt und in den nächsten Jahren bis 2028

Eine moderne Welt ohne Kunststoffe ist undenkbar, daher ruhen viele Hoffnungen auf Biokunststoffen. Diese benötigen jedoch noch Entwicklung für den Produkteinsatz und Abfallstrategien, um eine nachhaltige Wirtschaft zu fördern [1]. Biopolymere umfassen verschiedene Kunststoffgruppen, darunter auch z.B. synthetische, nicht bioabbaubare Derivate wie Bio-Polyethylen (Bio-PE) oder Komposite [2, 3]. Polylactid (PLA) ist ein sehr gutes Beispiel für einen biologisch abbaubarer Biokunststoff auf Milchsäurebasis aus Mais, hat bereits Anwendungen in Verpackungen und in der Medizintechnik gefunden [1], ist aber thermisch instabil und für einige Produktbereiche nicht geeignet.

Im Jahr 2023 machten biologisch abbaubare Kunststoffe weniger als 1 % des gesamten Kunststoffmarktes aus [4]. Prognosen zeigen jedoch ein stetiges Wachstum. Fast die Hälfte der Biokunststoffproduktion wurde zuletzt für Verpackungen verwendet, hauptsächlich PLA und Stärkeblends, gefolgt von Bio-PE und anderen Bio-Modifikationen (Abbildung 1). Biokunststoffe finden auch Anwendung in der Textilherstellung, insbesondere Bio-Polyamid (Bio-PA) und Poly(trimethylen terephthalat) (Bio-PTT). In geringerem Umfang werden sie auch in Konsumgütern, im Transportwesen und in der Landwirtschaft eingesetzt. Bis 2028 wird eine Verdopplung der PLA-Produktion und eine erhöhte Nutzung in verschiedenen Bereichen erwartet. In der Textilindustrie wird der Anteil von Bio-PTT zugunsten von PLA-Fasern abnehmen [5].

Flächenbedarf nachwachsender Rohstoffe für Biokunststoffe und Nahrungsmittelanbau

Laut dem Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe (IfBB) gibt es keinen Mangel an Agrarflächen für Biokunststoffe, da die benötigten Rohstoffe im Vergleich zur globalen Bioplastikproduktion minimal sind. Im Jahr 2023 wurden 92 % der Agrarflächen hauptsächlich für Naturkautschuk und Cellulose genutzt, während nur 8 % für Biokunststoffe verwendet wurden [5]. Das Thema ist jedoch komplex, da unterschiedliche biogene Quellen variierenden Flächenbedarf haben und eine Intensivierung der Landwirtschaft zu ökologischen Folgen wie eine Eutrophierung der Böden führen kann [6]. Nicht für den Nahrungsmittelanbau geeignete Flächen oder Abfallströme (Kaskadennutzung) könnten aber ebenfalls eingesetzt werden. Global gesehen bleibt der Flächenanteil für Biokunststoffe minimal, selbst bei einer Verdopplung der Produktion in den nächsten Jahren [5].

Europäische und globale Entwicklung der Biokunststoffe bis 2028

Prognosen des IfBB zeigen eine Verschiebung im regionalen Anbau von Rohstoffen für Biokunststoffe. Während 2023 etwa 17 % der Biokunststoffe aus Europa und über 50 % aus Asien stammten, wird in den nächsten Jahren nur geringes Wachstum in Europa und eine Reduktion in Nord- und Südamerika erwartet. Gleichzeitig wird eine höhere Produktion in Asien und nahezu eine Verdopplung der globalen Produktion prognostiziert (Abbildung 2, [5]). Aufgrund der EU-rechtlichen Vorgaben sind Biokunststoffe stark im Aufschwung. Laut der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM) [7] gibt es schon in 2024 eine hohe Nachfrage nach PET-Rezyklaten und Rezyklaten mit Lebensmittelzulassung, was den Markt bald in einen Verkäufermarkt verwandeln wird.

Aktuelle Forschungs- und Industrieprojekte zu Biokunststoffen

Da es zahlreiche Forschungseinrichtungen und Unternehmen zu Biokunststoffen gibt, können aufgrund des Umfangs hier nur einige Beispiele genannt werden. Die Bundesregierung fördert 12 Innovationsprojekte zur nachhaltigen Lebensmittelverpackung, unterstützt vom RePack-Netzwerk [8], um Ressourcen-verbrauch und Plastikverschmutzung zu reduzieren. Das Fraunhofer für Angewandte Polymerforschung IAP entwickelt im Projekt RUBIO mit Partnern neue PBS-Typen und hat ein erstes marktfähiges Produkt geschaffen [9]. Der Biopolymer Innovation Award 2023 ging an das Thüringische Institut für Textil- und Kunststoff-Forschung Rudolstadt (TITK) für einen biobasierten Schmelzkleber [10] und an Green Elephant Biotech für eine klimaneutrale Zellkulturflasche aus PLA, die über 100 herkömmliche ersetzt [11]. An der Justus-Liebig-Universität Gießen wurde ein neuer Biokunststoff aus Algen, Pilzen und Chitin entdeckt, der nun für verschiedene Anwendungen (wie abbaubare Mülltüten, Kosmetik, Beschichtung von Platinen) patentiert wurde [12]. Die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) listet z.B. Projekte wie Schaumstoff-Folien aus Stärke, Kleiderbügel aus Naturfasern, biobasierte Kunststoffe für Kunststoffrasen und biobasierte Harze für die serielle Verarbeitung von faserverstärkten Bauteilen. Weitere Projekte befassen sich mit industrieller Biotechnologie und europäischen Bioökonomiestrategien [6].

Weitere Informationen zur Unterstützung

  • Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat eine Datenbank für Biokunststoffe in Verpackungen gefördert [13].
  • Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat die Plattform BiNa etabliert, die ökologische und sozioökonomische Nachhaltigkeit von Biokunststoffen analysiert [14].
  • Seit 2005 bietet das Portal „biokunststoffe.de“ technisches Wissen über Biokunststoffe und ein Branchenverzeichnis (Unternehmen, Produkte) [15]. 
  • Die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) dokumentiert aktuelle und abgeschlossene Forschungsprojekte sowie Förderungen im Bereich Biokunststoffe [4].
  • Forschungsinstitute wie Fraunhofer UMSICHT [16] und LBF bieten Informationen zu naturfaser-verstärkten Kunststoffen und Holz-Kunststoff-Kompositen. 
  • Das Netzwerk Bayern Innovativ unterstützt Industrie und Forschung mit Informationen zu Förderungen, Projekten und Fachveranstaltungen (wie „Zirkuläre Werkstoffe“) zu Themen wie Nachhaltigkeit, Bioökonomie, Automatisierung und Digitalisierung [17].

Referenzen:

[1] "The future of plastic” in Nature Communications 9, 2157 (2018), https://www.nature.com/articles/s41467-018-04565-2
[2] „Nachhaltige Materialien: Biokunststoffe im Fokus“, Dr. Monika Voigt, Webpage auf Bayern Innovativ: https://emagazin.bayern-innovativ.de/detail/nachhaltige-materialien-biokunststoffe-im-fokus
[3] „Beständige Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe für Langzeitanwendungen: Der Forschungs-verbund BeBio2“, Werkstoffe in der Fertigung, S. x-y (4/2024)
[4] https://www.fnr.de/ und https://www.fnr.de/projektfoerderung
[5] Facts and Statistics - IfBB - Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe (ifbb-hannover.de), https://www.ifbb-hannover.de/de/facts-and-statistics.html
[6] https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/2503/dokumente/uba_kurzposition_biokunststoffe.pdf
[7] https://www.industr.com/de/so-lassen-sich-kunststoffe-in-lebensmittelverpackungen-verringern-2756607
[8] https://www.repack-netzwerk.de/
[9] https://kem.industrie.de/werkstoffe/projekt-rubio-polybutylensuccinat-fraunhofer-iap-technische-biokunststoffe-entwickeln/
[10] https://www.plastverarbeiter.de/roh-und-zusatzstoffe/hauptpreis-fuer-einen-biologisch-abbaubaren-schmelzklebstoff-372.html
[11] https://www.plastverarbeiter.de/roh-und-zusatzstoffe/biokunststoffe/biopolymer-innovation-award-2023-platz-2-ein-zellkultursystem-aus-pla-730.html
[12] https://www.hessenschau.de/wirtschaft/kunststoff-aus-biomuell-zufallsentdeckung-aus-giessen-koennte-die-plastikindustrie-revolutionieren-v1,biokunststoff-uni-giessen-100.html
[13] https://biokunststofftool.de/ 
[14] http://www.biokunststoffe-nachhaltig.de/index.php/ueberblick.html
[15] http://biokunststoffe.de/
[16] https://www.umsicht.fraunhofer.de/de/circulareconomy/biokunststoffe.html
[17] https://www.bayern-innovativ.de/de

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