Soziale Innovationen für gesellschaftliche Herausforderungen

https://www.bayern-innovativ.de/de/seite/ueber-bayern-innovativ Das Thema Nachhaltigkeit zählt zu einem der wichtigsten Megatrends unserer Zeit und wird von Unternehmen ganz unterschiedlich integriert. Innovationen sind hierbei der Schlüssel, um Nachhaltigkeit in Unternehmen umzusetzen. So kann Nachhaltigkeit beispielsweise durch Soziale Innovation gelingen. Doch was genau sind Soziale Innovationen? Wo und wie finden sie Anwendung? Darüber berichtet Anja Birke, Projektmanagerin im Bereich Technologie- und Innovationsmanagement bei Bayern Innovativ.

Soziale Innovation Social Entrepreneurship
Wie kann Nachhaltigkeit durch soziale Innovation gelingen? Die Antwort erfahren Sie im Interview mit Anja Birke.


Anja, was verstehst du unter Soziale Innovationen?

Anja Birke: Soziale Innovationen sind eine besondere Form von Innovationen. Sie können aber dennoch inkrementell oder auch disruptiv sein und es sind spezielle neue Entwicklungen, Technologien, Dienstleistungen, Prozesse, Produkte, aber auch Geschäftsmodelle. Dabei sind Soziale Innovationen äußerst wichtig für eine Gesellschaft, denn sie sind die Reaktionen auf gesellschaftliche Herausforderungen, wie beispielsweise das Abdecken hochwertiger Bildung, den Klimawandel oder auch von sozialen Ungerechtigkeiten. Soziale Innovationen haben den Fokus auf die Maximierung von sozialem Mehrwert, d. h. sie sind wirklich der soziale Impact für eine Gesellschaft und sie wollen damit einen systematischen Wandel hervorrufen. Diese Systemperspektive bezeichnet wirtschaftliche, aber auch technische Aspekte und bezieht sich sowohl auf das gesellschaftliche Wohlergehen als auch auf die nachhaltige Entwicklung. Alle diese Dimensionen stehen in einer Wechselwirkung zueinander. Soziale Innovationen wollen genau diese Wechselwirkungen und alle dazugehörigen Aspekte betrachten.

Hast Du zur Veranschaulichung ein Beispiel für Soziale Innovationen?

Anja Birke: Ein Paradebeispiel, sogar auf staatlicher Seite, stellt das Sozialversicherungssystem dar. Es wurde Ende des 19. Jahrhunderts eingeführt und damals war das tatsächlich die erstmalige Schaffung von Existenzbedingungen und Menschenrechte für eine breite Masse. D. h., vor der Einführung hatten nur bestimmte privilegierte Personen diese Bevorzugung, eine Sozialversicherung oder eine Sozialversicherung in einer anderen Art und Weise, zu genießen. Die Sozialversicherung hat ganze gesellschaftliche Strukturen gewandelt und hatte einen sehr großen Einfluss auf unsere Werte und auf unsere Einstellungen. Dies zeigt, dass wir Soziale Innovationen nicht nur heute sehen, sondern dass es sie, und somit auch gesellschaftliche Herausforderungen, schon seit dem 19. Jahrhundert und früher gab. Ein weiteres Beispiel sind Mehrgenerationenhäuser. Man sieht: Soziale Innovationen sind heute wichtiger denn je, denn sie finden sich vor allem auch im Kontext aktueller Trends wieder, wie der Digitalisierung oder der Nachhaltigkeit. Denn wo Trends entstehen, gehen auch immer gesellschaftliche Herausforderungen einher. Und genau dort setzen auch Soziale Innovationen an.

Wo Trends entstehen, gehen auch immer gesellschaftliche Herausforderungen einher. Und genau dort setzen Soziale Innovationen an.

Anja Birke Projektmanagerin Technologie | Technologie- und Innovationsmanagement, Bayern Innovativ GmbH


Es gibt sicherlich auch Soziale Innovationen, die dank Digitalisierung oder digitaler Technologien umgesetzt wurden, oder?

Anja Birke: Ja, ein Beispiel kommt aus der Sharing Economy. Da gibt es diverse Sharing-Modelle, die über die Digitalisierung verbreitet werden, d. h. über Apps, digitale Anwendungen und die ganze Vernetzung, die stattgefunden hat. Dabei handelt es sich um ein aktuelles Beispiel für Soziale Innovationen, denn das Geschäftsmodell von Sharing-Modellen fokussiert sich auf die Nutzung von Gütern als Dienstleistung. Man nimmt eine Dienstleistung in Anspruch und kauft nicht das Produkt. Carsharing-Unternehmen befriedigen z. B. das Bedürfnis nach Mobilität . Wir wollen von A nach B kommen, aber nicht unbedingt ein Auto besitzen. So können wir der gesellschaftlichen Herausforderung begegnen, die dahintersteht, in diesem Fall der Energie- und Ressourcenverbrauch, den wir aktuell in der Massenproduktion, Wegwerfmentalität und im Kontext des Klimawandels sehen. Ein weiteres eingängiges Beispiel, wenn man über das Thema Digitalisierung spricht, sind die Spracherkennungssoftwares und Spracherkennungen, die beispielsweise in Handys oder Smartphones sowie in Navigationssystemen, vorkommen. Speziell auch im Bereich der Barrierefreiheit in der Stadt. Denn durch die Digitalisierung konnten genau diese Bereiche für Menschen mit Behinderung erschlossen und das Leben dadurch erleichtert werden.

Neben sozialen Innovationen gibt es auch eine besondere Form des nachhaltigen Unternehmertums: Social Entrepreneurship. Was versteht man darunter und wie unterscheidet es sich vom ‚normalen‘ Entrepreneur?

Anja Birke: Social Entrepreneurs haben eine sehr starke soziale Mission. D. h., wie andere Entrepreneurs, haben auch sie eine Vision und eine Mission, also ein Ziel, worauf sie hinarbeiten. Bei Social Entrepreneurs ist es vor allem der starke soziale Fokus. Zudem bedienen sie sich u. a. sozialer Innovationen, um gesellschaftliche Herausforderungen zu bewältigen und so einen positiven Mehrwert in der Gesellschaft zu schaffen. Im Prinzip profitiert eine Gesellschaft von ihren Dienstleistungen und Produkten. Zur genaueren Erläuterung: Die Geschäftsmodelle generieren prinzipiell Umsätze, wie andere Unternehmen auch. Sie sind somit schon in einer gewissen Weise wirtschaftlich, also Profit orientiert. Aber die Kosten werden vollständig gedeckt. Also jeder Euro, der an Kosten entsteht, z. B. durch Mitarbeitende, wird auch durch den Umsatz gedeckt und alles, was am Ende als Gewinn übrigbleibt, wird wieder komplett in die Intensivierung des Geschäftsmodells beziehungsweise in die Skalierung investiert. Social Entrepreneurs weiten dann ihr Produkt- oder Dienstleistungsportfolio aus, um noch mehr gesellschaftlichen Mehrwert zu generieren. Es ist ein vollständiger Rückfluss der Gewinne in das Geschäftsmodell. Social Entrepreneurs sind keine Philanthropen, zivilgesellschaftliche Organisationen oder NGOs (Nichtregierungsorganisationen), sondern sie sind wirklich auch an der Unternehmenswirtschaftlichkeit interessiert. Es sind also Wirtschaftsunternehmen mit einem anderen Fokus. Social Entrepreneurs haben einen breiten Wirkungsbereich. Auch wir haben zwar in dem ganzen Terminus „sozial“ mit drinnen, also Social Entrepreneur oder Social Entrepreneurship, es ist aber ein sehr breit angelegtes Handlungsfeld. Die Wirkungsbereiche haben immer einen Einfluss auf die Gesellschaft, deswegen steht das Soziale im Terminus-Fokus. Aber die gesellschaftliche Wirkung zahlt im Prinzip mindestens auf eins der 17 SDGs (Sustainable Development Goals) ein. Und es sind ja die 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen. Dabei kann z. B. im sozialen Bereich auf die Bekämpfung von Armut eingezahlt werden oder auf bessere Gesundheitssysteme oder auch auf hochwertige Bildung. Und genauso auch im ökologischen Bereich, da sind beispielhaft die Punkte Leben an Land, Leben im Wasser, genauso aber auch erneuerbare Energien zu nennen.


Können Soziale Innovationen auch Hightech getrieben sein?

Anja Birke: Soziale Innovationen können auch Hightech oder hoch technologisiert sein, denn der Fokus liegt auf dem gesellschaftlichen Mehrwert und wie dieser generiert wird, ist erst einmal egal. Ein Beispiel aus dem Medizinbereich: Künstliche Intelligenzen analysieren große Datenmengen, so werden z. B. auch künstlichen Intelligenzen werden mit medizinischen Screenings gefüttert und durch Mustererkennung können Diagnosen gestützt werden. Sie ersetzen zwar nicht den Arzt, sind aber hoch technologisch und können bei der Diagnosestellung unterstützen, eine Anleitung geben und dem Arzt helfen. So wird das Erkennen von Krankheiten deutlich effizienter und nützt somit einem großen Teil der Gesellschaft. Die Soziale Innovation liegt darin, dass man die Daten als Open Source einer breiten Masse zur Verfügung stellt. Das kann für Krankenhäuser sein – auch übergreifend über mehrere Länder – oder einzelne Arztpraxen, aber eben auch in der Forschung. Wie das Beispiel zeigt, nehmen Soziale Innovationen aktuelle Trends und Megatrends, wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit, mit auf. Gerade im Bereich Urbanisierung kann man mit Hightech noch viel erreichen. Wir leben in urbanen Räumen, haben also wachsende Städte und einen Ausbau der Stadt-Land-Infrastruktur. Dafür benötigen wir z. B. dringend alternative Mobilitätskonzepte, wo auch Hightech-Anwendungen gefragt sind, die am Ende dem Leben in der Stadt zugutekommen.

Was können Unternehmen, Start-ups oder KMU von Sozialen Innovationen und vom Social Entrepreneurship lernen?

Anja Birke: Eine Grundsensibilisierung für das Thema ist das Wichtigste und beinhaltet eine Aufklärung in Unternehmen. Die Unternehmen, die aktuell nur For-Profit orientiert sind, müssen sich jetzt aber nicht komplett umstellen und nur noch Soziale Innovationen generieren. Es geht nur darum klarzustellen, dass es mehr gibt als das, mit dem man täglich konfrontiert ist, also die klassischen For-Profit-Organisationen oder Nonprofit-Organisationen. Es existieren auch noch Varianten dazwischen, die beide Richtungen betrachten. Genau dieses Mindset in Richtung soziale und ökologische Nachhaltigkeit kann durch eine Sensibilisierung gestärkt werden. Die Dienstleistungen und Produkte sollten den Aspekt mitdenken und ihn integrieren.

Gibt es eigentlich nur einen positiven Impact, den ein Produkt, eine Dienstleistung oder eine Technologie haben kann?

Anja Birke: Nein, es gibt auch einen negativen Impact, der immer mitgedacht werden soll. Ein negativer Impact bedeutet, dass nicht-intendierte negative Auswirkungen auf die Gesellschaft entstehen können. D. h., dass ich vorher z. B. nicht geahnt habe oder nicht voraussehen konnte, welche negativen Folgen eine Technologie hat. Daher ist es ein erster Schritt, über die Sensibilisierung zu gehen und sich bewusst zu machen, dass gewisse Produkte und Technologien auch einen negativen Einfluss haben können. Durch diese ganzheitliche Sicht kann der positive wie negative Impact betrachtet werden. Dazu bietet es sich beispielsweise an, die verschiedenen Unternehmens-Typen an einen Tisch zu setzen. Also diese zusammenzubringen, damit sie sich austauschen und voneinander lernen. So können sie sich durch Synergien gegenseitig helfen.



Das Interview führte Dr. Tanja Jovanovic, Leiterin Technologie- und Innovationsmanagement bei der Bayern Innovativ GmbH.

Hören Sie sich das vollständige Interview als Podcast an:

How to innovate: Mit sozialen Innovationen zum nachhaltigen Unternehmertum

Trends wie Nachhaltigkeit können durch Soziale Innovationen gelingen. Doch was genau sind Soziale Innovationen und wie finden sie Anwendung? Darüber spricht Dr. Tanja Jovanovic mit unserer Expertin Anja Birke .

Lesen Sie hier unsere neue Studie zu Sozialen Innovationen!

Ihr Kontakt

Anja Birke
Dr. Tanja Jovanovic

Bayern Innovativ Newsservice

Sie möchten regelmäßige Updates zu den Branchen, Technologie- und Themenfeldern von Bayern Innovativ erhalten? Bei unserem Newsservice sind Sie genau richtig!

Jetzt kostenlos anmelden