Wie werden die verschiedenen Komponenten beim Bioprinting zusammengeführt?
Beim klassischen 3D-Druck wird in der Regel ein Stützmaterial schichtweise aufgetragen. Es gibt aber auch das Konzept, mehrere Düsen zu benutzen und damit verschiedene Materialien zu verbinden und zu drucken. Das gibt es auch beim Bioprinting, dass verschiedene Düsen vorliegen, wo dann zum Beispiel verschiedene Zelltypen miteinander kombiniert werden können. Denn ein Herz besteht nicht nur aus Herzzellen, sondern aus verschiedenen Zellen, die miteinander interagieren. Den Zellen aber nur eine dreidimensionale Struktur zu geben, daraus wird noch kein Organ. Das sieht zwar gut aus und lässt sich gut präsentieren, aber die Funktion ist noch nicht gegeben. Um auf das Beispiel aus Israel mit dem Miniaturherz zurückzukommen: Dieses Herz hat keinen Herzschlag. Die Zellen sind zwar vorhanden, aber die Wechselwirkung zwischen den Zellen nicht.
Welche Vorteile hat Bioprinting?
Bioprinting hat sehr viele Vorteile. Grundsätzlich besteht ein sehr hoher Bedarf an künstlichen Organen. Aktuell stehen knapp 8.500 Menschen auf der Warteliste für ein Spenderorgan. Ganz oben auf der Liste stehen Nieren. Dann kommen Organe wie Herz, Leber, Bauchspeicheldrüse und Lunge. Das sind die fünf am häufigsten benötigten Spenden. Allerdings gibt es pro Jahr nur knapp unter 1.000 Spender. Der Bedarf ist also immens und könnte durch Bioprinting gedeckt werden. Wenn ein Patient kommt und ein neues Herz braucht, dann könnte an den Drucker gegangen werden, ein Modell reingeladen und das Herz ausgedruckt werden. Es muss dann noch ein wenig nachreifen, aber das Organ könnte wesentlich schneller zur Verfügung gestellt werden als bisher.
Darüber hinaus können gedruckte Miniorgane bereits heute eingesetzt werden, um zu untersuchen, wie Medikamente wirken. Wenn aktuell ein neues Medikament entwickelt wird und seine Wirkung beobachtet werden soll, dann werden in der Regel zunächst Untersuchungen an Zellkulturen durchgeführt. Dafür werden Petrischalen verwendet, in denen Zellen in 2D also flach angeordnet sind. Die Wechselwirkungen mit den einzelnen Zellen sind dort sehr gering. Anschließend wird ein Wirkstoff darauf gegeben und geschaut, ob die Zellen sterben, überleben, exprimieren etc. In einem komplexen Material wie unseren gedruckten Organen ist die Möglichkeit, Wechselwirkungen zu untersuchen, viel besser. Das heißt, es gibt dort einen Fluss, also ein dynamisches System. Das gibt es bei der Zellkultur nicht. Dort ist lediglich die Petrischale, in der die Zellen sitzen und darauf warten, dass etwas passiert. Bei einem komplexen Modell können im Durchfluss ganz andere Phänomene und Mechanismen untersucht werden.
Zusätzlich können nicht nur Organe gedruckt, sondern auch gezielt Organe mit einem Defekt hergestellt werden. Beispielsweise kann ein krebsartiges Organ verwendet werden, um die Wirksamkeit von Medikamenten bei bestimmten Krankheiten zu untersuchen. Diese Mechanismen werden bereits heute untersucht.
Und mittelfristig ist es auch so, dass Tierversuche, die für die medizinische Entwicklung notwendig sind, weiter reduziert werden können. Das liegt daran, dass aufgrund des Bioprintings dann besser mit einem „primären“ Material gearbeitet werden kann.
Welche Berufe beschäftigen sich primär mit Bioprinting?
Entlang der Wertschöpfungskette sind eine ganze Reihe unterschiedlicher Berufe daran beteiligt. Das sind zum einen die Biologen und Biologinnen sowie die Biotechnologen und Biotechnologinnen, die an den Tinten und an der Wechselwirkung der verschiedenen Materialien mit den Zellen arbeiten. Dann gibt es noch die Ingenieure und Ingenieurinnen, die die Drucker bauen, beziehungsweise neue Drucktechniken entwickeln. Und schließlich sind da noch Forschende und die Mediziner und Medizinerinnen, die diese Materialien entsprechend einsetzen und dann hoffentlich irgendwann auch in Menschen implantieren können.
In welchem Jahr könnte Bioprinting Realität werden?
Das ist ein bisschen wie Glaskugel-Raten. Es ist so, dass gerade in den letzten fünf bis zehn Jahren massiv viel passiert ist. Ich würde nicht ausschließen, dass wir das noch erleben können. Es ist schwierig, eine genaue Jahreszahl festzulegen. Es kann durchaus sein, dass wir den einen oder anderen technischen Fortschritt generieren können oder dass die künstliche Intelligenz zu einem großen Sprung verhilft. Dies kann in zehn, zwanzig oder aber dreißig Jahren der Fall sein.
Das Interview führte Dr. Tanja Jovanovic, Leitung Innovationsmanagement bei der Bayern Innovativ GmbH.
Hören Sie sich das vollständige Interview als Podcast an: