Was ist Quantentechnologie?

Unsere Welt besteht aus elementaren Teilchen – sogenannten Quanten – die besonderen physikalischen Prinzipien unterliegen. Diese Prinzipien in die Anwendung zu bringen ist bereits auf dem Weg und schon jetzt ist klar: Unternehmen müssen heute den Einstieg in die Quantentechnologie wagen, damit sie morgen mit der internationalen Konkurrenz mithalten können. Die Hintergründe hierzu erklären Prof. Dr. Andreas Tünnermann – Mitglied der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften sowie Leiter des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF und Direktor des Instituts für Angewandte Physik der Friedrich-Schiller-Universität Jena – und Dr. Andreas Böhm – Leiter des Thinknet Quantentechnologie bei Bayern Innovativ.

Was ist Quantentechnologie
Unternehmen müssen heute den Einstieg in die Quantentechnologie wagen, damit sie morgen mit der internationalen Konkurrenz mithalten können.

Prof. Tünnermann, warum ist die Quantentechnologie aktuell in aller Munde und warum ist sie für Unternehmen so interessant?

Prof. Dr. Andreas Tünnermann: Die Quantentechnologien haben eine lange Geschichte . Sie reicht zurück bis zum Beginn des vergangenen Jahrhunderts. Hier wurden wichtige Phänomene der Physik durch neue Ansätze beschrieben. Persönlichkeiten wie Schrödinger prägten die Quantenphysik in dieser Zeit.
Die ersten technischen Anwendungen der Quantenphysik passierten zu Beginn der 1950er / 60er Jahre und sie führten zu der Entwicklung von Mikroelektronik-Bauelementen oder auch zur Entwicklung des Lasers.
Heute stehen wir vor einer Revolution in der Anwendung der Quantenphysik. Seit wenigen Jahren sind wir in der Lage, Prozesse zu kontrollieren und einzelne Quanten für Fragestellungen im Bereich der Sensorik oder auch zur Übertragung von Informationen zu nutzen. Dies eröffnet uns völlig neue Möglichkeiten in der Wissenschaft, aber auch in der Technik. Und gerade für Unternehmen wird es wichtig sein, diese Mehrwerte in der Nutzung der Quantentechnologien zu erschließen und in Märkte für die Sensorik, die Informationstechnik oder auch im Bereich der Bildgebung zu übertragen.

Andreas, Du baust bei Bayern Innovativ das Netzwerk Quantentechnologie auf. Wie machst Du das genau?

Dr. Andreas Böhm: Wir haben bei Bayern Innovativ bereits zahlreiche Branchen- und Technologie-Netzwerke, insbesondere in unseren Spezialisierungsfeldern ( Mobilität , Energie , Material , Gesundheit , Digitalisierung ), erfolgreich etabliert. Unser Auftrag besteht nun darin, die Quantentechnologie an diese bereits bestehenden „klassischen“ Netzwerke anzudocken. Das ist die direkte Übersetzung der Idee des Technologie- oder Wissenstransfers : „Was kann man mit Quantentechnologie in der Industrie wie z. B. Automobil, Elektronik, Datenverarbeitung usw. machen. Welche Problemstellungen lassen sich lösen? An welcher Stelle lässt sich Mehrwert generieren?” Das ist die Schaffung eines Bewusstseins für mögliche Anwendungen - einerseits. Zum Zweiten möchten wir ein Quanten-Ökosystem auch mit Partnern aufbauen, indem wir Akteuren aus der Wirtschaft helfen, sich als mögliche Zulieferer von Komponenten (Elektronik, Hardware, Software) dieses Themenfeld zu erschließen – und da denke ich vornehmlich an unsere technologisch hochspezialisierten KMU. So kann für alle Beteiligten eine Win-win-Situation entstehen.

Prof. Tünnermann, in welchen Branchen werden denn die Quantentechnologien zur Anwendung kommen?

Prof. Dr. Andreas Tünnermann: Es gibt eine Reihe von branchenübergreifenden Aspekten. Ich denke, der wichtigste Aspekt ist das Thema Sicherheit . Das Thema Datensouveränität ist nämlich ein Grundrecht in Deutschland. Und durch die Anwendung der Quantentechnologien haben wir die Chance, Kommunikation von Daten zukunftssicher zu gestalten – unabhängig von der Infrastruktur des Bereitstellers der Infrastruktur, dem sogenannten „Provider“.
Hier kommen also die originären Vorteile der Nutzung der Quantentechnologie direkt zum Tragen. Der Empfänger einer Nachricht kann erkennen, ob eine dritte Person die Nachricht mitgehört hat und z. B. ein Schlüssel zur Verschlüsselung von Daten kompromittiert wurde. Ein weiteres Beispiel, was mich in Jena durch die Verbindung zur Optik berührt, ist das Thema Bildgebung. Ebenso werden uns Quantentechnologien ermöglichen, die Sensorik zu verbessern, die Strahlenbelastung von Patienten bei der Tumor-Diagnostik zu reduzieren u. v. m.


Wir stehen vor einer Revolution in der Anwendung der Quantenphysik, wodurch sich völlig neue Möglichkeiten für Unternehmen ergeben. Nun gilt es, die Mehrwerte zu erschließen und zu nutzen.

Prof. Dr. Andreas Tünnermann Leiter des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF


Andreas, wie passt das zu den Spezialisierungsfeldern von Bayern Innovativ?

Dr. Andreas Böhm: Ich greife den Themenbogen von Prof. Tünnermann direkt auf: Er hat für das Thema Gesundheit bzw. Health und Medizintechnik schon eine konkrete Anwendung genannt. Ebenso gibt es für unsere weiteren Spezialisierungsfelder Mobilität , Energie , Material und Digitalisierung viele Anwendungsmöglichkeiten. Themen sind hier vornehmlich die Optimierung von komplexen Prozessen generell, z. B. Fertigungsprozessen, Job Scheduling oder beispielsweise Verkehrsflüssen. Unser Ziel bei Bayern Innovativ ist, solche Anwendungsbeispiele im Sinne des Wissenstransfers möglichen Anwendern verständlich zu erklären, sodass sie das Potenzial der Quantentechnologie für sich erkennen und schließlich nutzen können.

Was wären denn konkrete Anwendungsbeispiele, Prof. Tünnermann?

Prof. Dr. Andreas Tünnermann: Es ist wichtig, dass Unternehmen den individuellen Mehrwert einer Anwendung aus dem Bereich Quantentechnologie für sich erkennen. Wir haben z. B. die Möglichkeit, durch die Kontrolle von Quanten sehr effiziente und empfindliche Sensoren zu bauen und damit die Bildgebung zu revolutionieren. Ebenso gibt es die Möglichkeit, über Quantencomputer sehr schnell Logistikprobleme zu analysieren, kombinatorische Optimierungen eines Verkehrsflusses im Bereich Transportwesen zu nutzen u. v. m. Das sind Themen, die für die Automobilindustrie ebenso wie für die Logistik interessant sind und letztendlich auch in Finanzunternehmen eine wichtige Rolle spielen. Denn gerade beim Thema Banking sind Mehrwerte in der Sicherheit durch die Nutzung von Quanten – beispielsweise beim Austausch oder bei der Speicherung von Daten – von großer Bedeutung.

Andreas, wie unterstützt Du bei Bayern Innovativ Unternehmen, die im Bereich Quantentechnologie durchstarten möchten, aber noch wenig Ahnung vom Thema haben?

Dr. Andreas Böhm: Wie eingangs schon erklärt, bauen wir aktuell ein Netzwerk im Bereich Quantentechnologie auf. Wir führen viele Gespräche mit Unternehmen, Start-ups sowie Akteuren aus Forschung und Wissenschaft, die sich in diesem Themenfeld bereits bewegen oder künftig bewegen wollen. Um unser Netzwerk weiter aufzubauen, haben wir auf unserer Homepage eine Kompetenz-Landkarte veröffentlicht. Dort kann sich jedes Unternehmen und Forschungsinstitut eintragen und in seinem Profil eigene Dienstleistungen präsentieren oder einen Suchaufruf starten. Wir dienen also als Vermittler von Kooperationspartnern. Des Weiteren wollen wir durch Podcasts , Fachartikel und Publikationen sowie Veranstaltungen Bewusstsein für das Thema Quantentechnologie schaffen und das nötige Know-how vermitteln. Wir wünschen uns, dass unser Netzwerk kontinuierlich wächst, um eine Schlüsselposition innerhalb von Bayern einzunehmen und den bayerischen Mittelstand weiter zu stärken.

Welche Botschaft möchtet Ihr / möchten Sie unseren Lesenden mit auf den Weg geben?

Prof. Dr. Andreas Tünnermann: Meine Botschaft geht insbesondere an den Mittelstand: Haben Sie keine Angst vor den Quantentechnologien! Die Quantentechnologien bergen eine Chance. Wir haben in der Vergangenheit zeigen können, dass die Innovationskraft des Mittelstands hilft, neue Märkte zu erobern, diese zukunftsfähig zu gestalten und damit auch Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern. Ein prominentes Beispiel ist die Laser-Physik. Wir sind heute weltweit führend im Bereich dieser Technologie, was ein überzeugendes Ergebnis der Quantentechnologie ist. Aufgrund dieser Erfahrungen bin ich der festen Überzeugung, dass es uns gelingen wird, über den innovationsfreudigen Mittelstand , die Quantentechnologien auch aus Deutschland heraus in die Weltmärkte zu bringen.

Dr. Andreas Böhm: Den Aussagen von Prof. Tünnermann möchte ich mich unbedingt anschließen. Es gilt jetzt – parallel zu den Forschungsaktivitäten – das Thema Quantentechnologie auf die Straße zu bringen und einen wirtschaftlichen Turnover zu erzeugen, so dass unser bayerischer Mittelstand weiter in vorderster Linie der Weltwirtschaft mitspielt. Jetzt und in Zukunft!


Das Interview führte Christina Beinlich, Projektmanagerin Marketing bei der Bayern Innovativ GmbH.

Hören Sie sich das vollständige Interview als Podcast an:

Warum Quantentechnologie?

Unternehmen müssen heute den Einstieg in die Quantentechnologie wagen, damit sie morgen mit der internationalen Konkurrenz mithalten können.

Die Hintergründe dazu erklären Ihnen Prof. Dr. Andreas Tünnermann – Leiter des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF und Dr. Andreas Böhm – Leiter des Bereichs Quantentechnologie bei Bayern Innovativ .

Ihr Kontakt

Dr. Andreas Böhm

Bayern Innovativ Newsservice

Sie möchten regelmäßige Updates zu den Branchen, Technologie- und Themenfeldern von Bayern Innovativ erhalten? Bei unserem Newsservice sind Sie genau richtig!

Jetzt kostenlos anmelden