Nicolai, woran arbeitet ihr im Bereich “Vernetzte Mobilität” genau und was hat es mit diesen Mobilitätsstationen auf sich?
Nicolai: Wir sind seit knapp vier Jahren Partner im Projekt eHUBs, ein von der EU gefördertes Projekt, in dessen Rahmen in zehn verschiedenen europäischen Städten Mobilitätsstationen in Betrieb genommen wurden und beforscht werden.
Wie kann man sich das vorstellen? Was für Städte sind das genau?
Nicolai: Dabei handelt es sich um einen ganz guten Mix aus Großstädten wie Amsterdam und Manchester sowie auch kleinere Städte, wie Löwen in Belgien zum Beispiel, oder Kempten in Bayern. Wir haben auch ländliche Regionen wie Wallonien, aber auch Städte mit unterschiedlichen Mobilitätskulturen. Die “Lead” Stadt ist Amsterdam, mit der man automatisch Fahrrad und eine Offenheit für neue Mobilität verbindet. Wir haben aber zum Beispiel die Stadt Dublin dabei, die sehr autozentriert ist - also, wie gesagt, sowohl große und kleine Städte, als auch progressivere Städte im Sinne von neuen Mobilitätsformen und traditionelle autozentrierte Städte.
Geht es bei den Mobilitäts-Hubs bzw. -Stationen nur um Radverkehr oder welche Formen von Mobilität finde ich da?
Nicolai: In der Theorie kann das sehr vielfältig sein. Hier im Projekt sind das dann vor allem Fahrräder sowie auch E-Autos. Ein wichtiger Schwerpunkt in dem Projekt ist auch das Thema Lastenfahrradsharing bzw. E-Lastenfahrradsharing. Die Scooter, die wir hier an allen Orten sehen, werden im Projekt eher nebensächlich behandelt. Das hat aber auch damit zu tun, dass die Scooter noch gar nicht überall so weit verbreitet sind. In UK zum Beispiel haben wir noch gar keine Straßenzulassung, also dort gibt es kein Scootersharing und im Jahr 2019, als das Projekt gestartet ist, war man in dem Thema E-Scootersharing auch noch nicht so weit. Der Fokus liegt auf Bikesharing, vor allem E-Bikesharing, Lastenfahrradsharing und E-Autosharing.
Somit kann ich mir die Mobilität suchen, die ich gerade brauche?
Nicolai: Genau, das hängt aber auch von der Stadt in dem Fall ab, inwieweit diese Angebote dann auch in den ÖPNV integriert sind. Im Fall von Manchester ist es so, dass das Projekt von der dortigen Verkehrsorganisation betrieben wird. In anderen Städten ist es tatsächlich die Stadt, die das Projekt vorantreibt. Das Thema Integration spielt dann natürlich auch noch mit hinein, um diese ganzen Shared mobility Angebote als Erweiterung des ÖPNV zu etablieren.
Wo liegen denn die größten Herausforderungen? Wo merkt ihr, da hakt was?
Nicolai: Ich denke, die größte Herausforderung liegt grundsätzlich darin, mit den Angeboten, die man schafft, die richtigen Zielgruppen zu erreichen. Schließlich möchte man am Ende des Tages ja gewisse Ziele erreichen: weniger Autoverkehr, weniger Parkdruck, weniger Emissionen und auch Lärmbelastung zum Beispiel, und das erreiche ich nur, wenn ich Autofahrende adressiere. Nicht aber, wenn ich vornehmlich Personen adressiere, die ohnehin mit dem Fahrrad unterwegs sind oder die eine Affinität für solche Angebote haben und selbst gar kein Auto haben. In diesem Fall könnten solche Angebote tatsächlich sogar den gegenteiligen Effekt erzeugen. Wenn ich Carsharing zur Verfügung stelle, aber letztendlich niemanden dazu bewegen kann, sein eigenes Auto abzuschaffen, dann habe ich am Ende nur mehr Autos.
Was dazu führen würde, dass sich die Platzknappheit in Städten noch weiter zuspitzt…
Nicolai: Genau. Das ist die grundsätzliche Herausforderung, einfach die richtigen Zielgruppen zu erreichen. Das Thema haben wir mit dem Lastenfahrradsharing auch. Es gibt schon einige Städte in Bayern, die auch Lastenfahrradsharing haben, und da kommt es darauf an, zu betrachten, welchen Zweck dieses Verkehrsmittel erfüllt, welche Use Cases bedient so ein Verkehrsmittel, und dementsprechend muss ich es auch positionieren. Ich war kürzlich erst in einer kleineren Stadt unterwegs, die auch eine Art Mobilitätsstation angeboten hat, u.a. mit einem Lastenfahrradsharing, aber in einem Industriegebiet in der Nähe vom Uni Campus. Da frage ich mich, wer soll dieses Lastenfahrrad nutzen? Lastenfahrräder nutzen eigentlich in der Regel Familien, um Einkäufe zu erledigen oder ihre Kinder zum Spielplatz oder zum Kindergarten zu bringen. Hier sollte man genauer darauf achten, welche Ziele ich erreichen möchte. Aktuell stellt sich für viele Städte, die in dem Projekt beteiligt sind, die Frage, wie schaffe ich es über dieses Projekt hinaus einen Regelbetrieb zu gewährleisten? Was häufig bei derartigen Projekten der Fall ist. Man bekommt eine Förderung für einen gewissen Zeitrahmen und wenn die Förderung ausläuft, müssen sich diese Angebote als ökonomisch tragbar erweisen. Was für Kommunen teilweise schwierig, aber natürlich auch schade ist, wenn man ein Angebot, das man zuvor mal geschaffen hat, wieder zurücknehmen muss, weil man keinen Regelbetrieb gewährleisten kann.
Schauen wir uns das Projekt nochmal etwas näher an. Welche Aspekte schaut ihr euch an, wie evaluiert ihr?
Nicolai: Also, das Projekt besteht natürlich einerseits darin, die Pilot Hubs aufzubauen und zu betreiben. Dies hat sehr viel Zeit in Anspruch genommen und wurde auch durch die Corona-Pandemie ziemlich erschwert. Was auch die Verfügbarkeit von Fahrzeugen betraf. Daneben ist die schon erwähnte Begleitforschung ein wichtiger Aspekt. Da wird einerseits natürlich aus verkehrswissenschaftlicher Perspektive geschaut, wo gute, geeignete Standorte für solche Hubs sind, basierend auf der Siedlungsstruktur, auf dem Verkehrsaufkommen und anderen Faktoren. Andererseits müssen bzw. wollen wir auch evaluieren, ob die Hubs tatsächlich einen positiven Effekt auf die CO2 Emissionen in einer Stadt haben Weiterhin wird das Thema Geschäftsmodelle untersucht: Wie muss ich denn ein Hub-Netzwerk so organisieren und strukturieren, damit es tatsächlich ein gutes Geschäftsmodell werden kann? Schließlich geht es auch darum, wie ich dann eigentlich die Leute dazu bekomme, eine Mobilitätsstation als Alternative zum eigenen Pkw zu nutzen – hier sind wir mit einem verhaltenspsychologischen Lehrstuhl der Uni Amsterdam dabei, das zu erforschen.