Kunststoffrecycling als Chance?

07.09.2023

In allen Bereichen unseres Lebens werden Produkte konsumiert, die nur eine gewisse Nutzungs- und Lebensdauer haben und wieder entsorgt werden müssen – sei es im Bereich Wohnen, Ernährung, Verkehr/Mobilität, im Beruf oder in der Freizeit. Obwohl es ein klares „Nein“ dazu gibt, weiter den Pfad der Wegwerfgesellschaft zu gehen, fällt nach wie vor viel zu viel Müll in Deutschland und weltweit an. Während sich bei der Textil- und Papierverwertung schon viel tut, gibt es bei anderen zu verwertenden Materialien noch viele offene Fragen, insbesondere bei Kunststoffen und Elektronik. Mit einer steigenden Weltbevölkerung erhöht sich auch die Anzahl verbrauchter Güter.

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Kunststoffrecycling als Chance?
Allein in Deutschland liegt der CO2-Fussabdruck bei ca. 11 Tonnen CO2e pro Kopf (CO2e ist das Kohlenstoffdioxid-Äquivalent verschiedener Emissionen) (Abbildung 1)

Werden nur die konsumbasierten Werte eingerechnet, also nur die Emissionen, die bei Waren und Dienstleistungen anfallen, liegen die CO 2 -pro-Kopf-Emissionen im Vergleich zu China ähnlich hoch, in den USA sind sie doppelt so hoch [1]. Die Zahlen variieren, wenn auch die produktionsbasierten Emissionen dazukommen, da auch oft im Ausland produziert wird und diese Emissionen dann bei dem ausländischen Exporteur angerechnet werden. Betrachtet man die größten Emittenten von Treibhausgasen, so ist Deutschland auf Platz sieben weltweit, während es im Ranking der einwohnerreichsten Länder Platz 19 einnimmt. 1,8 Prozent der jährlichen CO 2 -Emissionen weltweit werden durch Deutschland verursacht. Was können wir daher tun, um die Emissionen zu verringern?

Kohlenstoffdioxid-Fußabdruck pro Kopf in Deutschland
Abbildung 1

Strategien bei der Abfallhierarchie

Um den CO 2 -Fußabdruck zu reduzieren, wurden in Deutschland eine Reihe an Maßnahmen angedacht, um klimafreundliche Konsumentscheidungen zu propagieren, die das tägliche Leben betreffen, wie unter anderem die Reduktion von Flugreisen und CO 2 -intensiver Fahrten. Danach könnte schon bei einer Änderung des Verhaltens zu bewusstem Konsum und gezielter, ökonomischer Produktauswahl bis zu 2 Tonnen CO 2 pro Kopf und Jahr eingespart werden [2]. Darüber hinaus wurde schon seit Jahren erkannt, dass Designplanung bei der Verpackungsindustrie und in der Produktherstellung in die CO 2 -sparende Richtung führen kann. 2018 wurde eine Schrift des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit mit einem 5-Punkte Plan für weniger Plastik und mehr Recycling herausgegeben [3]. Im Einklang mit europäischen Kunststoffstrategien gibt es folgende Schwerpunkte:

  1. das Vermeiden oder Verbieten von überflüssigen Verpackungen und Produkten
  2. Umweltfreundliche Verpackungen und Mehrwegverpackungen fördern
  3. Umweltfreundliches Produktdesign unterstützen
  4. Stoffkreisläufe optimieren und schließen

Dabei ist nach Punkt 1 der beste Abfall der, der gar nicht erst anfällt, wie das Bayerische Landesamt für Umwelt schon treffsicher schreibt. „Abfälle zu vermeiden, schont nicht nur Ressourcen, sondern schützt zudem Mensch und Umwelt“ [4]. Bei Betrachtung der Abfallhierarchie als umgedrehte Pyramide steht dieser Punkt als der Wichtigste daher ganz oben (Abbildung 2).

Abfallhierarchie
Abbildung 2

Das heißt aber auch, dass wir als Einzelne und auch weltweit im Prinzip bei jeder Produktion und jedem Konsum darüber nachdenken müssten, was das für die Ökologie, die Bioökonomie und die Ressourcen weltweit bedeutet.

In der Pyramide auf 2. Stufe folgt die Vorbereitung zur Wiederverwendung, womit auch durchaus ReUse, also Second-Hand-Verkauf, Teilen und Leasen gemeint ist. Aber auch ein Up- oder Downcycling oder eine Verwendung für andere Anwendungsgebiete sind möglich. Die produzierende Industrie ist mit den Strategien zur Wiederverwendung aber auch angehalten, Obstruktion zu vermeiden und reparierbare Produkte auf den Markt zu bringen sowie Ersatzteile bereit zu halten und das schon vorab im Produktdesign entsprechend zu berücksichtigen.

Erst auf der nächsten Pyramidenstufe steht Recycling an, um gebrauchte Produkte wieder als Rohstoffe einsetzen zu können. Um welches Material zum Recyceln es sich auch handelt, es müsste so sortenrein wie möglich gesammelt werden. Einige Hindernisse sprechen dem aber entgegen: zunächst gibt es bei den Produkten oft Kombinationen verschiedener Materialien (z. B. Textilien auf Kunststoffflächen oder Produkte mit Hybridstrukturen aus Glas, Kunststoff, Metall bzw. Elektronik, um nur einige zu nennen), bei denen es nicht einmal klar ist, in welchen Abfallbehälter sie sollen oder ob sie nicht doch in den Restmüll müssen. Zur Nutzung des Kunststoffanteils müssten die nicht kunststoffhaltigen Teile entfernt werden, wie die Aluminiumdeckelfolie von einem Kunststoff-Joghurtbecher. Es ist ein Teil des Recyclings, zunächst diese Trennung vorzunehmen. Den Recyclingunternehmen bzw. der Abfallwirtschaft sind die komplizierteren Prozesse vorbehalten. Denn nicht für alle Kunststoffe existieren Trennungs- oder Recyclingverfahren und es liegen auch oft Mehrschichtsysteme aus verschiedenen Materialien vor, bei denen entschieden werden muss, wie weiter zu verfahren ist.

Gibt es keine vorhandene Lösung zum Recycling beziehungsweise ist die Umsetzung in keinem Verhältnis zu den entstehenden Kosten, landet man bei der Abfallhierarchie in der 4. Stufe, der thermischen Verwertung oder Verbrennung. Dabei entstehen Restmaterialien (Sekundärrohstoffe, Schlacke), die ebenfalls wieder in den Kreislauf zurückgeführt werden können und sowohl aus mineralischen als auch nicht-mineralischen Reststoffen bestehen. In der 5. und letzten Stufe der Entsorgung, falls die Kunststoffe nicht anderweitig mehr aufbereitet und auch nicht verbrannt werden können, werden sie in einer Anlage für die Deponie vorbereitet (Materialien wie hochgiftige und mineralische Abfälle, wie etwa Bauschutt).

Gesamtkunststoffproduktion und Recyclingrate

Zu den üblichen Sorten an Kunststoffen, die jährlich gesammelt werden, gibt es vom Umweltbundesamt statistische Erhebungen, die in einer Studie von Conversio zu „Stoffstrombild Kunststoffe in Deutschland 2021“ resultieren [5] und Zahlen und Fakten zum Lebensweg von Kunststoffen liefern (Abbildung 3).

In dieser Studie wurden nach 2019 Kunststoffrezyklate nicht mehr als aufbereitete Post-Industrie-Abfälle deklariert, sondern differenziert und die Nebenprodukte aus Produktions- und Verarbeitungsprozessen extra erwähnt. Es wurde zwischen Rezyklatherstellung aus Stoffströmen (mit Abfallschlüsselnummer) und Nebenprodukten ohne diese Nummer unterschieden; die Vergleichbarkeit zu den bisherigen Studien wurde beibehalten. Aus den Daten ergibt sich folgendes Bild:

  • Gesamtkunststoffproduktion in 2021 (mit fossilen und biobasierten Roh- und Sekundärrohstoffen, Sekundärrohstoffen, etc.): 21,1 Millionen Tonnen, nur aus fossilen Rohstoffen 18,7 Millionen Tonnen.
  • Kunststoffverarbeitung, aus fossilen Rohstoffen, Rezyklaten, Wiederverwendung von Nebenprodukten, etc.: 14,0 Millionen Tonnen. Die eingesetzte Kunststoffmenge war 1,4 Prozent weniger als 2019. Der Rezyklateinsatz betrug 1,65 Millionen Tonnen, dazu 0,64 Millionen Tonnen an Nebenprodukten zur Wiederverwendung.
Anteil der Kunststoffsorten an der Verarbeitungsmenge Kunststoffe 2021
Abbildung 3
  • Der Kunststoffverbrauch stieg in 2021 auf 12,4 Millionen Tonnen, dazu kam aber ein Exportüberschuss bei Kunststoffprodukten oder Produkten mit großem Kunststoffanteil (z. B. Automobilen) von rund 12 Prozent.
  • 99 Prozent der Kunststoffabfälle wurden verwertet, der stoffliche/werkstoffliche Anteil lag bei 47 Prozent bzw. 35 Prozent bei Berechnung nach Zerkleinerung und Waschen, bei Post-Consumer-Abfällen bei 45 Prozent bzw. 33 Prozent, der Rest bis auf 1 Prozent (Deponie) wurde energetisch verwertet.
  • Der Anteil des Kunststoffrezyklats an der Verarbeitungsmenge in Deutschland beträgt ca. 12 Prozent und findet insbesondere Einsatz im Baubereich, wie auch in den Bereichen Verpackung und Landwirtschaft. Der Anteil von Rezyklat aus Post-Consumer-Abfällen lag bei ca. 9 Prozent bzw. einer Menge von 1,3 Millionen Tonnen.

Zusammensetzung des Kunststoffabfalls

Aufgrund der unterschiedlichen Lebensdauer respektive auch Gebrauchsdauer für Produkte fallen nicht alle kunststoffhaltigen Produkte im Produktionsjahr wieder als Abfall an. Die Lebensdauer kann zwischen Tagen (z. B. Lebensmittelverpackungen) bis zu 80 Jahren oder mehr (Bauprodukte) variieren. Kurzlebige Produkte für Verpackungen finden sich zu 98 Prozent im selben Jahr wieder im Abfall. Langlebige Produkte, insbesondere auch Bauprodukte wie Rohre und Fenster haben eine andere Gebrauchsdauer: ca. 25-30 Jahre für Fußböden, 40-50 Jahre für Fenster und bis zu mehr als 80 Jahren für Kunststoffrohre. Dies führt bei den langlebigen Produkten zu Prozentschwankungen im Abfallstrom. Zudem gibt es noch Produkte mit hohem Exportanteil wie Autos, die nach einer mittleren Nutzungszeit von 10-12 Jahren oft ins Ausland exportiert werden. Nur ein Anteil von etwa 20 Prozent der Fahrzeuge landet in deutschen Schredderanlagen und taucht in der Abfallstatistik auf.

Den größten Anteil des Kunststoffabfalls, nämlich über 90 Prozent, machen thermoplastische Kunststoffe aus. Diese werden in allen Lebensbereichen eingesetzt und haben oft kaum mit anderen Werkstoffen zu vergleichende optimierte physikalische und chemische Produkteigenschaften. Ein weiteres schlagkräftiges Argument für Kunststoff ist oft die kostengünstige Herstellung und damit ein niedrigerer Preis gegenüber anderen Materialien. Dies ist allerdings ein Trend, der sich im Rahmen der Erdöl- und Energieverknappung zukünftig ändern könnte. Aber da bisher genügend Ressourcen vorhanden waren, findet man in Kunststoffabfall viele günstig hergestellte und weitverbreitet eingesetzte Standardkunststoffe wie Polypropylen (PP) und Polyethylen (PE). Dies sind gerade die Kunststoffe, die oft für die kurzlebigen Anwendungen genutzt werden, und zusammen mit Polyvinylchlorid (PVC) über die Hälfte des Kunststoffabfalls ausmachen.

PP wird aufgrund seiner stabilen mechanischen und thermischen Eigenschaften gerne für eine Bandbreite an Anwendungen wie robuste Verpackungen, auch Lebensmittelverpackungen und Textilien (z. B. als Hygieneartikel und technische Textilien) verwendet Als zweitgrößte Gruppe an Kunststoffen folgen High-Density-Polyethylen (PE-HD) mit hoher Dichte oder Low Density-Polyethylen (PE-LD) mit geringerer Dichte, die hauptsächlich für Folien und Verpackungen eingesetzt werden. Die unterschiedliche Dichte kommt von der Anzahl an Polymerkettenverzweigungen, die dadurch variierte chemische und physikalische Eigenschaften zur Folge haben. PE-LD ist hauptsächlich transparent und wird unter anderem für Folien eingesetzt, wie wir sie vom Haushalt kennen, für Lebensmittel, Tragetaschen, Müllsäcke und ähnliches. Das PE-HD dagegen wird für Produkte eingesetzt, die nicht unbedingt durchsichtig, aber robuster als PE-LD sein müssen. Dieses Material kennen wir von Getränkeflaschen, Kunststoffbehältern und zahlreichen Haushaltsgegenständen. Eine Temperaturbelastung von über 80-100°C halten diese Materialien aber nicht aus.

Übliche Trennungs- und Sortierverfahren, um PP von den verschiedenen PE-Varianten zu trennen, sind trocken-/nassmechanischen Verfahren und Nahinfrarotspektroskopie (NIR-Trennung). Außerdem gibt es schon seit Jahren Recyclingprozesse für PP und PE, um sie als Rezyklat wieder aufzubereiten und zu neuen Produkten zu verarbeiten. So können bis zu 75 Prozent der beiden Kunststoffe wieder als Rezyklat in den Kreislauf zurückgeführt werden. Da recycelte Kunststoffe nur mit einem Gutachten der EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) wieder im Lebensmittelbereich verwendet werden können und auch andere Bereiche wie Medizin und Kosmetik hohe Auflagen für den Einsatz haben, werden PP- und PE-Rezyklate eher für Produkte mit hohen Steifigkeits- und Schlagzähigkeitsanforderungen, wie Radlaufschalen, Rohre (drucklos), Wellrohre und Platten eingesetzt [6].

Diesen und weitere interessante Artikel u. a. zu dem Thema Kreislaufwirtschaft und Recycling finden Sie in der Fachzeitschrift „Kunststoffe“ (Ausgabe 12/2023).

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Ein weiteres Material, das viel in Kunststoffabfall zu finden ist, ist das langlebige und robuste PVC. Es gibt harte Varianten in Form von Fensterprofilen sowie Rohren, oder in der weichen Form, unter anderem als Fußbodenbelag. PVC war viele Jahre lang der meistproduzierte Kunststoff der Welt und wurde häufig im Bau eingesetzt. Aber dadurch, dass bei Verbrennung Chlor freigesetzt werden kann, und durch die Verwendung gesundheitsschädlicher Weichmacher, die für die Produktion benötigt werden, ist es mittlerweile weniger beliebt. In den letzten Jahren wurden vielversprechende Recyclinginitiativen umgesetzt, die sich auf einzelne PVC-Produkte, wie das Recyclen von Fußbodenbelägen, Rohren oder anderen Bauelementen spezialisiert haben [6]. Für Bodenbeläge und Fenster gibt es nun sogar erste Rücknahmesysteme. Bei gemischten Abfällen wird PVC aussortiert und zumeist thermisch verwertet. Aber oft genug, aus logistischen oder wirtschaftlichen Gründen, landet PVC trotzdem auf der Deponie. Da PVC nur sehr langsam verrottet und es erst durch Zusatz von Kalk oder Natronlauge deponierfähig gemacht werden müsste, wird eine Lagerung auf Deponien als kritisch angesehen.

Bei den restlichen im Kunststoffabfall zu findenden Sorten (unter zehn Prozent) sind noch eine Reihe an Werkstoffen vertreten, die entweder langlebiger sind, nicht als Kunststoffabfall entsorgt oder durch Pfandsysteme extra gesammelt werden. Mit ca. sechs Prozent ist in der Abfallgesamtmenge Polyethylenterepthalat (PET) enthalten, welches man am Ehesten als Material für Getränkeflaschen oder als Faser in Textilien kennt. Allein durch das Pfandsystem der Getränkeindustrie kann ein hoher Prozentsatz an PET von Flaschen gesammelt und bis zu 75 Prozent wiederverwertet werden. Je nach Kettenlänge des PET-Moleküls werden allerdings die Rezyklate entweder wieder zu Flaschen, zu PET-Folien oder auch zu Textilfasern verarbeitet. Es existieren eine Bandbreite an Sortiermethoden und Recyclingverfahren [6]. Andere PET-Produkte wie Schalen oder unbepfandete Flaschen landen im Kunststoff- oder Restmüll und werden thermisch verwertet.

Kunststoffe wie Polyurethan (PUR), Polyamide (PA), Polymethylmethacrylat (PMMA) sowie styrolhaltige Kunststoffe (Polystyrol und expandiertes Polystyrol (PS und PS-E)), ABS (Acrylnitril-Butadien-Styrol), Acrylnitril-Styrol-Acrylat (ASA), Styrol-Acrylnitril-Copolymer (SAN) kommen nur in wenigen Prozent im Kunststoffabfall vor. Dies liegt aber auch unter anderem daran, dass diese Materialien meist in Mehrschichtstrukturen, beim Automobilbau, Hausbau und langlebigen Produkten (ABS beispielsweise bei Spielzeug wie Lego) eingesetzt werden und daher nicht so schnell im Kunststoffabfall landen. Je nach Kunststoff besteht bei den meisten das technische Potenzial zur Wiederverwertung, aber darüber hinaus müssen auch andere Faktoren wie die Trennbarkeit im Produkt, die Sortierbarkeit und das Herausbringen von Verschmutzungen berücksichtigt werden. Ein Sortiersystem wie bei PET-Flaschen wäre für den Kunststoffabfall für die verschiedenen Sorten nötig, war aber bisher nicht wirtschaftlich rentabel. Im deutschen Gesamtkunststoffabfall für 2021 waren bisher nur 1,5 Prozent an Rezyklaten zu finden.

Wie hat sich der Kunststoffabfall über die Jahrzehnte verändert?

Entwicklung der Verwertung der Kunststoffabfälle
Abbildung 4

Nach der Übersicht zu den am meisten auftretenden Kunststoffen in der Abfallstatistik stellt sich die Frage, wie sich die Menge entwickelt hat und ob Recyclingstrategien gegriffen haben. Antwort darauf geben die Statistiken des Umweltbundesamtes: in der Zeit von 1994 bis 2021 hat sich die Gesamtmenge an gesammeltem Kunststoffabfall verdreifacht (Abbildung 4). Laut der Studie des Umweltbundesamts wurde sehr viel mehr an Kunststoffprodukten über diesen Zeitraum verbraucht als produziert, also wurden auch Kunststoffprodukte wieder eingesetzt und landeten erst dann im Post-Consumer Abfall (ReUse oder auch andere Arten der Wiederverwendung). Allerdings wurde auch im Vergleich von 2021 zu 2019 ca. 1 Prozent weniger produziert. Der Anteil an Rezyklat und der Wiederverwendung von Nebenprodukten ergab im Jahr 2021 einen Anteil von 16 Prozent an der gesamten Verarbeitungsmenge.

Der Kunststoffanteil aus fossilen Rohstoffen lag im Jahr 2021 bei 84 Prozent (2019 bei 86 Prozent). Berechnet man die durchschnittliche Steigerung der werkstofflichen Verwertung für den Zeitraum 1994 bis 2021 erhält man eine Steigerung von ca. 4 Prozent. Für 2021 liegt man etwas unter der Entwicklung der Vorjahre. Mögliche Ursachen dazu wurden vom Umweltbundesamt nicht genannt, aber es kommen verschiedene Faktoren in Betracht, die auch mit Schwankungen in Produktion, Rohstoffen und Export durch die Pandemie bedingt sein können.

Abbildung 5 zeigt die Entwicklung der Rezyklate in den Jahren 2017 bis 2021 mit dem Anteil an Nebenprodukten erstmals in der Analyse für 2021. Die Menge an Rezyklaten aus Post-Consumer und Post-industriellen Abfällen ist von 2017 auf 2021 weiter gestiegen, besonders deutlich für den Post-Consumer-Abfall. Die Rezyklate und die Wiederverwendung von Nebenprodukten finden sich hauptsächlich in Bau-, Verpackungs- und landwirtschaftlichen Anwendungen. Grund dafür können die höheren Hürden für Lebensmittel und andere Bereiche zum Wiedereinsatz sein.

Entwicklung des Rezyklateinsatzes bei der Kunststoffverarbeitung
Abbildung 5

Schlüsse aus den Statistiken und Trends in der Kunststoffrecyclingentwicklung

Aus den Statistiken, die vom Umweltamt zur Verfügung gestellt wurden, kann man auf der positiven Seite einen Trend zur langsamen, aber stetigen Weiterentwicklung ablesen: es wird mehr an standardisierten Kunststoffen recycelt und auch die Rate an Rezyklaten und Nebenprodukten bei der Herstellung neuer Kunststoffe erhöht sich. Produktions- und Herstellungsprozesse wurden auch optimiert, um die Herstellung von Abfall zu verringern. Maßnahmen wie die Einführung des Pfandsystems für Getränkeflaschen unterstützten den Trend ebenfalls. Deutschland erreicht mit einer Verwertungsquote (werkstofflich und energetisch) von 99 Prozent einer der höchsten stofflichen Verwertungsquoten in Europa. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob die Strategien gegen die Wegwerfgesellschaft zumindest bei dem Kunststoffrecycling greifen und in kleinen Schritten ein positiver Wandel bewirkt wird.

Auch wurde in den letzten Jahren der Blick immer mehr auf den Klimawandel, den CO 2 -Fussabdruck und die Probleme durch steigende Produktion und Konsum bei Ressourcenknappheit gelenkt. Die eingangs erwähnten Maßnahmen zum 5-Punkte-Plan des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit sollen neue Technologien zum Recycling und zur Umsetzung der Ideen vorantreiben.

Aber wie bereits aufgezeigt, wird immer noch mehr verbrannt und damit Energie gewonnen als stofflich verwertet. Es gibt zwar mehr Forschung Richtung neuer Recyclingmethoden, Inselprojekte und Umsetzungen zum Sammeln und Wiederverwerten von einzelnen Baumaterialien (wie erste Rücknahmesysteme von Fensterprofilen aus PVC), wodurch sich die Menge an diesen Kunststoffen im Gesamtkunststoffabfall verringert. Es mangelt aber auch immer noch an der Umsetzung bedingt durch Lücken in der Wertschöpfungskette, Herausforderungen in der Sortierung und in der Logistik. Außerdem steht und fällt viel mit der Rentabilität der Recyclingprozesse. Eine große Herausforderung ist der kompetitive Einsatz der Rezyklate in der Industrie. Meist haben recycelte Produkte durch Kontaminationen und Störstoffe höhere Schwankungen in deren charakteristischen Eigenschaften. Das Schmelz- oder Fließverhalten, die Schlagzähigkeit, Bruchdehnung, Härte, um nur einige zu Schlüsselparameter zu nennen, können sich selbst bei kleinen Veränderungen negativ auf den Fertigungsprozess auswirken. Der Einsatz von Rezyklaten erfordert also auch den Vergleich mit herkömmlichen Produkten ohne Rezyklateinsatz. Andere Charakteristika wie veränderter Geruch oder Farbe können sich zusätzlich bei der Akzeptanz auf dem Markt negativ auswirken.

Allein das Thema Kunststoffabfall im Mobilitäts- und Baubereich mit kurz- und langlebigen Kunststoffprodukten und den Nachwirkungen über Jahrzehnte hinaus zeigt zudem auf, dass noch viel an Entsorgungs- und Aufarbeitungsarbeit zu leisten ist. Dies trifft auch nicht nur auf die Kunststoffindustrie an sich zu, sondern auch auf kunststoff-, metall- und elektronikverarbeitende Unternehmen und viele angrenzende Bereiche, in denen Hybridstrukturen eingesetzt werden. Die bisher wenigen gesparten Prozente an fossiler Energie durch die Verwendung von Nebenprodukten und Rezyklaten bei der Produktion von Kunststoff werden nicht allein dafür sorgen können, dass der CO 2 -Fussabdruck pro Kopf in Deutschland deutlich sinkt. Nur ein Zusammenspiel mehrerer Strategien und Umsetzungen kann langfristig eine deutliche Wirkung haben.

Eine Chance, den CO2-Fussabdruck zu reduzieren, sehen wir daher in der partnerschaftlichen Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft, um neue technische Lösungen unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit zu betrachten und weiterzuentwickeln. Dazu gehören auch Innovationen im Produktdesign, die Förderung und Weiterentwicklung biobasierter Kunststoffe sowie das Schließen von Lücken in der Wertschöpfungskette und die Weiterentwicklung von Sammel- und Trennsystemen. Dies setzt auch die Unterstützung der Regierung in Form von Förderprojekten voraus. Deutschland könnte damit einen entscheidenden Vorsprung sowohl in der Materialforschung als auch europaweit in der Nachhaltigkeit erzielen.

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