Future Skills: Heute lernen, was morgen zählt
Wie können Unternehmen von der Förderung von Zukunftskompetenzen profitieren?
28.04.2025
Jedes Unternehmen hat seine Herausforderungen – aber was, wenn die Lösung nicht im Büro, sondern im Klassenzimmer entsteht? Zukunft passiert nicht einfach – sie wird gestaltet. Und wer morgen erfolgreich sein will, muss heute in die Fähigkeiten investieren, die wirklich zählen: Future Skills. Doch was bedeutet das konkret? Wie können junge Menschen lernen, komplexe Probleme zu lösen, kreativ zu denken und Verantwortung zu übernehmen? Und was passiert, wenn Unternehmen ihnen genau dafür Raum geben?
Darüber sprechen unsere beiden Expertinnen Nina Mülhens, Co-Founderin und Geschäftsführerin von DigitalSchoolStory, und Andrea Janßen, Projektmanagerin im Innovationsmanagement und zuständig für das Projekt Jugend innoviert bei Bayern Innovativ. Sie zeigen auf, wie Jugendliche und Unternehmen gemeinsam und auf Augenhöhe Zukunft gestalten können.
Wie fördern Sie bei DigitalSchoolStory die Kompetenzen von Jugendlichen konkret?
Nina Mülhens: Wir tun das, indem wir die Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler nicht außenvor lassen, sondern sie ganz bewusst in den Unterricht integrieren. Unser Ansatz ist: Social Media wird nicht verbannt, sondern umgedeutet. Klassische Schulinhalte wie wir sie kennen, werden bei uns komprimiert, hinterfragt und in Geschichten ganz neu erzählt. Das tun wir in zwölf analogen Schritten und über 18 Schulstunden, also in der Regel neun Wochen. Das Ganze passiert in einem sicheren Raum, der viel mehr ist als ein Klassenzimmer, nämlich ein echter Experimentierraum für Haltung, Kreativität und Gemeinschaft. Und am Ende entsteht in jedem Team ein 90 Sekunden Video. So haben die Jugendlichen das, was sie sonst konsumieren, plötzlich selbst gestaltet. Dabei entsteht etwas viel Größeres, nämlich Verantwortung, Sichtbarkeit und echte Verbundenheit mit den Menschen.
Fallen die Aufgaben den Jugendlichen leicht oder stoßen sie an ihre Grenzen?
Nina Mülhens: Ehrlicherweise: Beides. Viele Jugendliche sind am Anfang eher zurückhaltend oder auch verunsichert, weil sie plötzlich Eigenverantwortung übernehmen müssen. Das ist etwas, was man in der Schule vorher so nicht gelernt hat. Zurücklehnen ist da nicht möglich. Denn jede und jeder Einzelne ist im Team gefordert, ihren oder seinen Beitrag zu leisten. Genau da beginnt dann auch der Lerneffekt. Weil die Jugendlichen merken, dass sie ernst genommen werden und ihre Meinung zählt. Das ist unglaublich motivierend für Schülerinnen und Schüler. Was ihnen am schwersten fällt, ist es tatsächlich, Geschichten zu entwickeln. Sie sind eher darauf gepolt, Wissen einfach abzuspeichern oder Fakten aneinander zu reihen. Inhalte wiederzugeben ist viel leichter als plötzlich eine Geschichte zu erzählen, die auch noch in der eigenen Lebenswelt stattfindet. Damit baue ich eine Brücke von dem, was ich als Inhalt lerne zu dem, was ich draußen in meiner Welt erlebe. Das ist total herausfordernd für die Jugendlichen. Aber am Ende ist es natürlich auch sehr kraftvoll, wenn eine Geschichte entstehen kann, die berührt und die plötzlich auch emotional ganz anders triggert. Spätestens am Ende, wenn sie ihr Video fertig haben und voller Stolz präsentieren, dann erlebt man, wieviel Selbstvertrauen und neue Kompetenzen die Schülerinnen und Schüler gewonnen haben und wieviel sie selbst auch bewegen können und wollen.

Frau Janßen, wie gehen Sie bei Jugend innoviert vor und was hat das mit Jugendlichen konkret zu tun?
Andrea Janßen: Jugend innoviert ist ein Angebot für Unternehmen. Sie bringen eine Challenge mit und wir entwickeln ein Workshopkonzept und arbeiten dann an einem Tag zusammen mit Jugendlichen für diese Challenge Lösungen aus. Die Jugendlichen lernen bei uns Innovationsmethoden, Kreativitätsmethoden und dabei auch neue Kompetenzen kennen.
Wie haben Sie die Jugendlichen wahrgenommen?
Andrea Janßen: Die Jugendlichen sind wahnsinnig offen, positiv und motiviert. Sie finden es toll, dass ein Unternehmen kommt und ihnen die Wertschätzung entgegenbringt, dass ihre Ideen für sie wichtig sind und dass sie offen dafür sind. Was ihnen ein wenig schwer fällt ist, dass die Probleme häufig komplex sind. Hier unterstützen wir sie natürlich und leiten sie an. Ein weiteres Hindernis ist, dass sie schnell ins Bewerten kommen. Es kommen viele Ideen auf und dann wird entweder die eigene Idee abgewertet oder die von anderen. Das wollen wir trennen, also die Ideen erst einmal zu sammeln und dann ins Bewerten zu kommen.

Die Jugendlichen sind wahnsinnig offen, positiv und motiviert. Sie finden es toll, wenn ein Unternehmen kommt und ihnen die Wertschätzung entgegenbringt, dass ihre Ideen für sie wichtig sind.
Andrea Janssen
Innovationsmanagement, Projektmanagerin, Bayern Innovativ GmbH, Nürnberg
Future Skills: ist das eher ein Buzzword oder ein ernstzunehmender Trend?
Nina Mülhens: Tatsächlich ist Future Skills ein Buzzword geworden, aber sie sind total wichtig. Es kommt darauf an, mit welchem Inhalt wir dieses Buzzword füllen. Denn tatsächlich sind es die Grundlagen, die wir für eine zukunftsorientierte Bildung legen können. Auf der anderen Seite legen wir so auch die Grundlagen für die Arbeitswelt. Die Welt verändert sich so rasant, dass tatsächlich das Fachwissen allein gar nicht mehr ausreicht. Wir brauchen Menschen, die mitdenken, umdenken und im besten Fall auch vordenken. Da setzen wir bei den Kompetenzen wie Problemlösungsfähigkeit, oder digitale Souveränität an. Branchen wie die Kommunikation sind entscheidend für Morgen und auch für heute. Und es geht eben nicht mehr darum, allein Wissen zu vermitteln. Viel wichtiger ist methodisch, sozial und auch persönlich dazu zu lernen, und das ist am Ende das, was für uns heute zählt.
Welche Kompetenzen sind für Sie wichtig als Future Skills zu ergänzen?
Andrea Janßen: Auf jeden Fall das Thema Anpassungsfähigkeit. Hier denke ich an das Buzzword „VUCA-Welt“: Wir leben in einer volatilen, unsicheren, komplexen und mehrdeutigen Welt. Da müssen wir anpassungsfähig bleiben und auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit stärken. In der Schule werden wir eher zu Einzelkämpfern gefördert, dass wir diese eine gute Note schreiben. In der zukünftigen Arbeitswelt ist es aber eben wichtig, dass wir mit anderen Disziplinen und auch mit anderen Kulturen zusammenarbeiten. Hier komme ich auch zum lebenslangen Lernen. Ich muss immer dranbleiben und mir neue Methoden, neue Kompetenzen aneignen. Dazu kommt eine gewisse Recherchekompetenz: denn das neue Wissen, das sich entwickelt, muss man nicht mehr ausschließlich im Kopf behalten, man kann es ja nachschlagen.
Nina Mülhens: Genau, damit wollen auch wir die Basis legen. Nämlich mit Spaß beim Lernen. Wir fragen uns: Wie können wir Menschen dahin bewegen, dass sie den Begriff Lernen positiv belegen? Es wird uns immer begleiten und ich glaube, das ist so eine Intention, die uns wahrscheinlich beide mit vorantreibt. Wir wollen beide wieder mehr Begeisterung für das Lernen entfachen.
Wie profitieren die Unternehmen von der gezielten Förderung der Future Skills?
Nina Mülhens: Unternehmen, die heute in Jugendliche investieren oder auch mit Jugendlichen zusammenarbeiten, tun etwas ganz Konkretes für ihre Zukunft. Sie lernen nicht nur die neue Generation kennen und bekommen frische Impulse, sondern übernehmen ein Stück weit Verantwortung: gesellschaftlich und unternehmerisch. Gleichzeitig stärken sie ihre Innovationskultur. Mir ist besonders wichtig zu betonen, dass die Unternehmen lernen, jungen Menschen auf Augenhöhe zu begegnen und dabei nicht zu bewerten, sondern eine Grundoffenheit und Vertrauen zu schenken. Sie müssen den Jugendlichen etwas zutrauen, denn das lässt am Ende die Kompetenzen wachsen. Wir brauchen eine große Experimentierkultur, gerade wenn wir in Richtung Innovation denken.
Wie sind Ihre Erfahrungen mit den Unternehmen bei Jugend innoviert?
Andrea Janßen: Uns wurde von einem teilnehmenden Unternehmen widergespiegelt, dass die Jugendlichen wahnsinnig positiv und offen sind. Sie wollen etwas Neues ausprobieren und gleich ins Machen kommen, wo wir Erwachsenen vielleicht erstmal zweifeln würden. Sie haben eine sehr optimistische Grundeinstellung. Das kam sehr positiv bei unseren Unternehmen an.

Die Welt verändert sich so rasant, dass Fachwissen allein gar nicht mehr ausreicht. Wir brauchen Menschen, die mitdenken, umdenken und im besten Fall natürlich auch vordenken.
Nina Mülhens
Co-Founderin und Geschäftsführerin von DigitalSchoolStory
Gibt es eine Grundskepsis oder Scheu, die Sie am Anfang Ihrer Projekte erlebt haben und wenn ja, wie gehen Sie damit um?
Nina Mülhens: Es ist schon etwas Überzeugungsarbeit, die wir anfangs leisten müssen, damit die Leute überhaupt diesen Schritt machen und neue Wege gehen. Was wir teilweise erleben, ist, dass es noch viele klassische Denkmuster gibt. Da ist es wichtig, im Kleinen anzufangen. Es kann groß werden, aber man kann auch im Kleinen anfangen und sich herantasten. Wenn wir solche Projekte begleiten und sehen, wie sich Gruppen entwickeln, wie Menschen zusammenarbeiten und welche Dynamik dabei entsteht, dann sehen wir, wieviel gemeinsam möglich ist. Spätestens bei den Feedback-Gesprächen merken dann auch die Unternehmensvertretenden oder Auszubildenden, die dabei waren, dass etwas Gutes entstanden ist. Dann ist diese Anfangsskepsis schnell weg und schlägt in echte Begeisterung um. Ich glaube, dass der Austausch beiden Seiten ganz viel bringt, denn wir müssen auch viele Vorurteile abbauen.
Wie kann die Zusammenarbeit zwischen Bildungseinrichtungen und Unternehmen Ihrer Meinung nach verbessert werden?
Andrea Janßen: Von der Unternehmensseite braucht es einfach eine gewisse Offenheit. Es braucht das Bewusstsein, dass die Sache nicht mit kurzfristigen Maßnahmen getan ist. Unsere beiden Projekte zielen auf langfristige Veränderungen ab. Dabei wird man direkt im Anschluss vielleicht noch nicht die große Veränderung spüren. Aber wir denken an den langfristigen Nutzen, also an die zukünftigen Arbeits- und Führungskräfte. Dafür sind solche Austauschformate sehr wichtig.
Nina Mülhens: Ich glaube, es steht und fällt damit, Partner auf Augenhöhe zu sein. Es ist wichtig, dass auch die Schulen diese realen Impulse aufgreifen, was in Unternehmen passiert. Gleichzeitig sollten Unternehmen das aber auch wissen. Denn sie brauchen kreative Denkerinnen und Denker für die Zukunft, also muss genau das in den Schulen gefördert werden, damit es irgendwann im Unternehmen auch Wirkung zeigen kann. Wenn wir gemeinsam an diesen Projekten arbeiten und das eben nicht mal nur für ein paar Tage, sondern über den Zeitraum mehrerer Wochen, dann sieht man, wie sich auf beiden Seiten Dinge positiv verändern. Es ist wichtig, dass wir in solche Projekte mit dem Mindset gehen: „Ich gebe etwas weiter und bekomme dafür auch etwas oder habe daraus etwas gelernt und nehme es mit, um mich weiterentwickeln.“ Da sind wir auch beim Thema Co-Creation, die dabei entsteht. Beide Seiten lernen voneinander. Und ich glaube, die Augenhöhe ist essenziell, denn damit schafft man auch neue Schlüssel, um die alten Schlösser zu öffnen und das Türchen dann offen zu lassen und nicht mehr zu schließen.
Welche persönliche Botschaft haben Sie an die Jugendlichen oder an die Unternehmen?
Nina Mülhens: Meine Botschaft geht an die Jugendlichen: Traut Euch, eure Stimme zu erheben. Denn Eure Ideen sind so wertvoll und wenn man Euch zuhört, dann sieht man, was alles möglich ist. Ihr habt alles, was es braucht, um die Zukunft mitzugestalten. Also nutzt es auch!
Und an die Unternehmen würde ich auch eine Botschaft senden wollen: Öffnen Sie sich für die nächste Generation und für die Schule! Das bringt nicht nur frische Perspektiven, sondern verändert tatsächlich auch feste Narrative und Meinungen. Wir brauchen Mut, genau das zu tun, und darauf freue ich mich!
Andrea Janßen: Das kann ich alles unterschreiben. Ich denke gerade an das Zitat von Steve Jobs: „Stay hungry, stay foolish.“ Dem ist nicht mehr viel hinzuzufügen, außer: Seien Sie offen und bleiben Sie offen für ein Neues Lernen, für Morgen und für die Zukunft.
Das Interview führte Dr. Tanja Jovanovic, Leitung Marketing und Innovationsmanagement, Mitglied der Geschäftsleitung, Bayern Innovativ GmbH, Nürnberg.
Hören Sie sich das vollständige Interview als Podcast an:
Länge der Audiodatei: 00:18:57 (hh:mm::ss)
Dr. Tanja Jovanovic spricht mit Nina Mülhens, Co-Founderin & Geschäftsführerin von DigitalSchoolStory und Andrea Janßen, Projektmanagerin im Innovationsmanagement bei Bayern Innovativ, über Future Skills. Warum ist es entscheidend, Future Skills bereits bei Jugendlichen für die Arbeitswelt der Zukunft zu fördern? Und warum ist es für Unternehmen mindestens genauso wichtig, sich für die Ideen junger, kluger Köpfe zu öffnen?
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