Studie sieht Nordsee-Speicher für CO2 überbewertet

Greenpeace-Studie warnt: CO₂-Endlager in der Nordsee seien geologisch riskant, technisch unsicher und könnten mehr schaden als nützen

06.05.2025

Quelle: E & M powernews

Eine neue Studie von Greenpeace warnt vor Sicherheitsrisiken und unrealistischen Erwartungen bei der CO2-Verpressung unter der Nordsee und bezweifelt deren klimapolitischen Nutzen.

Greenpeace hat grundlegende Zweifel an der geologischen Eignung und Klimawirksamkeit geplanter CO2-Endlager in der Nordsee. Die Umweltorganisation stützt sich auf eine nun veröffentlichte Studie. Verfasst hat das Papier der Geochemiker Ralf Krupp. Der Experte nimmt insbesondere das vom Forschungsverbund Geostor untersuchte Henni-Salzkissen unter die Lupe. Dabei handelt es sich um eine geologische Struktur in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone, die als potenzieller Speicherort für Kohlendioxid gilt.

Laut dem Studienautor sind die dort angenommenen Barrieregesteine teilweise erodiert oder liegen nicht tief genug, um eine sichere Einschlussfunktion zu gewährleisten. Zudem würden bekannte Störungssysteme darauf hinweisen, dass CO2 aus dem Speicher entweichen könnte. Auch die berechnete Speicherkapazität von 368 Millionen Tonnen CO2 hält Krupp für überzogen. Die Berechnung beruhe auf optimistischen Modellannahmen und einem Effizienzwert von bis zu 20 Prozent – in der Praxis seien jedoch Werte zwischen zwei und acht Prozent üblich.

Kritik an Speicherstrategie und Klimawirkung

Neben geologischen und technischen Bedenken äußert der Autor auch klimatische Bedenken. Die geplante Injektionsrate von zehn Millionen Tonnen CO2 pro Jahr liege mehr als zehnfach über dem Niveau realisierter Projekte wie Sleipner in Norwegen. Zum Hintergrund: Sleipner ist das erste kommerzielle Projekt zur Abscheidung und geologischen Speicherung von CO2 (Carbon Capture and Storage, CCS) weltweit. Es wird seit 1996 von Equinor (vormals Statoil) betrieben und befindet sich in der Nordsee, rund 250 Kilometer westlich von Norwegen.

Auch der erforderliche Injektionsdruck von 125 bar sei deutlich höher als in der Praxis üblich, so die Studie. Zudem könne überkritisches CO2 Tonminerale dehydrieren, wodurch ursprünglich dichte Schichten durchlässig werden könnten. „Überkritisches CO2“ ist eine physikalische Zustandsform von Kohlendioxid, die weder eindeutig flüssig noch gasförmig ist, sondern Eigenschaften beider Phasen kombiniert. 

Die Studie argumentiert, dass CO2-Speicher keine geschlossenen Systeme seien. Um das injizierte CO2 unterzubringen, müsse das bestehende Porenwasser entweichen – mit möglichen Umweltrisiken. Laut Studie bestehe die Gefahr, dass neben CO2 auch Methan, Kohlenwasserstoffe und radioaktive Stoffe freigesetzt würden. Ab einem bestimmten Verhältnis könne dadurch der Klimaschaden die Einsparwirkung des CCS übersteigen, warnt der Autor.

Die Gesamtbewertung der Studie fällt deutlich aus: Die CO2-Verpressung sei wenig wirksam, technisch unsicher und klimapolitisch kontraproduktiv. Krupp nennt CCS eine „End-of-Pipe“-Technologie, die mit hohem Energie- und Materialaufwand verbunden sei. Außerdem binde sie große Mengen erneuerbarer Energie, die für den eigentlichen Umbau des Energiesystems fehlen würden. Auch eine vollständige CO2-Abscheidung sei technisch nicht erreichbar – zwischen 5 und 20 Prozent des Kohlendioxids entweiche trotz CCS weiterhin in die Atmosphäre.

Greenpeace sieht in der Debatte um die Nutzung der Nordsee als CO2-Senke eine Scheindebatte. Karsten Smid, Klimaexperte bei Greenpeace, erklärt: „Die CCS-Technologie ist ein Ableger der Öl- und Gasindustrie, der vor allem dem Fortbestand fossiler Geschäftsmodelle dient“. Statt auf CO2-Verpressung zu setzen, fordert die Organisation den konsequenten Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger und eine Intensivierung des natürlichen Klimaschutzes durch Renaturierung und den Ausbau natürlicher Kohlenstoffsenken an Land und im Meer.

Die 103-seitige Studie „Geologische Risiken er CO2-Verpressung in der Nordsee“ lässt sich über die Internetseite von Greenpeace downloaden.

Autorin: Davina Spohn

Bayern Innovativ Newsservice

Sie möchten regelmäßige Updates zu den Branchen, Technologie- und Themenfeldern von Bayern Innovativ erhalten? Bei unserem Newsservice sind Sie genau richtig!

Jetzt kostenlos anmelden