Nehmen Sie uns sein bisschen mit in Ihre Green factory. Was produzieren Sie, Herr Müller?
Andreas Müller: Wir produzieren schwerpunktmäßig Lüftungskanäle, Stahlbau- Komponenten, aber auch im großen Stil fertige Energiemodule für Stadtwerke, für Energieversorge, das heißt schlüsselfertige Energielösungen im Container, im Energiemodul. Wir haben am Standort knapp 200 Mitarbeiter beschäftigt, von Ingenieuren über Konstrukteuren bis zur Inbetriebnahme, und das war unsere Motivation, das von vorne weg klimaneutral herzustellen.
Sie haben aufgrund Ihrer Großmaschinen einen hohen Energieeinsatz im Unternehmen und generell muss eine Fabrik mit 200 Mitarbeitenden mit Energie betrieben warden. Wie sind Sie es angegangen und was sind die Potenziale?
Andreas Müller: Wir haben große Maschinen wie Laser, die Lackieranlagen und wir haben eine sehr intensive Analyse gemacht, also im Endeffekt einen Forecast, wie wir den Energieverbrauch abschätzen über den digitalen Zwilling. Dann haben wir im Rahmen von einem digitalen Zwilling geschaut, wieviel können wir mit Photovoltaik abbilden? Was fehlt uns noch an Energie? Wie können wir diese erzeugen am Standort? Und so sind wir die Thematik eigentlich angegangen. Also wie gesagt, saubere Analyse und dann schauen, wie kann man Solarstrom bestmöglichst integrieren – mit der Batterie, mit der Wärmepumpe, mit BHKW mit Ökogas als Back-up. Wenn natürlich kein Wind und keine Sonne da sind, brauchen wir weitere Versorgung. Und das war eigentlich die Motivation. Und dann natürlich, Energie zu flexibilisieren. Das heißt, wir haben Anlagen, die laufen nur im Strom-Überschuss. Wir machen Stickstoff, Schweißgase nur im Strom-Überschuss. Wir betreiben unsere Lakieranlagen nur im Strom-Überschuss. Aber auch das Laden von Autos: Wir haben knapp 30 Ladepunkte am Standort. Wir laden die Autos nach Lastmanagement, das heißt, wenn die Sonne mehr wird, dann werden die Autos mehr geladen und wenn die Sonne wieder nachlässt, werden die Autos wieder weniger geladen. Also letztendlich haben wir eine stationäre Batterie, aber im Zuge des Ausbaus unserer E-Flotte sehen wir die Autos natürlich auch als Energiespeicher.
Können Sie überschüssigen Strom eintakten? Nutzen Sie dafür Wettervorhersagen und wissen, wann viel Sonnenstrom vorhanden ist, um produzieren zu können?
Andreas Müller: Also, wir haben mehrere Tools. Zum einen haben wir die Wettervorhersage, wir sehen die Energie-Vorschau. Aber da die Anlage mit 1,5 Megawatt relativ großzügig dimensioniert ist und wir den ganzen Tag Flächen als Energieflächen sehen, haben wir meistens so ab acht, neun Uhr Strom-Überschuss. Ja, und unser Werk hat einen Verbrauch zwischen 150 und 250 kW und meistens so ab halb neun, halb zehn sind wir meistens im Solar-Überschuss. Und dann kann man natürlich das Regeln anfangen. Und gerade so Themen wie die Herstellung von Stickstoff für unsere Laser können wir sehr variabel betreiben, aber auch Lakier-Tätigkeiten. Wir haben nur drei, vier Stunden, wo wir am Tag lackieren müssen, manchmal einen Tag auch gar nicht. Und die Leute haben inzwischen schon eine gute Einschätzung auch zu den Energieampeln in unserem Unternehmen, aber auch letztendlich über unsere ganze Produktionsplanung haben wir da letztendlich sehr gute Erfahrungen gesammelt. Es gibt bei vielen Unternehmen Energie- Flexibilisierungsmöglichkeiten. Aber der Anfang ist eigentlich der Aufbau vom Energiemanagement-System. Erstmal das Werk zu verstehen, was man überhaupt machen kann und da haben wir natürlich sehr viel gelernt. Ja, wir fahren auch die Lüftungsanlage modular hoch, also ich brauche nicht früher mit 50.000 Kubikmeter Luft starten, wenn noch gar niemand in der Halle ist, sondern wir fahren die Lüftungsanlagen eigentlich auch langsam hoch und man fängt dann an, wirklich auch zu schauen, was kann man einsparen. Also diese Energiemanagementsysteme sind ja wirklich nicht nur für einen flexibler Betrieb, sondern auch zum Energie-Einsparen da. Wenn das Ganze transparent wird, dann kann man aus meiner Sicht in vielen Fabriken 10, 20 Prozent sparen, nur durch Erkennen von Verbräuchen, wo es letztendlich hingeht, Standby-Verluste von Bildschirmen und und es sind viele, viele kleine Themen, da 500 Watt, da ein kW. Aber wir haben gesagt, wenn in der Produktion ein kW nichts mehr bedeutet, warum soll dann soll dann überhaupt im Haus noch jemand das Licht ausmachen? Also, die Motivation muss einfach sein, auch in Industrieunternehmen jedes kW anzuschauen, sonst kann der Häuslebauer Tag und Nacht alles brennen lassen.
Marco Krasser, Sie haben ein gesamtheitliches System mit Ihren Stadtwerken Wunsiedel aufgebaut. Haben Sie auch Energieampeln oder wie gehen sie mit ihrem Energienetz um?
Marco Krasser: Also, wir haben keine Energieampeln in dem Sinne. Natürlich überwachen wir unsere Netze online und auch digital. Allerdings haben wir uns vor mehr als 20 Jahren auf den Weg gemacht in die Energiezukunft. Wir nennen das bewusst nicht Wende, weil wir ja nicht umkehren wollen, sondern wir wollen in die Zukunft schauen. Wir haben uns auf den Weg gemacht, ein Sektor-übergreifendes dekarbonisiertes System über alle Sektoren hinweg aufzubauen und eben vor 20 Jahren begonnen mit der Energieerzeugung: Photovoltaik, dann auch das Thema Biomasse und Wind. Wir sind mittlerweile der größte Windmüller im Landkreis. Dann gefolgt von der Elektrolyse, die 2015 / 2016 zumindest mal gebaut wurde, mit entsprechenden Wasserstoff-BHKWs im Vorgriff. Wir haben das Thema Biomasse genutzt, indem wir zwei große Pelletierungen erstellt haben, weil – und das ist der Hintergrund – wir eben davon ausgehen, dass wir weg müssen vom Wirkungsgrad-Denken und hin müssen zu einem Gesamt-Nutzungsgrad-Denken: keinen Müll zu produzieren, also auch keinen Abfall aus der Energiewirtschaft zu produzieren und dabei die mögliche und die vorhandene Infrastruktur möglichst effizient zu nutzen. Zum Thema Wirkungsgrad- Nutzungsgrad vielleicht nur ein kleines Beispiel, weil das hilft uns, wenn wir ein fossiles Kraftwerk, den elektrischen Wirkungsgrad um ein Prozent verbessern. Jeder schreit “Hurra”, aber dennoch mehr als 30 Prozent der eingesetzten Primärenergieträger über Dach vernichten, indem wir die Wärme nicht nutzen. Da ist es doch sehr viel besser, ein Biomasse- Heizkraftwerk vielleicht mit 17 Prozent elektrischen Wirkungsgrad zu betreiben, aber eben mit einem Gesamt-Nutzungsgrad von nahezu 100 Prozent, weil wir eben die Abwärme nutzen, speichern und dann wieder zu Energie machen. Denn kein Unternehmen kann es sich erlauben, im Winter eben nicht zu produzieren, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Und deshalb müssen wir die Energiemengen – und das ist die größte Herausforderung, die uns ansteht – die großen Energiemengen vom Sommer in den Winter transportieren. Das geht zum einen über Biomasse und zum anderen natürlich übers Molekül, über die Elektrolyse und eben auch über Batteriespeicher. All diese Systeme sind installiert, sind mit dem digitalen Zwilling vernetzt, so dass wir in Zukunft uns auch mit den nächsten Netzebenen oder eben anderen Stadtwerken, die ähnlich denken, entsprechend vernetzen können, um dann Potenziale und auch Bedarfe entsprechend auszugleichen. Also ein dezentral aufgebautes System, das durchaus zentral organisiert sein kann, aber eben jeder einzelnen Einheit genügend Entscheidungsfreiräume und Intelligenzen lässt, um die Anforderungen, die aus dem Gesamtbereich entstehen, auch zu bewerkstelligen.
Sie haben also zuerst genau die Bedarfe analysiert?
Marco Krasser: Genau, wir haben 2001 begonnen, einen sogenannten Energie- Entwicklungsplan aufzustellen, der auch geographisch vernetzt wurde. Also welche Potenziale haben wir? Zum einen also die Potenziale zu erschließen, aber zum anderen natürlich auch die Bedarfe. Wir dürfen natürlich nicht nicht vergessen, dass sich die Bedarfe ständig und kontinuierlich verändern. Andere Heizsysteme, Mobilität, all die Themen sind Sektor-übergreifend zu beleuchten und dabei auch die Infrastruktur nicht zu überfordern. Also wir haben eben Stromnetze, die sind, wie sie sind. Die Investitionen müssen klug entschieden werden und das war unser Ansinnen. Und ja, aufgrund dieser Potenzialanalyse haben wir versucht, die Potenziale sukzessive zu erschließen, auch Über-Energie zu produzieren und dann eben die Speicher zu installieren. Und da ist der größte Hemmschuh. Solange die Politik aus meiner Wahrnehmung heraus die Integralrechnung nicht versteht beziehungsweise sie mir nicht erklären kann, und dass eben Leistung und Arbeit über die Zeit verknüpft sind, wird schwierig werden, wenn wir ein “energy only” Markt-System betreiben, das auf der Kupferplatte passiert, die es nicht gibt. Und das war die Herausforderung, eben das in dem Netz-System, das wir zur Verfügung und zu verantworten haben, so zu installieren, dass sich Erzeugung und Verbrauch möglichst lange deckt, dabei aber auch betriebswirtschaftlich sinnvolle business cases zu entwickeln, die unter Umständen weit weg sind von den Anforderungen einer künftigen Energiewirtschaft.
Herr Zösch, wie behandeln Sie die Speicherproblematik in Ihren Stadtwerken Haßfurt?
Norbert Zösch: Wir sind ein Stadtwerk, wo wir auch schon seit längerer Zeit erneuerbare Energien massiv ausgebaut haben. Wir haben so 30 MW Windkraft im Netz bei uns auf der 20 kV-Ebene, 20 MW Photovoltaik-Leistung, eine Biogasanlage, wo wir auch mit dran beteiligt sind und eben die Power-to-Gas-Anlage und mittlerweile auch größere Batteriespeicher. Also ich würde ungern immer von der Energieampel sprechen, weil da ist ja auch mal rot dabei, dann muss man stehen. Ich würde eher von einem Energie-Kreisverkehr sprechen. Immer derjenige, der liefern kann, speist ein, und derjenige, der zu viel hat, nimmt auf. Dass man diese verschiedenen Systeme miteinander koppelt, was eine sehr große Herausforderung ist. Wir haben hier bei uns schon über 200 Prozent erneuerbare Energie. Also wir bewegen uns in einem Zeitraum, was Deutschland so 2040, 45, 50 vor hat. Und was uns am meisten hemmt, ist, dass wir natürlich diese ganzen Systeme miteinander verknüpfen müssen. Kaum einer am Markt ist fähig, uns da so massiv zu unterstützen und wenn dann nur mit hohen Kosten. Also natürlich alles, was neu entwickelt wird, ist erst immer teurer, und da würden wir gerne Unterstützung erfahren, indem wir eben diese ganze Regelung, diese ganzen Energieflüsse, Zum Beispiel gestern am Pfingstmontag: sehr viel Photovoltaik-Leistung, geringe Abnahme im Netz, also auch da muss Energie zurück geregelt werden und da ist natürlich ideale Laufzeit wieder von Power-to-Gas. Jetzt ist es natürlich so, dass man den Wasserstoff für Wärme oder für Mobilität natürlich nutzen kann. Jetzt im Sommer, in der Wärme, ist das überschaubar, was man da noch an Wasserstoff-Nutzen hat. Also, Langzeitspeicherung ist halt mit dem Wasserstoff möglich und die Kurzzeit-Speicherung mit den Batterien. Nur die Batterien – und das erleben wir, obwohl wir über 13 MB Speicherkapazität haben mittlerweile in unserem Netz, also eigene Speicherkapazität – ist halt doch relativ überschaubar. Bei so einem Tag wie gestern ist um zwölf Uhr, ein Uhr spätestens der Speicher voll, da braucht man dann deutlich mehr. Aber alles zu investieren, das ist natürlich auch als kleineres Unternehmen schwierig. Wir haben viele Freifeld-Anlagen jetzt auch selbst mittlerweile gebaut und natürlich einen hohen Invest dafür gebraucht. Wir brauchen die kommunalen Banken, die auch natürlich an ihre Grenzen kommen, wenn irgendwelche Kreditlinien überschritten werden oder in die Nähe kommen. Weil halt doch durch den Hintergrund, dass man natürlich Energie, die man selber erzeugt, nicht woanders einkaufen muss. Allerdings halt mit dem Nachteil, dass die dann entsteht, wenn Sonne da ist, wenn Wind da ist. Und wenn keine Sonne und kein Wind da ist, brauchen wir natürlich auch eine stabile Versorgung und da haben wir auch ein Wasserstoff-BHKW, das mit 100 Prozent Wasserstoff wieder Wärme und Strom liefern kann. Also die Systeme sind alle da, die aber so miteinander zu verknüpfen, dass wir eben einen reibungslosen Kreisverkehr betreiben können, das ist die große Herausforderung.