Metaverse leicht erklärt
Metaverse – kaum ein Thema wurde 2022 in der Tech-Welt so kontrovers diskutiert. Von vielen wird es nur als Spielerei abgetan, während andere darin die Zukunft des Internets sehen. Was Metaverse nun wirklich ist und welchen Nutzen es abseits der Unterhaltungsindustrie für andere Branchen bringt, darüber spricht Louis Schulze, Ecosystem Development Manager der Founders Foundation – einer gemeinnützigen Initiative der Bertelsmann Stiftung. Fasziniert von den Auswirkungen der Technologie startete er FUTUR3 – eine Podcast-Serie, die sich auf den aufstrebenden Web3-Bereich und alle damit verbundenen Technologien konzentriert: Metaverse, NFTs, DAOs, DeFi oder P2E-Gaming. Zweimal pro Woche interviewt er Vordenkende, um die Grundlagen der Technologie und die Auswirkungen auf Ökonomie und Gesellschaft zu verstehen.

Metaverse, NFTs, Crypto Währungen etc. Wo stehen wir gerade? Was bekommst Du aus deinem Umfeld mit?
Louis Schulze: Anfang diesen Jahres habe ich eine Podcast-Serie rund um das Thema Web3 wie Metaverse, Krypto etc. gestartet, um zu verstehen, worum es da geht. Wie ich das Bild heute für mich definiere, ist, dass Metaverse die Vision einer vollkommen digital vernetzten Welt ist. Das kann in fünf bis 15 Jahren der Fall sein. Wir werden uns dann immersiv bewegen via AR und VR. Dort existieren digitale Ökonomien und wir treffen uns im digitalen Raum. Die fortschreitende Digitalisierung lenkt alles in diese Richtung. Web3 ist die nächste Etappe zu diesem Metaverse. Die auf der Blockchain basierende Web3-Technologie als neue Idee des Internets addiert neue Funktionen zu dem bereits bestehenden Internet. Es ermöglicht so immer mehr das Bild einer digitalen und vernetzten Welt, die uns dann vollumfänglich umgibt.
Müssen wir die ganze Internetwelt einfach neu denken?
Louis Schulze: So wird es zumindest von den Maximalisten des Web3 propagiert. Das Wort Web3 ist ein Begriff, der seit ca. zwei bis drei Jahren in Amerika bekannt ist. In Europa und speziell in Deutschland ist der Begriff eher weniger bekannt. Hier waren eher die Wörter „Kryptowährungen“ und sicherlich auch „Blockchain“ und „Bitcoin“ bekannt. Aber diese Begriffe in ein Konstrukt bzw. in eine neue Idee eines Internets zu verpacken, ist sehr neu. Damit man die Begriffe besser zuordnen kann, habe ich mir eine Metapher überlegt: Wenn ein kleines Haus gebaut wird, dann wäre die Blockchain als technologisches Fundament dieses neuen Internets sozusagen der Keller. Darauf fußen verschiedenste Technologien. Das eine sind die Kryptowährungen. Die Idee einer Finanzwelt ohne Banken, deFi, ist eine Technologie, die auf der Blockchain basiert. Als weitere Technologie gibt es noch NFT (Non-Fungible Token). Das ist eine Art digitales Echtheitszertifikat, auch auf Blockchain basierend. Die Abkürzung DAOs (Dezentrale Autonome Organisationen) steht für Organisationen, an denen man durch den Erwerb eines Tokens direkt partizipieren kann. Es ist eine Art Community mit einem Bankkonto. Als letzter Begriff sei noch genannt: X to earn, play to earn oder data to earn. Das bedeutet, dass ich durch gewisse Handlungen im digitalen Raum, wie z. B. beim Spielen (im Fall von play to earn) Tokens generiere und verdiene. Die Technologien bilden den ersten Stock des Hauses mit vier Räumen. Darauf baut sich das Metaverse auf. Zuletzt bildet das Web3 das Dach des Hauses. Um noch eine Definition zu geben: Internet is owned by the users and builders. Orchestrated with Tokens.
Hinter Metaverse steckt mittlerweile mehr als nur Gaming, richtig?
Louis Schulze: Ich glaube, es kommt auch sehr stark auf die Definition an und wie ich auf dieses Metaverse blicke. Denn wenn ich mit dem Metaverse das Bild von Second Life und von vielleicht schlecht animierten 3D Grafiken verbinde, wo sich wenig Leute bewegen, dann hat es keinen wahren Nutzen. Ich bin ehrlicherweise auch nicht der allergrößte Fan von so vielen Anwendungen, die wir gerade sehen. Ich bezweifle zum Beispiel, ob es für unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft sinnvoll ist, wenn ich ein Konzert im Metaverse besuche oder dort eine Lederjacke kaufe. Mit diesen Anwendungsfällen tue ich mich tatsächlich sehr schwer. Wenn man natürlich die Modeindustrie fragt, dann würden sie die Vorteile aufzeigen, wie das digitale Ankleiden. Ich kann mir etwas anderes anziehen, ohne dass die Kleidung extra produziert oder gekauft werden muss. Das dient auch der Nachhaltigkeit. Ich finde, es wird dann interessant, wenn ich es wirklich als die Endstufe und auch die Vision einer digitalen offenen Ökonomie sehe. Ich bin der Meinung, dass auch autonomes Fahren mit zur Metaverse gehört. Hier werde ich von einem Algorithmus gelenkt. Ich kann selbst gar nicht mehr eingreifen und bin dem ausgesetzt. Und das ist doch eigentlich schon Metaverse. Ich werde von einem Code gelenkt – das ist diese Vision einer vollkommen digital vernetzten Welt.
Ist Metaverse nur ein Hype oder entstehen handfeste Use Cases für KMU?
Louis Schulze: Das spannende ist, dass der KMU-Bereich und auch insbesondere der B2B-Bereich eigentlich viel weiter sind, wenn es um das Thema VR und AR und Co. geht. Wir nehmen häufig diese Entwicklung im B2C Bereich in den Medien wahr. Alle reden über die neuesten Shopping Experiences, die Durchführung von Meetings und Konzertbesuchen im Metaverse. Es gibt immer mehr Anwendungsfälle rund um die immersive Produktionsstätte, VR basierte Produktion und Predictive Maintenance. Für ein produzierendes KMU wären das die ersten Bereiche, in denen ich in Bezug auf Metaverse einen Mehrwert sehen würde.
In einer Art Beta Testing könnte ich also eine Anlage ausprobieren, ohne sie erst errichten zu müssen?
Louis Schulze: Natürlich ist erst einmal die Zugangs-Technologie von Bedeutung. Wir reden häufig über die VR-Brillen und Co. Sicherlich ist das eines der ersten Dinge, in die ich investieren muss, um diese Experience zu haben. Es gibt auch Anwendungen und Metaverses, die ohne diese Brillen funktionieren. Am Ende des Tages ist es eine 3D Welt, die wir schon aus dem Gaming kennen. Dann braucht es diese sogenannten CAD Zeichnungen, wie man sie aus der Vergangenheit kennt. Diese sind dann speziell auf die 3D Welten angepasst und auch für alle zugänglich standardisiert. So ist eine einheitliche Experience gegeben. Im zweiten Schritt reden wir über Buzzwords wie Unreal Engine und Co. In Deutschland gibt es viele Anbieter, die bei der ersten Produktionsplanung und und beim Produktionsablauf unterstützen. So können erste Prototypen von neuen Maschinen etc. im Metaverse, also in der digitalen Welt, begutachtet werden.
Es gibt immer mehr Anwendungsfälle rund um die immersive Produktionsstätte, VR basierte Produktion und Predictive Maintenance. Für ein produzierendes KMU wären das die ersten Bereiche, in denen ich in Bezug auf Metaverse einen Mehrwert sehen würde.
Man könnte also Optimierungsbedarf z. B. von Mitarbeitenden in der Produktion erkennen. Sind das die Anwendungsfälle?
Louis Schulze: Ja, ich denke, dass alle Technologien rund um dieses Buzzword Web3 auf eine Reduktion von Transaktionskosten einzahlen. Im Metaverse Kontext und in dem Beispiel mit den KMU, in dem wir uns gerade bewegen, ist es so, dass wir einfach die Transaktionskosten verringern können wie z. B. den Reiseaufwand, den Produktionsaufwand sowie den Planungs- und Koordinationsaufwand. Bei DAOs (Dezentralisierte autonome Organisation) beispielsweise ist es so, dass man verschiedenste Leute Teilhaber an einer Organisation werden lassen kann. Dafür muss nicht extra eine Genossenschaft gegründet oder ein Notar beauftragt werden. Hier haben wir dann wieder diesen Effekt der reduzierten Transaktionskosten. Und ich glaube, genau das ist dieser ökonomische Nutzen, den wir kurzfristig stiften können.
Kommunikationswege können demnach verkürzt werden, indem sich Gesprächspartner im Metaverse treffen?
Louis Schulze: Ich hatte vorhin schon die Metapher mit dem Haus genannt. Ich nutze gerne noch eine zweite Metapher mit einer Brücke: Ich denke, dass Web3 und Metaverse Technologien eine Brücke zwischen Unternehmen sind. Bisherige Technologien, wie Software, sind perfekt dafür ausgerichtet, die Abläufe und Umsatzpotenziale innerhalb von Unternehmen zu optimieren. Wir haben es aber bisher noch nicht geschafft, die Verbindung, sprich die Brücken, zwischen Unternehmen technologisch bestmöglich aufzubauen. Wenn Unternehmen zusammenarbeiten, dann haben wir häufig dieses Dilemma des mangelnden Vertrauens. Ich bin der Meinung, dass es mit Metaverse, Web3 und der Blockchain Technologie möglich ist, einen vertrauensvollen und gesicherten Transfer von Daten und Informationen zwischen Unternehmen gewährleisten zu können. Die Daten sind anonym und gesichert. Ich habe sie auf der Blockchain nachvollziehbar und dadurch schaffe ich einen deutlich höheren Grad einer offenen Ökonomie (Open Economy). Ich glaube tatsächlich, dass das Web3, Blockchain und Metaverse darauf einzahlen, dass wir in diesem Ökosystem agieren können. Metaverse ist „Authority by Code“: Die Autorität sind nicht mehr nur wir Menschen, sondern wir haben die Sicherheit, dass ein Code den Transfer regelt. Genau das sind die Potenziale, die wir langfristig dadurch explorieren können.
Braucht es zusätzliche Regulatorik?
Louis Schulze: Noch steckt die Blockchain Technologie und auch gerade diese Token-Ökonomie in den Kinderschuhen. Wenn ich jetzt Entscheider in einem Unternehmen wäre, dann würde ich erst einmal Abstand davon nehmen, alles zu tokenisieren und viel Blockchain zu machen. Es gibt einfach noch nicht die entsprechende Rechtssicherheit. Und spätestens dann, wenn ich auf einmal Kryptowährungen in der Buchhaltung mit abwickeln muss, dann würde dies sicherlich alle buchhalterischen Prozesse erst einmal sprengen. Deswegen kann ich sehr gut verstehen, dass da aktuell noch eine gewisse Distanz zu dem Thema herrscht. Aber sowohl Juristen und Kanzleien als auch Unternehmen und Start-ups fangen langsam an, diesen Bereich für sich zu erschließen. Das heißt, dass die Regulatorik gerade im Aufbau ist. Es passiert gerade sehr viel, um die Rechtssicherheit für Unternehmen zu schaffen. Man kann hier auch nicht sagen, dass wir noch fünf bis 15 Jahre davon entfernt sind. Es wäre also ein Fehler, sich dem Ganzen erst in zehn Jahren zu widmen, weil dann die Sicherheit gegeben ist. Es werden hier sehr kurzfristig viele Anwendungsfälle entstehen.
Braucht es für Metaverse einfach Early Adopters?
Louis Schulze: Dafür nutze ich gerne ein Beispiel aus dem Web3. In der Regel ist es so, dass das produzierende Unternehmen für die Emission verantwortlich ist und diese auch reduzieren muss. Aber es ist nur für einen Bruchteil der entstandenen Emissionen verantwortlich. Wir sprechen hier von Scope-1-, 2-, 3-Emissionen. Wie reduziere ich dann beispielsweise Scope-3-Emissionen? An diese Stelle müsste ich zwangsläufig mit meinen Lieferanten zusammenarbeiten, nicht nur mit meinem Tier-1, sondern mit Tier-2 und Tier3 etc. Nun wäre es doch von Vorteil, wenn ich einen gesicherten Raum hätte, in dem ich mich datenseitig austauschen könnte und Potenziale identifizieren könnte. Wo können wir CO2 einsparen, wie sind die Produktionsschritte und wie sind die entsprechenden Datenströme dazu? Das alles wäre durch die Blockchain abgesichert, so dass Unternehmen anfangen können sich gegenseitig zu vertrauen und nicht dieses Vertrauensdilemma entsteht. Dafür braucht es die Early Adopters. Durch die Gespräche in meinem Podcast bin ich sehr zuversichtlich, dass da schon viel passiert ist.
Das Interview führte Christoph Raithel, Teamleiter Event bei der Bayern Innovativ GmbH.
Hören Sie sich das vollständige Interview als Podcast an:
Metaverse: Nur Gimmick oder Gamechanger?
Metaverse - kaum ein Thema wurde 2022 in der Tech-Welt so kontrovers diskutiert. Von vielen wird es nur als Spielerei abgetan, während andere darin die Zukunft des Internets sehen. Was Metaverse nun wirklich ist und welchen Nutzen es abseits der Unterhaltungsindustrie für andere Branchen bringt, verrät Ihnen Louis Schulze von FOUNDERS FOUNDATION.
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