BHKW-Anlage mit fünffachem Nutzen

Neubau der Nordmensa in Göttingen: Hocheffizientes BHKW-System versorgt Campus mit fünf Energieformen

22.04.2025

Quelle: E & M powernews

Mit der Sanierung der Nordmensa des Studierendenwerks Göttingen wurde auch die Energieversorgung erneuert. Die neue BHKW-Anlage erzeugt nicht nur für die Großküche effizient Energie. 

Das Studierendenwerk Göttingen hat die Nordmensa durch einen hochfunktionalen Neubau mit BHKW-Anlage und erweitertem Gastronomiekonzept ersetzt. Nach dem Probebetrieb im April werden voraussichtlich ab Mai in der neuen „CampusGastronomie im Norden“ (CGiN) täglich auf zwei Etagen mehrere Tausend Essen für die Studierenden ausgegeben. Damit wird die nach vier Jahrzehnten zu klein gewordene Nordmensa ersetzt. 

Für die Energieversorgung haben sich die Verantwortlichen für eine KWK-Energiezentrale entschieden, die mit Strom, Dampf, Heizwärme, Warmwasser und Kälte fünf Energieformen für die Versorgung der Studierenden und der Großküche vereint. Auch üblicherweise nicht genutzte Abwärmequellen wurden mit „angezapft“, um optimale Energieeffizienz zu erreichen. 

Installiert wurde die Energiezentrale im Dachgeschoss der CGiN. Sie versorgt künftig nicht nur die CGiN, sondern über Nahwärmenetze − eines für Hochtemperaturwärme und eines für kalte Nahwärme − weitere Gebäude auf dem Campus. Dazu zählen eine Kita, ein Gästehaus und zwei Wohnheime mit etwa 700 Studierendenwohnplätzen. 

Bei der Planung der Erzeugungsanlage und der Gebäudetechnik war dem Studierendenwerk Göttingen eine Betriebskostenoptimierung wichtig, „die energetisch sinnvoll sowie nachhaltig ist und zu einer deutlichen CO2-Reduzierung führt“, sagte Jörg Magull, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Studierendenwerks Göttingen, Anfang 2024, als die Pläne der Öffentlichkeit vorgestellt wurden. 

„Als Primärenergie wird Gas zum Einsatz kommen, dampfbetriebene Kochgeräte und Spülmaschinen machen das erforderlich. Durch den weiteren Einsatz von effizienter Energieversorgung, verbunden mit Wärmerückgewinnung, wird die eingesetzte Primärenergie bestmöglich genutzt“, erklärt Carmen Heine, Abteilungsleiterin Gebäudemanagement im Studierendenwerk. Sowohl die Essenszubereitung als auch die Geschirrspülung (rund 38.000 Geschirrteile täglich) mit Warmwasserbereitstellung erfordern ein hohes Temperaturniveau, um den zeitlich eng getakteten Anforderungen des Mensabetriebs gerecht zu werden. Auch aus diesem Grund habe sich das Studierendenwerk für eine hocheffiziente KWKK-Anlage entschieden.

Der barrierefreie Neubau entspricht dem KfW-40-Standard. Verglichen zum alten Gebäude wurde die Nutzfläche vergrößert. Damit erhöht sich die Zahl der Mensasitzplätze von 770 auf 1.050. Außerdem bietet die neue Mensa ein Pavillonkonzept für die Essensausgabe und Selbst-Scanner-Kassen. Bis zu zehn verschiedene Gerichte werden künftig angeboten, von denen in den Mittagsstunden insgesamt über 3.000 ausgegeben werden. 

Die alte Mensa hatte einen jährlichen Energiebedarf von rund 950 MWh an Wärme und 869 MWh an Strom. Gekocht wurde rein elektrisch, die Heizwärme wurde über das Fernwärmenetz der Universität Göttingen bereitgestellt. Durch die Umstellung auf Dampfkochgeräte und Absorptionskühlung sowie die Mitversorgung von Wohnheimen steigt der Wärmebedarf inklusive Dampf auf künftig rund 1.850 MWh jährlich, während die noch vom Versorger zu beziehende Strommenge auf etwa 150 MWh im Jahr zurückgeht. Im Bilanzergebnis sinken Betriebskosten und CO2-Emissionen deutlich, da künftig ein hocheffizientes Blockheizkraftwerk mit Eigenstromnutzung zum Einsatz kommt. 

Die neue Erzeugungsanlage besteht aus zwei BHKW-Kompaktmodulen des Herstellers Sokratherm (Typ GG 140 und GG 202) samt Dampferzeuger, externen Abgaswärmetauschern sowie nachgeschalteten Brennwertwärmetauschern. Zusätzlich mit integriert wurden eine Absorptionskälteanlage sowie Abluftwärmetauscher. Geplant hat die Anlage wie auch das kalte Nahwärmenetz mit den dezentral in den Gebäuden installierten Wärmepumpen das Ingenieurbüro Geese.

Die fünf von der neuen Anlage erzeugten Energieformen sind im Einzelnen:

1. Rund 348 kW Strom 

2. Rund 179 kW Dampf mit 1 bar für Kochgeräte und Spülmaschinen. In Zeiten ohne Dampfbedarf wird der Dampferzeuger über einen Bypass umgangen und entsprechend mehr Hochtemperatur (HT-)Wärme erzeugt. Als Redundanz und zur schnellen Spitzenlastabdeckung aus der Kochanforderung ist ein konventioneller Dampfkessel parallel eingebunden.

3. 333 kW HT-Wärme (VL/RL: 83/70 Grad Celsius) für die CGiN und Einspeisung in das HT-Nahwärmenetz 

4. Rund 290 kW Niedertemperaturwärme (VL/RL 40/25 Grad Celsius) aus den verschiedenen Abwärmequellen für das kalte Nahwärmenetz. An dieses wurden das Gästehaus mit 100 und zwei Studentenwohnheime mit rund 700 Plätzen angeschlossen, die jeweils mit dezentral platzierten Wasser-Wasser-Wärmepumpen beheizt werden. Durch die Vorwärmung mit KWK-Abwärme arbeiten die Wärmepumpen besonders effizient. Niedertemperaturquellen sind die BHKW-Brennwertwärmetauscher mit 76 kW und der Kühlluftwärmetauscher der BHKW mit 42 kW. 80 kW kommen aus der Kondensationsabwärme der CO2-Kälteerzeugung hinzu und die Abgaswärme aus der konventionellen Dampferzeugung liefert weitere 40 kW. 

5. Kaltwasser zur Raumkühlung über zwei Absorptionskälteaggregate „Hummel“ vom Hersteller W. Baelz & Sohn, die zur Kaltwassererzeugung die HT-Wärme der BHKW nutzen. Die Raumkühlung von Speisesälen und Küche erfolgt sowohl über die RLT-Anlagen als auch zur Grundlastabdeckung über Deckenstrahlplatten in den Speisesälen.

Zusätzlich wird über eine CO2-Verbundkälteanlage die Prozesskälte für Lebensmittellagerung und Essensausgabe als Normalkälte (NK) und bis zu minus 20 Grad Celsius Kälte für den Tiefkühl- und Schockfrostbereich erzeugt. Die Kälteverteilung an etwa 60 Kühlstellen in der gesamten Mensa erfolgt über ein CO2-führendes Kälterohrleitungsnetz. Die Abwärme aus der Kälteerzeugung wird auf HT-(durch Heißgaskühlung) und Niedertemperatur (NT-)Niveau (Kondensation) getrennt genutzt in die entsprechenden Wärmenetze eingespeist. 

Letztlich werden also fast alle Abwärmequellen der Energiezentrale konsequent genutzt, um sie für die Beheizung der angeschlossenen Gebäude und die Klimatisierung der Mensa einzusetzen. Damit erreicht die Energieversorgung der neuen CGiN-Mensa eine besonders hohe Gesamteffizienz.

Autorin: Heidi Roider

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