Was steckt hinter einer erfolgreichen Produkteinführung am Markt?

Im Innovationsmanagement beschäftigen wir uns u. a. mit der Identifikation und Entwicklung neuer Produkte, Dienstleistungen und/oder Geschäftsmodelle. Die Anforderungen der Kundinnen und Kunden steigen täglich, Trends werden zur Realität und Unternehmen stehen vor der gewaltigen Herausforderung, neue großartige Produkte zu erschaffen. Doch wie entwickelt man qualitative und nachhaltige Produkte, die die Kundschaft letztendlich auch haben will? Das Produktmanagement spielt hierbei in jedem Unternehmen eine zentrale Rolle. Einen tieferen Einblick darüber gibt Bernadette von Wittern, früher Produktmanagerin in der Medizintechnik, jetzt Inhaberin von PRODUCT LOUNGE, einer Community zur Aus- und Weiterbildung von Produktmanagerinnen und -managern mit dem Fokus auf technologische und komplexe Produkte.

Produktmanagement
Das Produktmanagement spielt eine zentrale Rolle, um Produkte zu entwickeln, die die Kundschaft wirklich will.


Was bedeutet Produktmanagement für Dich?

Bernadette von Wittern: Produktmanagement ist für mich eine Organisationsform in einem Unternehmen. Die Welt wird immer komplexer, Kundenanforderungen kommen aus unterschiedlichen Ländern und die Märkte werden immer vielfältiger und diverser. Daneben haben wir eine technische Komplexität zu managen. Gleichzeitig werden Produkt-Lebenszyklen immer kürzer und Ressourcen sind auch nicht unendlich verfügbar, es geht also auch immer wieder um das Thema Nachhaltigkeit und den sinnvollen Umgang mit Ressourcen. Mit diesen Herausforderungen muss ein Unternehmen umgehen können.
In kleineren Unternehmen, auf jeden Fall in Start-ups , ist es normalerweise die Aufgabe der Geschäftsleitung. Wenn sich jetzt aber ein kleines Unternehmen zu einem mittelständischen Unternehmen weiterentwickelt, kann das die Geschäftsleitung nicht mehr allein bewerkstelligen. Das ist einfach viel zu groß und komplex. Genau hierfür eignet sich das Produktmanagement als Organisationsform. Dadurch wird eine zusätzliche Managementebene eingeführt, bei der alle Fäden aus Entwicklung, Innovation, Marketing, Vertrieb sowie Service zusammenlaufen. Mit dieser Führungsaufgabe sind die Produktmanagerinnen und -manager verantwortlich für den Projekterfolg. Also sie sind nicht nur für neue, sondern zusätzlich für bestehende Produkte, verantwortlich und bringen auch die Kundenzentrierung mit rein, weil sie sozusagen das Ohr am Markt sind.
Zusammenfassend kann man sagen, dass das Produktmanagement ein Bindeglied zwischen der Kundschaft und Entwicklung sowie den unterschiedlichen Unternehmensbereichen darstellt, um am Ende ein Produkt erfolgreich auf den Markt zu bringen. Daneben gibt es aber noch eine dritte Dimension. Denn es zählt nicht nur die Technologie oder die Technik auf der einen und der Kunde oder der Markt auf der anderen Seite, sondern auch noch der Business-Aspekt. Denn die Produkte müssen auch zu einem nachhaltigen Geschäftserfolg führen.

Was ist wichtig in der Rolle eines Produktmanagers ?

Bernadette von Wittern: Meine Lieblingsdefinition lautet: Produktmanagement ist, was ein Produktmanager macht. Das Aufgabengebiet kann demnach sehr vielfältig sein, aber der zentrale Erfolgsfaktor für ein gutes Produktmanagement ist ein klares Rollen- und Aufgabenverständnis. Dazu muss das Produktmanagement genau wissen, was eigentlich seine Aufgabe im Unternehmen ist. Zusätzlich müssen auch die anderen Unternehmensabteilungen das Arbeitsfeld des Produktmanagements verstehen.
Der Produktmanager bringt die wichtige Kundenzentrierung, also die Denkweise der Kundschaft mit ein. Somit geht es bei der Produktentwicklung nicht nur um die Technik, Funktionen und Features, sondern ebenso um den Mehrwert und Nutzen für die Kundinnen und Kunden. Dadurch kann er auch mehr Geschäftspotenziale erkennen und diese mit einbringen, damit die Produkte ein gutes Geschäft generieren.

Die ständige Zusammenarbeit mit Kunden und Anwendern zu Beginn einer Produktentwicklung dient als Basis, um die Anforderungen zu definieren, ist aber auch im gesamten Entwicklungsprozess hinweg unabdingbar.

Bernadette von Wittern Inhaberin von PRODUCT LOUNGE


Wie bekommt man als KMU die Kundenzentrierung in die Produktentwicklung?

Bernadette von Wittern: Tatsächlich durch die Einführung eines Produktmanagements. Es gibt in der Produktentwicklung unterschiedliche Entwicklungsmodelle, Vorgehensweisen und die Agilität – also agile Modelle, die haben sich das Einbringen der Kundenzentrierung sowieso schon auf die Fahne geschrieben. Aber es ist nicht in jedem Unternehmen möglich, agil oder nach einem Scrum-Modell zu arbeiten. Das muss auch gar nicht sein. Scrum hat ja auch die Rolle des Product Owners, was nicht viel anders ist als ein Produktmanager. Und aus der Perspektive des Produktmanagements heraus ist es auch völlig gleich, in welchem Modell die Entwicklungsabteilung arbeitet. Es geht nicht um die Methode selbst, sondern es zählt das Mindset dahinter. Wichtig ist es, die Funktion zu haben, welche die Kundensicht kontinuierlich mit einbringt.
Die ständige Zusammenarbeit mit Kunden und Anwendern zu Beginn einer Produktentwicklung dient als Basis, um die Anforderungen zu definieren, ist aber auch im gesamten Entwicklungsprozess hinweg unabdingbar. Während der Entwicklungsphase tauchen immer wieder (Detail)Fragen auf, wie beispielsweise: Wo muss denn der Knopf genau hin? Wo soll der Halter platziert werden? Und hier ist dann der Produktmanager gefragt, der kontinuierlich mit den Kundinnen und Kunden arbeitet und daher passende Antworten auf diese Fragen liefert, um am Ende auch ein Produkt zu haben, welches wirklich den Need oder die Bedürfnisse trifft.

Es verändert sich gerade viel: Die Time-to-Market verkürzt sich bei vielen Produkten, es gibt neue Berufsbilder, wie Data-Scientist oder UX-Designer und wir arbeiten vermehrt in Ökosystemen. Wo siehst Du dabei die Bedeutung des Produktmanagements? Worauf muss ein Unternehmen in den nächsten Jahren achten, wenn es etwas etablieren möchte?

Bernadette von Wittern: Wenn alles komplexer wird, gewinnt das Produktmanagement noch mehr an Bedeutung. Die neuen zusätzlichen Rollen im Unternehmen haben alle ihr eigenes Wissen und ihre Informationen für das jeweilige Spezialgebiet. Und dies muss in einer Unternehmensstrategie und folglich in der Produktstrategie zusammenlaufen – dafür sorgt das Produktmanagement. Es handelt sich dabei um eine Schnittstellenfunktion, beziehungsweise ist das Wort „Nahtstelle“ passender, weil es darum geht etwas zu verbinden. Und wenn wir bei dem Bild „Naht“ bleiben, dann ist das Produktmanagement sozusagen der Faden.

Kundenzufriedenheit
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Hast Du aus Deiner Zeit als Produktmanagerin oder auch als Inhaberin von PRODUCT LOUNGE ein Beispiel, das veranschaulicht, wie essenziell das Produktmanagement ist?

Bernadette von Wittern: Es gab ein Unternehmen, welches eine bestimmte Technologie erfunden hat und tatsächlich auch Pionier auf dem Gebiet und damit weltweit bekannt war. Für diese Technologie gab es eine andere, neue Anwendungsmöglichkeit, woraufhin ein Produkt entwickelt wurde. Allerdings wurden dabei die Kundenbedürfnisse missachtet und rein technikgetrieben entwickelt. Es hatte weder ein schönes Design, noch war es benutzungsfreundlich. Der Wettbewerber mit dem besseren Gesamtpaket hat sich dann auf dem Markt durchgesetzt. Mit einem Produktmanagement wäre das so nicht gekommen. Wenn da jemand die Kundenperspektive reingebracht und auch den Business Case des Kunden analysiert hätte, wäre das Produkt kein Misserfolg geworden.


Hast Du abschließend noch Tipps, die Du als Botschaft weitergeben möchtest?

Bernadette von Wittern: Bei der Einführung eines Produktmanagements in eine bestehende Organisation, muss man das klare Rollen- und Aufgabenverständnis beachten und auch, dass Aufgaben neu geordnet werden. Außerdem ist es eine Art Dauerlauf, deshalb muss man immer wieder von Neuem ansetzen und an dem Rollenverständnis arbeiten. Das Produktmanagement hat die Führungsrolle und muss die drei Bereiche Technologie, Business und Kunde zusammenbringen und dabei darf nicht nur auf die Technik des Produkts fixiert sein. Zu dem Dauerlauf gehört auch, dass die Arbeit nie fertig ist, denn Produktmanagement ist kein Projekt. Produktmanagement ist etwas, was kontinuierliche Arbeit mit dem Kunden mit sich bringt. Aus diesem Grund empfehle ich auch, dass man mindestens 20 bis 30 Prozent seiner Arbeitszeit als Produktmanager mit dem Kunden verbringt, um wirklich ein tiefes Verständnis für seine Bedürfnisse zubekommen.


Das Interview führte Dr. Tanja Jovanovic, Leiterin Technologie- und Innovationsmanagement bei der Bayern Innovativ GmbH.

Hören Sie sich das vollständige Interview als Podcast an:

How to innovate: Kreieren Sie Produkte mit Qualität und Mehrwert

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