In welchen Kommunen funktionieren solche Projekte bereits?
Willi Steincke: Ich kann beispielsweise von einem Projekt in einer kleinen Kommune berichten. Früher gab es Anschlagtafeln in kleinen Dörfern, an der jeder Bürger etwas hinhängen konnte. In dieser kleinen Kommune im bayerischen Wald wurde nun ein Monitor aufgestellt, der elektronisch alle neuesten Informationen der Gemeinde angezeigt hat, wie Gottesdienste, Veranstaltungen, Einkaufsmöglichkeiten etc. Letztendlich eine einfache, aber digitale Kommunikation in der Gemeinde. Das Gerät ist von der Verwaltung und von Vereinen administrierbar. Natürlich gibt es das eins zu eins auch im Internet abgebildet. Aber dieser Monitor ist eine zusätzliche Informationsquelle, die alle Termine und News bündelt.
Ein weiteres erfolgreiches Beispiel aus dem ländlichen Raum war ein Computerkurs für Senioren, der zeigte, wie man mit dem Handy, Tablet oder PC arbeitet bzw. es am besten nutzt. Die Erfahrungen waren sehr positiv und Ängste vor der Technik wurden schnell überwunden. Aus dem eigentlichen Schulungskurs hat sich ein Stammtisch entwickelt, der seine Erfahrungen weitergibt. So wird neue Lebensqualität geschaffen, gerade wenn die Menschen nicht mehr so mobil sind. Oft werden auch neue Themen in den schon vorhandenen Volkshochschulen vermittelt.
Nochmal zurück zum Thema „Nahversorgung“. Gibt es dafür Best Practices?
Willi Steincke: Von den 2100 Kommunen in Bayern sind mittlerweile 500 ohne Nahversorgung. Jetzt gibt es ein Projekt von einem „mobilen Dorfladen“ im Gebiet der Steinwald-Allianz in Nordbayern. Das ist ein ausgebauter Bus, der mit einer festen Tourenplanung durch die Dörfer fährt. Die Lebensmittel sind auch online bestellbar und werden auf der nächsten Tour mitgebracht. Dieser Bus sammelt außerdem Erzeugnisse von regionalen Höfen ein und gewährleistet somit eine regionale Versorgung. Neuerdings wurde auch eine Lotto-Annahmestelle in den Bus integriert. Jetzt kann man neben dem Einkaufen auch Lotto spielen.
Da steckt allerdings viel Technik und Logistik dahinter: Tourenplanung, Einteilung Personal, Wareneinkauf, Abrechnung, Bestellwesen etc. Ich freue mich sehr, dass dieses Projekt nach einigen Testphasen in den Regelbetrieb übergehen konnte. Ein schönes Geschäftsmodell, das immer noch funktioniert und fährt. Solche Projekte werden jetzt einmalig als Modellprojekt aufgezogen und skalierbar macht. Das heißt, die Projekte werden für andere Dörfer und Kommunen übertragbar gemacht. Je mehr Kommunen sich an so ein System anschließen, desto mehr rentiert es sich auch. Die Auslastung der Verkaufsbusse ist gewährleistet und mit der Refinanzierung sieht es auch gleich anders aus.
Gehört es zu Ihrem Arbeitsgebiet bei der Themenplattform Smart Cities and Regions diese Vernetzung zwischen Kommunen herzustellen?
Willi Steincke: Das ist auf jeden Fall eines unserer Themen. Auf der einen Seite wollen wir die erfolgreichen Lösungen transparent machen, aber auch den Transfer schaffen, dass so eine gute Lösung an geeigneter Stelle implementiert werden kann. Es ist wichtig Informationen bereitzustellen und kurze Informationswege zu schaffen. Die Kommunen müssen Zugang zu solchen Best Practices bekommen. Bei vielen kleinen Kommunen scheitert es auch oft am Geld, aber wenn gleich 20 Kommunen ein System aufbauen, dann sieht die Kostenlage wieder ganz anders aus. Wenn sogar ein ganzer Landkreis dahintersteht, dann nimmt das Ganze gleich andere Dimensionen an.
Wir stehen für Fragen und Beratungen gerne zur Verfügung. Nebenbei haben wir vor drei Jahren begonnen einen Smart Cities and Regions Atlas aufzubauen, der in 16 verschiedene Handlungsfelder unterteilt ist, von Energie bis hin zur Mobilität und über die Landwirtschaft hinweg. Hier werden alle Projekte aus Bayern gesammelt, kurz vorgestellt und mit einem Link auf eine Projektseite oder mit einem Absprechpartner versehen. So kann man sich recht zügig mit dem richtigen Kontakt in Verbindung setzen. Der Atlas enthält mittlerweile über 200 Projekte. Wir werden den Atlas systematisch weiterführen und vermehrt Projekte aufzeigen, die langfristig funktionieren.
Sie bieten außerdem eine Online Matching Plattform an. An wen richtet sich diese Plattform?
Willi Steincke: Wir haben 2022 eine Art Matching Plattform namens „By2match Smart Regions“ entwickelt. Die kostenfreie Plattform richtet sich an Kommunen, Hochschulen und Unternehmen. Ziel dieser Matching Plattform war es, in diesem „Bermuda Dreieck“ ein Biete-Suche-System aufzubauen. Beispielsweise kann eine Kommune hier ihren Bedarf formulieren und ein Unternehmen oder eine Hochschule ein entsprechendes Angebot unterbreiten. Im ersten Schritt kann man so sehen, wo entsprechende Bedarfe sind. Im zweiten Schritt können wir die einzelnen Akteure miteinander vernetzen.
Das Interview führte Christoph Raithel, Teamleiter Event bei der Bayern Innovativ GmbH.
Hören Sie sich hier das vollständige Interview als Podcast an: