Digitalisierung in der Landwirtschaft: Vom Kuhstall in den Computer

Während in der Automobilindustrie autonomes Fahren noch Zukunftsmusik ist, ist es in der Landwirtschaft bereits Stand der Technik. Deshalb erklärt Christian Metz vom Zentrum Digitalisierung.Bayern im Interview ausführlich, warum sich sogar Luft- und Raumfahrtunternehmen mit der Digitalisierung in der Landwirtschaft näher beschäftigen sollten.

Christian Metz über Digitalisierung in der Landwirtschaft
“Die Agrarbranche ist eine sehr innovative Branche, die viele digitale Schlüsseltechnologien anwendet!” - Christian Metz.


Christian, wie bist Du zum Thema Digitalisierung gekommen?

Christian Metz: Im Grunde komme ich aus einer ganz anderen Ecke – keiner digitalen, sondern aus der klassischen Landwirtschaft. Ich bin auf einem Bauernhof in Niederbayern aufgewachsen und über Umwege in einem Agrarstudium in Weihenstephan gelandet. Spannend war natürlich immer die Vernetzung von Disziplinen, was mich schließlich zum Thema Digitalisierung gebracht hat.

Interessant. Im Vorgespräch hast Du berichtet, was Landwirtschaft mit Luft- und Raumfahrt zu tun hat. Wie genau hängen diese beiden Bereiche zusammen?

Christian Metz: In der Landwirtschaft gibt es sehr viele Betätigungsfelder für die Luft- und Raumfahrt. Beispielsweise Satelliten, die aus der Luft die Erde beobachten und so Bildmaterial liefern. Von diesen Bildern der Erde kann auch die Landwirtschaft profitieren, denn so lassen sich z. B. Aussagen über Nährstoffgehalte und weitere Bodenparameter treffen. Mit GPS-gesteuerten Landmaschinen lassen sich große Ackerflächen natürlich deutlich effizienter und präziser bearbeiten.

Und wie profitiert die Luft- und Raumfahrtindustrie davon?

Christian Metz: Unter anderem durch den branchenübergreifenden Austausch. Wenn sich zwei Branchen austauschen, lenkt das oft den Blick auf neue Möglichkeiten. Technologietransfer ist daher ein großes Thema. Innovationen sind nur möglich, wenn man sich austauscht.

Die Agrarbranche ist - vielleicht auch durch die tägliche Auseinandersetzung mit dem dynamischen Themenfeld “Arbeiten in und mit der Natur” - eine sehr innovative Branche, die viele digitale Schlüsseltechnologien anwendet. Wir reden hier z. B. über den Einsatz von Techniken wie Robotik, Künstlicher Intelligenz und eben auch die angesprochenen Raumfahrtdienstleistungen, mit deren Hilfe z. B. Frühwarnsysteme für Dürren realisiert werden können. Es ist eine ganz klare Win-Win-Situation für beide Seiten.

Du arbeitest wie bereits erwähnt beim Zentrum Digitalisierung.Bayern. Warum beschäftigst Du Dich so intensiv mit der Digitalisierung in der Landwirtschaft?

Christian Metz: Digitalisierung in der Landwirtschaft bedeutet effizienteres und auch umweltfreundlicheres Arbeiten. So können zum Beispiel Böden, Luft und Wasser besser bewirtschaftet und geschont werden. In Bezug auf die großen Fragen unserer Zeit wie Klimawandel , nachhaltige Lebensmittelproduktion oder Erhalt der Biodiversität spielt die Landwirtschaft eine große Rolle.

Die LandwirtInnen stehen vor einer steigenden Zahl an Herausforderungen. Mehr Naturnähe, umweltschonenderes Arbeiten, mehr Tierwohl, strengere Standards – gleichzeitig müssen sie jedoch auch noch wirtschaftlich arbeiten. Und insbesondere für die in Bayern häufig anzutreffenden kleineren Betriebe sind das große Herausforderungen, denen mit den Mitteln und Möglichkeiten der Digitalisierung begegnet werden kann.

Digitalisierung in der Landwirtschaft
Die Landwirtschaft als Vorreiter der Digitalisierung?!


Was genau kann die Digitalisierung hier leisten?

Christian Metz: Mithilfe der Digitalisierung können Konzepte und Lösungen für eine ökologische Bewirtschaftung mit gleichzeitigen Ertragssteigerungen oder gleichbleibenden Erträgen erarbeitet werden oder auch für die effiziente Verwendung knapper Ressourcen. Beispiel hierfür könnte ein optimierter Düngemitteleinsatz sein, also eine genaue Berechnung, wie viel Dünger von der Pflanze an ihrem Standort genau benötigt wird.

Und wie sieht das dann bei den erwähnten kleinen Betrieben aus?

Christian Metz: Ein konkreter Pluspunkt könnte zum Beispiel Qualitätssteigerung sein. So können in einem Betrieb mit Rindern die Tiere mit Sensoren ausgestattet werden, die Daten u. a. über deren Gesundheitszustand, Bewegung oder Nahrungsaufnahme liefern. Gleichzeitig können auch Weideflächen mit Sensoren ausgestattet werden, die Aspekte wie Reife und Zusammensetzung des Futtergrases reporten. Spannend wird es bei der Kombination beider Datensätze – so kann ganz einfach heruntergebrochen werden, wo eine Kuh z. B. am besten grasen und wie sie optimal ernährt werden kann.

Wie unterstützt das Zentrum Digitalisierung.Bayern dabei konkret?

Christian Metz: Zum einen beschäftigen wir uns mit Entwicklungen und Trends in der Landwirtschaft und der Digitalisierung . Wir geben Impulse in die ganze Branche. Wir möchten Digitalisierungsvorhaben fördern, die für die Gesellschaft und für eine zukunftsfähige Landwirtschaft Nutzen bringen. Und dafür bringen wir verschiedene Akteure zusammen: Wissenschaftler, kleine Unternehmen aus dem Bereich Landwirtschaft, Verbände, Verwaltung, Anwender und Verbraucher. Eben jeden, der mit dem Thema etwas zu tun hat oder zu tun haben möchte. So wollen wir die Digitalisierung in der Landwirtschaft voranbringen.

Das Zentrum Digitalisierung.Bayern
Das Zentrum Digitalisierung.Bayern will die Digitalisierung in der Landwirtschaft voranbringen.


Was ist Eure Spezialdisziplin beim Zentrum Digitalisierung.Bayern?

Christian Metz: Gutes Landmanagement beschäftigt sich mit einem ganzheitlichen Ansatz - vom Acker bis zum Regal. Wir haben uns zwei Schwerpunkte herausgepickt.

Eines davon ist das Thema Datenplattformen. Was ist eigentlich eine Datenplattform? Anschaulich erklärt: Eine Datenplattform ist eine Sammlung und Verknüpfung verschiedener Daten. Diese Daten haben alle verschiedene Formate und kommen von verschiedenen Akteuren. Schafft man es nun, diese Daten zusammenzubringen, kann man daraus neues Wissen generieren. Analysen dessen können den Landwirt folglich bei seinen Entscheidungen unterstützen. Ein Beispiel ist hier die Kombination von regionalen Wetterdaten, Daten zum flächenspezifischen Pflanzenwachstum, die von den angesprochenen Satelliten stammen können und Daten zu den Erträgen der vergangenen Jahre. In Datenplattformen werden diese Daten zusammengeführt und harmonisiert. Aus der Auswertung leitet sich dann eine Handlungsempfehlung für den Landwirt ab, die dieser in Kombination mit seiner Erfahrung zum optimalen Wirtschaften nutzen kann.

Unser zweites Thema ist der klassische Online-Handel, wie wir ihn von Zalando, Amazon und Co. kennen - also E-Commerce für die Landwirtschaft.


Um beim Thema E-Commerce zu bleiben - welche Wege gehen die Landwirte hier aktuell mit Blick auf die Corona-Pandemie?

Christian Metz: Natürlich kaufen Landwirte via E-Commerce ein, also primär Dinge wie Treibstoff, Schmiermittel oder Ersatzteile für die Landmaschinen. Zudem können sie aber auch E-Commerce als Verkaufskanal nutzen. In den vergangenen Jahren hat der Direktverkauf von landwirtschaftlichen Produkten einen Boom erlebt - warum also nicht auch zukünftig verstärkt online ein- oder verkaufen? Der “Bauer um die Ecke” würde also zum Onlineshop werden, mehrere kleine Betriebe zusammen ergäben eine Art “digitalen Wochenmarkt”. So kann nicht nur die eigene Reichweite erweitert werden, sondern auch ganz neue Kundengruppen erschlossen werden. Wir sehen also, dass Digitalisierung und Landwirtschaft in der Praxis gut zusammenpassen.


Das Interview führte Dr. Kord Pannkoke, Leiter Business Development bei der Bayern Innovativ GmbH.

Hören Sie sich das vollständige Interview als Podcast an:

Landwirtschaft als Vorreiter der Digitalisierung

Warum sich sogar Luft- und Raumfahrtunternehmen mit der Digitalisierung in der Landwirtschaft näher beschäftigen sollten – darüber sprechen wir mit unserem Kollegen Christian Metz vom Kompetenz-Netzwerk Digitale Landwirtschaft Bayern .

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