Der digitale Pflegeassistent ist immer dabei

Jemanden haben, der sich bei Bedarf um mich kümmert, ist eine schöne Vorstellung. Diese könnte dank eines digitalen Sensors bald für Personen, die betreuungsbedürftig sind und zeitnah Unterstützung benötigen, möglich sein. Wir haben mit Jürgen Besser, Geschäftsführer der MOIO GmbH, dem Erfinder dieses digitalen Pflegeassistenten gesprochen und erfahren, was der Sensor kann, wie er funktioniert und welche Herausforderungen es bei solchen Innovationen gibt.

Digitaler Pflegeassistent
Konkrete Unterstützung notwendig? Durch den digitalen Pflegeassistenten erhalten Fürsorge leistende Personen Informationen über den Zustand von Pflegebedürftigen.

Ein Sensor als ständiger Begleiter eines Pflegebedürftigen – wie kann man sich das vorstellen?

Jürgen Besser: Das moio.care System besteht aus einem weichen und flexiblen Sensor, der von Pflegebedürftigen am Rücken getragen wird. Dort erkennt er entsprechend seiner Funktionseinstellungen, wenn akuter pflegerischer Handlungsbedarf entsteht und informiert über die moio.care App die zugehörigen Pflegenden.

Da wir jede hilfsbedürftige Person mit beliebig vielen Fürsorge leistenden Personen verbinden können, entsteht für jeden einzelnen Gepflegten ein individuelles Unterstützungsnetzwerk.

moio.care Klettpflaster

Die Information über den Zustand der gepflegten Person sind über das System ortsunabhängig verfügbar und erlauben so mehr gegenseitige (Bewegungs-)Freiheit und Privatheit. Gleichzeitig wird angezeigt, wenn konkrete Unterstützung notwendig ist. Das soll bei allen, die in dieser sehr anspruchsvollen Lebenssituation stecken, zur Entlastung beitragen.

Was macht dieses System intelligent?
Jürgen Besser: Die Intelligenz im moio.care System hat mehrere Facetten und steckt an den verschiedensten Stellen. Zum einen gibt es eine technische Intelligenz, die bei uns sehr stark in der Auswertungsalgorithmik lokal auf dem Sensor liegt. Das ist technisch etwas anspruchsvoller, führt aber dazu, dass nur ausgewählte, vorinterpretierte und relevante Daten vom Sensor auf die moio.care Cloud übertragen werden. Das ist uns wichtig. Wir verschicken keine Rohdaten oder haben einen Daten-Livestream, der rückwirkend unnötige viele Informationen oder Analysen über eine Person zulässt. Zum anderen ist intelligent im Sinne von „clever gemacht“ zu interpretieren. Wir haben durch unser hohes Verständnis der alltagspraktischen Probleme eine völlig mobile, sehr flexibel einsetzbare Lösung entwickelt.

Wie sind Sie auf die Idee des digitalen Pflegeassistenten gekommen?
Jürgen Besser: Die Idee entstand als Essenz aus den Erfahrungen mehrerer Forschungsprojekte, die ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter begleiten durfte. Den Hauptanteil tragen dabei sicher die Projekte aus dem Spitzencluster Medical Valley EMN, die ich damals als Mitarbeiter der Diakonie Neuendettelsau (jetzt Diakoneo) mit begleiten durfte. Es stecken somit viele Anregungen und Ideen im Produkt, die in Gesprächen mit Pflegenden, Wissenschaftlern, Senioren, und Gepflegten gesammelt wurden.

Welche Hürden musste diese anfängliche Idee im Laufe ihrer Realisierung nehmen?
Jürgen Besser: Meine eigene Leistung bestand darin, die Vielzahl an Anregungen und Ideen in ein schlüssiges Produktkonzept zu überführen und mit einem tragbaren Geschäftsmodell zu versehen. Insbesondere unter Beachtung der Besonderheiten des Gesundheits- und Sozialmarktes.
Was ich persönlich als Gründer und Geschäftsführer unterschätzt habe, ist der zeitliche Aufwand, den die Kapitalakquise in Anspruch genommen hat. Es ist verhältnismäßig leicht, eine Anschubfinanzierung zu bekommen, aber in der Phase danach bis wiederum knapp vor Marktreife ist es schon schwieriger. Dabei gleichzeitig das Projekt operativ und inhaltlich mit voller Kraft voranzutreiben, ist eine Herausforderung.

Weniger ist mehr. Die Technik des Sensors ermöglicht es, dass nur relevante Daten auf die Cloud übertragen werden. So dienen weniger Daten einem besseren Datenschutz, und sorgen bei Patienten und Anwendern für ein sicheres Gefühl.

Jürgen Besser Geschäftsführer der MOIO GmbH


Bei der Bayern Innovativ GmbH beschäftige ich mich mit sogenannten frugalen Innovationen. Voraussetzung dafür ist ein Umdenken bei der Lösungsfindung und in der Entwicklung; wichtige Kennzeichen dafür sind z. B. einfach zu bedienen und auf wesentliche Funktionen reduziert sowie kostengünstig für Anwender im Nutzungskontext bzw. der Gesamtbetrachtung … Wie „frugal“ ist Ihre Innovation?
Jürgen Besser: Wir konzentrieren uns auf die wichtigsten pflegerischen Herausforderungen und nehmen dafür die Expertenstandards der Pflege als Richtschnur. Es geht uns nicht darum, alles technisch Machbare umzusetzen, sondern um den Fokus auf das Sinnvolle und Relevante . Um dennoch die finanzielle Belastung, vor allem für Privatanwender, niedrig zu halten, denken wir unter anderem über ein Mietmodell nach. So sind keine hohen Anfangsinvestitionen zu Schultern, sondern die finanzielle Belastung verteilt sich auf die Nutzungsmonate. Ich kann Ihrer Einordnung daher gut folgen, die von Ihnen beschriebenen Eigenschaften versuchen wir alle zu erfüllen. Ob es uns gelingt, entscheidet am Ende aber der Kunde.

Welche Unterstützung haben Sie bei der Realisierung erfahren?
Jürgen Besser: Hinsichtlich der Steigerung unseres Bekanntheitsgrades, Präsentationsmöglichkeiten im nationalen und internationalen Kontext sowie der Kontaktanbahnung mit Industriepartnern haben wir sehr von den Netzwerken wie dem Medical Valley, Bayern Innovativ oder dem Forum MedTech Pharma e.V. profitiert.

Wen adressieren Sie mit dem System?
Jürgen Besser: Die pflegerischen Herausforderungen sind in allen Settings – privat, ambulant, stationär – vergleichbar. Die hohe Mobilität des Systems macht es in allen Versorgungssituationen anwendbar. Zum Markteintritt fokussieren wir den Geschäftskundenbereich, der viel größere Privatanwendermarkt soll mit etwas Verzögerung erschlossen werden. Da das System ein Medizinprodukt ist, laufen jedoch aktuell noch Prüfungen bei der Benannten Stelle. (Anmerkung der Redaktion: Benannte Stellen sind staatlich benannte und staatlich überwachte private Prüfstellen, die im Auftrag der Hersteller tätig werden, um die Konformitätsbewertung von Herstellern von Industrieerzeugnissen unterschiedlicher Art zu begleiten und zu kontrollieren.)

Herzlichen Dank für das sehr informative Gespräch und diese tolle Anwendung – wir wünsche Ihnen und Ihrem Team viel Erfolg!

Ihr Kontakt

Dr. Petra Blumenroth

Bayern Innovativ Newsservice

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