Quantentechnologie für Einsteiger
Vom einfachen Anwenden zum gezielten Nutzen
Atomuhren, Laser, Halbleiter, Glasfasernetzwerke oder Magnetresonanztomografen - Anwendungen, die auf der Quantentechnologie der ersten Generation beruhen, sind bereits selbstverständliche Bestandteile unseres Alltags geworden. Auch das weltweit verfügbare GPS-Satelliten-Navigationssystem wäre ohne Quantenphysik nicht denkbar. [1]. Quantencomputer der zweiten Generation eröffnen neue Perspektiven.

Quantenmechanik als Grundlage für Quantentechnologie
Die Quantenphysik hat ihre Anfänge vor etwa 120 Jahren in den Forschungen von Wissenschaftlern wie Albert Einstein, Max Planck, Werner Heisenberg und Erwin Schrödinger. Sie basiert auf den Gesetzmäßigkeiten der Quantenmechanik, mit der Zustände und Vorgänge der Materie auf atomarer Ebene beschrieben werden können. Anders als in digitalen Modellen, die – vereinfacht ausgedrückt – auf den beiden Zuständen „0/aus“ und „1/ein“ beruhen, sind die physikalischen Wechselwirkungen der Elementarteilchen in der Quantenwelt wesentlich komplexer und durch Tunneleffekte, Verschränkungen, Überlagerungen und die sogenannte Unschärferelation gekennzeichnet. Viele Bereiche der modernen Physik bauen heute auf die bislang gewonnenen Erkenntnisse aus der Quantenmechanik auf.
Zu den bekanntesten Anwendungen der zweiten Generation gehört der Quanten-Computer, der auf Basis quantenphysikalischer Zustände arbeitet und damit gegenüber digitalen Computern etwa beim Durchsuchen großer Datenbanken oder bei der Lösung komplexer mathematischer Aufgabenstellungen erhebliche Geschwindigkeitsvorteile bietet. Zudem gelingt mit Quanten-Computern die schnelle Zerlegung großer Zahlen in Primzahlen (Faktorisierung). Dies ist zum Beispiel für die Datenverschlüsselung von Bedeutung.
Insbesondere im Bereich komplexer Simulationen, in denen sich oft viele Einflussfaktoren überlagern und gleichzeitig berechnet werden müssen, dürften Quanten-Computer ganz neue Perspektiven eröffnen. Mögliche Anwendungen sind beispielsweise eine effizientere Verkehrsplanung für urbane Infrastrukturen sowie die präzisere Vorausberechnung chemischer Prozesse, seismischer Aktivitäten oder Wetterphänomene. Letzteres könnte insbesondere in der Analyse und Bewältigung des Klimawandels oder bei der Prognose schwerer Naturkatastrophen fruchtbare Impulse setzen.
Gleichwohl stellt der Quanten-Computer auch eine Herausforderung für unsere IT-Sicherheit dar. Denn die heute üblichen, auf digitalen Technologien basierenden Verschlüsselungssysteme wären für einen Quanten-Computer leicht zu knacken. Hier sehen sich Unternehmen vor der Aufgabe, entsprechende Risikoanalysen vorzunehmen und notfalls auf Verschlüsselungstechnologien umzusteigen, die der Rechenleistung eines Quanten-Computers gewachsen sind. Umgekehrt dürften sich mit Quanten-Kryptografie in absehbarer Zeit abhörsichere Kommunikationssysteme realisieren lassen.
Fast wichtiger noch als die Hardware-Entwicklung ist für das Quanten-Computing die Bereitstellung von Algorithmen und Software-Lösungen, die die besonderen Eigenschaften der Quantentechnologie effektiv für neue Applikationen nutzen. Da sich Attribute von Quanten-Computern „bis zu einem gewissen Grad […] auch mit herkömmlichen Digitalrechnern simulieren“ lassen, sind existierende Quanten-Computer hierfür nicht einmal zwingend erforderlich. [2] Somit können bereits jetzt Quanten-Applikationen erschlossen werden, bevor die entsprechende Quanten-Computer-Hardware tatsächlich verfügbar ist. Unternehmen wie BMW und VW untersuchen heute schon Möglichkeiten mit bereits verfügbaren Quantencomputern, wie sich damit Produktionsprozesse optimieren lassen, etwa bei der Steuerung von Schweißrobotern [3] oder bei der Optimierung des Verkehrsflusses in Großstädten. [4]
Die Quantentechnologie dürfte für die Datensicherheit ein neues Zeitalter einläuten. Statt Nullen und Einsen gewährleisten in der Verschlüsselung wesentlich komplexere, verschränkte Quantenzustände die Sicherheit von Datenübertragungen. Konkrete Quantenzustände weisen dabei auf unbefugte Datenzugriffe hin. Die Quanten-Kryptografie ermöglicht somit Verschlüsselungstechnologien, die nicht auf mathematischen, sondern auf physikalischen Prinzipien beruhen. Der Schlüsselaustausch basiert dabei auf dem Austausch von Photonen über Glasfasernetze, auf gerader Linie durch die Luft oder über Satelliten. Anwendungen sind für Regierungen, Banken und alle Bereiche interessant, die auf höchste Datensicherheit angewiesen sind. Quanten-Kryptografie dürfte mittelfristig in sensiblen Bereichen herkömmliche digitale Verschlüsselungsverfahren ablösen. Schon heute arbeiten Unternehmen an einer Post-Quantum-Kryptografie, um bereits existierende Daten auch für Quanten-Computer unzugänglich zu machen.
Quantenzustände sind besonders empfindlich gegenüber Faktoren wie Schwingungen, Erschütterungen, Temperaturschwankungen, elektrischen, magnetischen und Gravitations-Feldern oder Geschwindigkeitsänderungen – und ermöglichen gerade deshalb, diese Parameter besonders genau zu messen. Mit quanteneffektbasierten Sensoren wird sich beispielsweise sehr gut erkunden lassen, was unter der Erdoberfläche vor sich geht – von Wasservorkommen über Bodenschätze bis hin zu seismischen Aktivitäten. Quantenbasierte Sensoren liefern genaue Erkenntnisse über die Bodenbeschaffenheit und können so zum Beispiel Bauprojekte beschleunigen. Eine weitere potenzielle Anwendung ist im Automotive-Bereich die Entwicklung hochpräziser Sensoren für das autonome Fahren.
Die präzise Zeitmessung einer Atom-Uhr ist aus unserem Alltag bereits heute nicht mehr wegzudenken. Sie ist erforderlich, um weltweite Daten- und Kommunikationsnetzwerke miteinander zu synchronisieren oder die genaue Standortbestimmung durch Satelliten-Navigationssysteme wie GPS oder Galileo zu ermöglichen. Dank der Fortschritte in der Quantentechnologie dürften künftig hochpräzise, wesentlich kompaktere optische Uhren realisierbar sein, die mit ihrer kurzen Taktfrequenz beispielsweise eine millimetergenaue Standortbestimmung mit GPS-Systemen ermöglichen werden.
Im Bereich des Gesundheitswesens haben quantenbasierte Systeme die Bildgebung für medizinische Applikationen mit dem Magnetresonanztomografen bereits in der ersten Generation revolutioniert. Quantenbasierte Sensoren der zweiten Generation erlauben unter anderem eine präzisere und für den Patienten wesentlich schonendere Messung von Gehirnströmen durch Magnetoenzephalografie (MEG) oder auch der Herzströme durch die Magnetokardiografie (MKG). [5] Darüber hinaus dürfte es in absehbarer Zeit möglich sein, mit Hilfe der STED-Mikroskopie (Stimulated Emission Depletion) Bilder in einer Auflösung zu generieren, die herkömmlichen Mikroskopen weit überlegen ist. [6] Beim Quantum Ghost Imaging werden mit Hilfe verschränkter Photonen die Beleuchtung eines Messobjekts und der eigentliche Messvorgang voneinander getrennt. Das Verfahren, das hochpräzise Messungen ermöglichen soll, ist allerdings bis heute noch kaum experimentell erprobt. [7]
Warum sich kleine und mittelständische Unternehmen heute schon mit dieser Zukunftstechnologie auseinandersetzen sollten
Quantencomputing wird alle Bereiche unserer Gesellschaft nachhaltig verändern. Auch die Prozesse kleinerer und mittelständischer Unternehmen müssen sich möglichst frühzeitig auf diese erneute „Industrielle Revolution“ vorbereiten. Die Digitalisierung hat in den letzten Jahren gezeigt: Unternehmen, die bei der Umsetzung der digitalen Transformation der allgemeinen Entwicklung hinterherhinken, haben es heute schwerer, sich gegen Mitbewerbende im Markt zu behaupten.
In Zusammenarbeit mit dem QAR-Lab geben wir Antworten auf die acht wichtigsten Fragen zur Entwicklung von Quantencompu-tern und wo Ihr Vorteil und der konkrete Nutzen für Ihr Unternehmen liegt. Das QAR-Lab hat ein mehrstufiges System entwickelt, mit dem Unternehmen besser einschätzen können, wann sie ihren Quantenvorteil realisieren können.
Kurz und knapp: Wichtige Begriffe aus der Quantentechnologie
Qubit (Quantenbit)
Das Qubit ist das quantenmechanische Äquivalent zum Bit in der digitalen Welt. Es stellt im Quanten-Computing die kleinstmögliche Recheneinheit dar. Im Gegensatz zum digitalen Bit, das nur die Zustände „0/aus“ und „1/ein“ kennt, skaliert die Zahl der Zustände eines quantenmechanischen Systems mit jedem zusätzlichen Qubit exponentiell.
Überlagerung (Superposition)
Anders als in der digitalen Welt, in der ein Objekt zu jeder Zeit nur einen bestimmten Zustand annehmen kann, gibt es in der Welt der Quanten permanent Wechselwirkungen mit der Umgebung und somit laufend Zwischenzustände, die sich zudem noch gegenseitig überlagern können. Diese Quanteneffekte sind im Zustand der Überlagerung „unscharf“ und können erst in der Beobachtung einzelnen Quanten zugeordnet werden.
Verschränkung
Sind zwei (oder mehr) Quanten miteinander verschränkt, nehmen sie in ihrer Gesamtheit einen definierten Zustand ein, ohne dass man den einzelnen Teilchen einen definierten Zustand zuordnen könnte. Ändert sich der Zustand eines Quants, nimmt der/die andere(n) Quant(en) ohne Zeitverzögerung einen dazu komplementären Zustand an. Verschränkungen entstehen bei jeder Wechselwirkung zwischen mehreren Teilchen oder Teilsystemen. Sobald ein Teilchen oder Teilsystem auf einen Zustand festgelegt wird, endet die Verschränkung (Kollaps der Wellenfunktion).
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[1] Vgl. acatech (Hrsg.): Quantentechnologien (acatech HORIZONTE), München 2020, S. 5; Kagermann, H./Süssenguth, F./Körner, J./Liepold, A.: Innovationspotenziale der Quantentechnologien der zweiten Generation (acatech IMPULS), München 2020, S. 17; Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Referat Quantentechnologien; Photonik (Hrsg.): Quantentechnologien – von den Grundlagen zum Markt. Rahmenprogramm der Bundesregierung, Bonn 2018, S. 3
[2] Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Referat Quantentechnologien; Photonik (Hrsg.): Quantentechnologien – von den Grundlagen zum Markt. Rahmenprogramm der Bundesregierung, Bonn 2018, S. 10
[3] https://www.bmwgroup.com/de/unternehmen/bmw-group-news/artikel/ein-quantensprung-fuer-die-mobilitaet.html
[4] https://www.volkswagenag.com/de/news/stories/2019/11/where-is-the-electron-and-how-many-of-them.html
[5] Kagermann, H./Süssenguth, F./Körner, J./Liepold, A.: Innovationspotenziale der Quantentechnologien der zweiten Generation (acatech IMPULS), München 2020, S. 47
[6] Vgl. acatech (Hrsg.): Quantentechnologien (acatech HORIZONTE), München 2020, S. 47
[7] https://www.quantentechnologien.de/forschung/foerderung/quantum-futur/quantim4life.html