Jetzt wurde gerade schon von der Entwicklung, dem Design und den Methoden dahinter gesprochen. Wie sieht so ein konkretes Vorgehen aus, Michael?
Prof. Dr. Michael Burmester: Anne hat es gerade schon gesagt. Wir haben gewisse Verfahren entwickelt, um diese etwas sperrigen theoretischen Modelle, die aus der Psychologie kommen, in die Gestaltungsprozesse zu integrieren. Zusätzlich verfolgten wir auch noch einen zweiten sehr hilfreichen Ansatz für Gestaltende. Dafür haben wir die positiven Erlebnisse in einem bestimmten Kontext, beispielsweise in einer Arbeitsumgebung, durch spezielle Erlebnisinterviews erhoben.
In einem Forschungsprojekt haben wir 400 Interviews geführt, nachdem wir ein paar aussortiert hatten, da es sich bei den Antworten nicht wirklich um positive Erlebnisse handelte, blieben immerhin noch 360 Erlebnisse übrig. Diese haben wir zu Kategorien zusammengefasst. Daraus entstanden insgesamt 17 Erlebniskategorien, die auf Arbeitskontexte passen und mit denen man hilfreiche Ideen entwickeln kann. Dazu gehört z. B. so etwas wie „gemeinsam etwas schaffen“, was wiederum die gemeinsamen Ziele der Gruppe und die Teamarbeit ausdrückt. In unserem Mittelstand 4.0 Kompetenzzentrum Usability entwickeln wir solche Verfahren und wir optimieren auch bestehende Verfahren weiter.
D. h. ihr habt von einem riesigen Datenschatz aus diesen Interviews gewisse Kategorien herausgefiltert, die generell wichtig sind für die positiven Erlebnisse und Bedürfnisse im Arbeitskontext. Und danach kann man den Arbeitsplatz oder Produkte gestalten, ist das richtig?
Prof. Dr. Michael Burmester: Genau. Mit diesen Kategorien wissen wir, was wichtig in der Arbeit ist. Dazu habe ich drei Beispiele:
1. Überblick behalten über den eigenen Fortschritt:
Menschen haben in der Arbeitswelt ein psychologisches Bedürfnis nach Kompetenz. Passende Erlebniskategorien dazu lauten „Feedback bekommen“ oder „Überblick haben“. Das entsprechende Feedback dazu bekommt man entweder von einem Computer oder von jemandem in der Kollegschaft.
2. Gruppenarbeit und Dankbarkeit:
Innerhalb eines geschaffenen Kommunikations-Tools haben wir eine Möglichkeit entwickelt, dass man gegenseitig Dank ausdrücken kann, z. B. für eine gelungene Gruppenarbeit. Allerdings muss die Dankbarkeit exklusiv sein und zwischen zwei Personen stattfinden. Denn sonst ist es eher eine Art „Liken“ und das wäre öffentlich, was wiederum zu einem Wettkampf beitragen könnte, was vielleicht motivierend sein kann, aber eher negativ erlebt wird.
3. Assistenzsysteme und zu etwas Höherem beitragen:
Wir haben bei einem Projekt in ein Assistenzsystem für die Produktion verschiedene positive Erlebniskategorien in Gestaltungsideen umgesetzt. Das System unterstützt einerseits die Mitarbeitenden bei der Reihenfolge, wie bestimmte Bauteile zusammengeschraubt werden müssen. Andererseits kann das System angeben, wie wichtig die erledigte Arbeit für das Unternehmen, für den Kunden oder das Team ist, z. B. kann angegeben werden, wer mit meinem Arbeitsergebnis weiterarbeitet. So wird ein Gefühl „zu etwas Höherem“, also zu etwas das über meine Person hinausgeht, beizutragen erzeugt, was ein sehr tiefgehendes, positives Erlebnis ist.
In den vergangenen Monaten haben wir eine Art Digitalisierungsschub erlebt. Wie kann man die Menschzentrierung oder die Emotionen auch in einer digitalisierten Arbeitswelt sicherstellen?
Prof. Dr. Michael Burmester: Wir müssen Arbeit ein bisschen breiter verstehen, als dies häufig der Fall ist. Arbeit ist viel mehr als nur seine Aufgaben zu erledigen, denn sie ist ein großer Teil unseres Lebens. Früher gab es in der Psychologie so etwas wie Arbeitsfreude. Das ist irgendwann verschwunden, aber wir möchten da wieder anknüpfen. Und das Gute ist, mit der Digitalisierung haben wir viele Möglichkeiten das zu tun, was oft übersehen wird. Vernetzte digitale Systeme haben mehr Wissen über Arbeitsvorgänge und können diese anzeigen, besser als es analoge Systeme je tun könnten.