Korallenriffe aus dem 3D-Drucker

27.01.2025

Korallen sind einer der wichtigsten Bestandteile des Ökosystems im Meer. Sie sind der Lebensraum für mehr als ein Viertel aller dort vorkommenden Tier- und Pflanzenarten. Doch die Korallenriffe sterben durch die Folgen des Klimawandels immer weiter aus. Das hat fatale Auswirkungen auf das Ökosystem und die Artenvielfalt im Meer. Um dieses Korallensterben zu verhindern, arbeiten Unternehmen und die Forschung intensiv an Möglichkeiten, um die Riffe wieder aufzuforsten. Eine innovative Lösung für dieses Problem bietet die ING3D GmbH. Sie verwenden ein patentiertes Verfahren, das Mineral Direct Laser Sintering, um den Lebensraum für Korallen, also die Riffe, aus dem 3D-Drucker nachzustellen und so neue Korallen zu züchten. Besonders wichtig ist hierbei das Material für den Druck. Die Firma nutzt hierfür nachhaltiges und ultraleichtes Vulkangestein. Im nachfolgenden Interview spricht unser Moderator Christoph Raithel mit dem Inhaber von ING3D, David Manjura, darüber, wie die Aufforstung der Korallen mithilfe des 3D-Druckers vorangebracht werden kann und welche weiteren Anwendungsfelder es für die innovative Drucktechnologie gibt.

Du kannst mit deinem patentierten Verfahren, dem Mineral Direct Laser Sintering, Elemente eines Korallenriffs nachbauen. Wie bist Du auf diese Idee gekommen?

David Manjura: Ich habe gesehen, dass viele Unternehmen den 3D-Druck für die Herstellung von Korallen zu nutzen. Und das in großer Form und schon seit über 10 Jahren. Man hat es eigentlich kaum mitbekommen. Aber wer sich mit 3D-Druck beschäftigte, konnte feststellen, dass plötzlich Korallenriffe aus Beton, Plastik und allen möglichen Stoffen hergestellt wurden. Diese wurden im Meer versenkt, in der großen Hoffnung, dass sich die Korallenlarven darauf ansetzen und man die Riffe so vergrößert. Ich habe festgestellt, dass der Perlit, den wir nutzen, deutlich besser und passender ist und auch ökologisch vorteilhafter als so mancher Beton. Dieser kann sich nämlich irgendwann auflösen. Und natürlich besser als Plastik, denn wir brauchen nicht noch mehr Mikroplastik im Meer! Daher war die Idee schnell geboren, aus unserem perlitischen 3D-Druckverfahren Korallen zu testen und dann auch in die weite Welt zu gehen und mit Universitäten zusammenzuarbeiten, um daran weiterzuforschen.

Du hast uns so ein Element mitgebracht, einen Würfel aus organischen Formen, ganz hell. Er sieht ein bisschen aus wie heller Quarzsandstein. Was steckt genau drin, was ist das für ein Material? Und ist es umweltfreundlich?

David Manjura: Das ist schon mal richtig, wie ein Quarzstein sieht es aus. Es ist ein Vulkangestein, man nennt es auch Perlit. Chemisch ist es zum größten Teil SiO2, also wie Sand aufgebaut. Umweltfreundlicher ist es im Vergleich zu anderen typischen Materialien, weil wir keine Bindemittel nutzen. Normalerweise benötigt man beim Versuch, einen Stoff in irgendeiner Art und Weise zu formen, eine Art von Verklebung. Wir nutzen dafür tatsächlich einen Laser, eine Laserversinterung, um genau zu sein. Das ist umweltfreundlicher. Nehmen wir zum Beispiel Beton. Um den Beton herzustellen, braucht es 1.500 Grad, die wir erzeugen müssen, also sehr hohe Temperaturen. Dafür werden riesige Anlagen benutzt. Bei uns läuft das ganze lokal. Wir nennen das Verfahren Selective Laser Sintering. Das ist ein selektiver Laser, der nur an den Punkten aufschmilzt, wo es benötigt wird und nicht den gesamten Raum aufheizt. So können wir nur über elektrischen Strom, was ja bekanntlich deutlich vorteilhafter ist als zum Beispiel über Erdgas, Erdöl oder andere negative Energiequellen, selektiv spezifisch dieses Bauteil aufschmelzen. Wir haben eine Solaranlage auf unserem Dach, also haben wir 100 % Solarstrom. Ökologisch gesehen ist das eine gute Sache.

Wie stellt Ihr sicher, dass diese Struktur Eurer Druckelemente das Wachstum der Korallen besonders gut unterstützt?

David Manjura: Wir haben angefangen, mit der Uni Oldenburg zusammenzuarbeiten. Die haben Substrate benötigt, um kleine Muster zu erstellen. Bisher haben sie Steine verwendet und die Korallenlarven darauf gegeben. Aber diese Steine waren immer unterschiedlich, mal ein bisschen poröser, mal ein bisschen offener. Was wir machen konnten, ist mit diesem Verschmelzen durch den Laser verschiedenartige Porosität herzustellen. Wir können es glashart mit einer glatten Oberfläche herstellen oder sehr porös halten, und auch alles dazwischen. Unsere kleinen Korallenlarven werden schnell zu Divas. Die wollen es nicht zu glatt haben, die können sich da nicht richtig festkrallen. Aber wenn es zu porös ist, dann verschwinden sie zwischen den Poren und haben keine Möglichkeit, sich tatsächlich zu entwickeln. Wir haben es so einstellen können, dass sich die Larven optimal darauf festsetzen und genügend Licht bekommen. Wir haben also die optimale Wachstumsumgebung für diese Korallen wiedergegeben, indem wir sie künstlich herstellen und imitieren. Es ist also eine Imitation dessen, was sie benötigen. Normalerweise ist es kalkhaltiges Material, das die Korallen entstehen lässt. Das Meer wird immer wärmer, so kommt es zu einer Übersäuerung und dann zersetzt es den Kalk. Unser Material wird eben nicht von der Säure angegriffen, wir geben so also den Starter oder den Booster. So haben die Korallen eine gute Grundstruktur, die nicht kaputt gemacht wird und damit können sie sich deutlich schneller reproduzieren und aufbauen.

Ich kann mir vorstellen, dass es einige Entwicklungsschritte gebraucht hat, bis Ihr dahin gekommen seid. Wie war der Weg dorthin?

David Manjura: Der Weg war passend zu den Steinen steinig. Es gab natürlich ein Auf und Ab. Man muss die richtigen Personen und die richtigen Unis finden. Wir haben auch einige Tests durchgeführt, bei denen vor allem die Struktur des Materials ausschlaggebend war. Die Standardstruktur der Koralle war nicht unbedingt passend. Es musste diese Gyroid-Struktur, eine mathematische Struktur, sein. Diese bietet viele Vorteile, unter anderem das Verankern. Wir können das ohne Beton oder Ähnliches reindrehen und es findet von selbst Halt. Die Wellenbewegungen unter Wasser tragen dazu bei, den Sand in den Poren immer weiter zu verdichten und damit wird das Ganze stabil. Ein weiteres Thema waren die ganzen Entwicklungsschritte. Ich bin kein Biologe, ich bin selbst Werkstoffingenieur. Das heißt, in die Biologie musste ich erstmal hineinkommen, um zu verstehen, was diese kleinen Tierchen benötigen, um da optimal zu wachsen.

Die Anwendungsfelder von mineralischem 3D-Druck sind so vielfältig, dass es schwierig ist, sich zu fokussieren. Ein weiterer spannender Schritt für uns ist die Arbeit an überirdischen Korallen. Hier sind wir bereits auch mit der Umsetzung beschäftigt.
 
David Manjura
Geschäftsführer, ING3D GmbH

Ihr habt mit Universitäten zusammengearbeitet, aber auch mit Meeresbiologen. Sprecht ihr dieselbe Sprache oder was waren die Herausforderungen, die Euch da begegnet sind?

David Manjura: Also die Herausforderung ist vor allem, dass jeder eine andere Ansicht und eine andere Herangehensweise hat. Wir haben auch nicht nur mit Institutionen zusammengearbeitet. Ich habe natürlich auch bei denen nachgefragt, die den 3D-Druck bereits erfolgreich anwenden. Die Affinität zum 3D-Druck ist relevant, um das Verständnis zu haben und die Produktionsweise zu kennen, außerdem um die Preise abschätzen zu können und um zu wissen, was alles möglich ist. Die größten Probleme bereiten immer die Kommunikation, das Verständnis miteinander und natürlich auch die Zeiträume. Wir sind ein Start-up, wir sind recht agil. Die anderen schicken uns eine Datei, wir drucken sie, am nächsten Tag ist sie fertig und abgeschickt und dann heißt es: Warten, warten, warten. Es dauert eine sehr lange Zeit, bis das Ganze getestet wurde, bis die Korallenlarven heranwachsen.

Wo werden diese Tests durchgeführt?

David Manjura: Das machen wir hauptsächlich im Labor, weil man dort die Bedingungen deutlich einfacher gestalten kann. Wir haben auch angefangen, die Korallen auf den Malediven zu versenken und dort reguläre Tests zu machen, also quasi das reale Leben nachzubilden. Aber es ist deutlich wichtiger, erstmal grundsätzliche Schritte in einer Laborumgebung zu gehen. Was die Larven angeht, sind es Hybridlarven, sie sind extra dafür ausgelegt, um hohe Temperaturen und Salzgehälter auszuhalten. Und dann haben wir natürlich nochmal zusätzlich unseren Booster, um hoffentlich die „Superkoralle“ wiederzubekommen. Das ist das Ziel.

Du hast uns einen Würfel mit einer Kantenlänge von 15 Zentimetern mitgebracht. Ist das die normale Größe, mit der Ihr arbeitet, oder geht das größer?

David Manjura: Tatsächlich ist das nur ein kleines Musterstück. Wir haben eine Pilotanlage entwickelt, in der wir Bauteilgrößen von 50 auf 50 auf 50 Zentimeter Bauteil-Kantenlänge herstellen konnten. Wir können genau dieses Bauteil in der anderen Größe nachbauen. Die 15 Zentimeter haben sich einfach so für Testreihen ergeben. So ist es handelbar. Ich kann es einfach in die Hand nehmen. Ich hätte auch das 50 Zentimeter-Muster mitnehmen können, das wäre ein bisschen schwieriger hier hinzustellen und dafür einen Platz zu finden. Die Bauteile sind leicht. Ein 50-Zentimeter-Bauteil würde 20 Kilogramm wiegen. Wenn es ins Wasser kommt, saugen sich die Poren auf und es würde 40 Kilogramm wiegen, also etwa doppelt so viel. So kann ich es unter Wasser natürlich viel einfacher handeln und das Ganze dann ansiedeln lassen. Wir haben eine Art Bohrer gebaut, der mit seinen Kanten hin und her wackelt im Sand. So kommt der Sand in die Löcher und damit verdichtet es sich nach unten. Wenn mehr Sand kommt, bleibt es umso stabiler.

Wir sprechen hier über einen spannenden Anwendungsfall, nämlich die Aufforstung der Korallenriffe. Hat die Technologie auch noch andere Anwendungsfelder, was könnte noch entstehen?

David Manjura: Die Anwendungsfelder sind vielfältig. Da ist es fast schon schwierig, sich zu fokussieren. Ein weiterer Schritt wäre die Arbeit an oberirdischen Korallen, womit wir auch bereits zu tun haben. Dabei geht es darum, die Biodiversität oberirdisch zu verbessern. Ziel ist es, Flächenversiegelungen wieder aufzuforsten. Es geht dabei ein wenig in Richtung Fassadenbegrünung. Also um alle Systeme, die damit zusammenhängen, weil das Material als Pflanzensubstrat dienlich ist. Perlite sind normalerweise als kleine weiße Kügelchen in der Erde zu finden, die Wasser aufnehmen und den pH-Wert stabilisieren. Sie sind für ein Pflanzenwachstum notwendig. Das haben wir adaptiert, auch bei sehr großen Elementen. Die nächsten Elemente werden bis zu einem Meter große Blöcke sein, die wir jetzt für die nächste Pilotanlage drucken. Dabei handelt es sich dann um oberirdische Elemente. Aber natürlich behandeln wir auch andere spannende technische Themen, zum Beispiel den Brandschutz. Das Material brennt nicht, es hält auch der Temperatur stand, weil es wärmedämmend und sehr leicht ist. Oder auch bei Lithium-Ionen-Akkus, die vor allem in der Automobilindustrie Anwendung finden, sind wir aktuell dabei, den Lithium-Brand zu stoppen. Also die Kettenreaktion innerhalb der einzelnen Lithiumzellen. Hier haben wir Testreihen durchgeführt, in denen wir recht aufwändige, aber für den 3D-Druck sehr passende Elemente herstellen können, um die einzelnen Zellen zu verkapseln und dem Brand, der bei Überspannung oder Ähnlichem entsteht, entgegenzuwirken.

Inwieweit kann sich das Fertigungsverfahren des mineralischen 3D-Drucks branchenübergreifend etablieren und welche Tipps würdest Du Unternehmen geben, die sich bei der Implementierung dieses Druckverfahrens auf den Weg machen wollen?

David Manjura: Grundsätzlich funktioniert es natürlich, wie schon gesagt, in sehr vielen Branchen. Wichtig ist, eine möglichst konkrete Problemstellung zu haben und an dieser zu arbeiten. Ich habe vorhin ja etwa das Thema Brandschutz erwähnt. Aktuell dreht es sich aber auch um Eisen- oder Metallguss und dass der Guss binderfrei ist und dass es, wenn heiße Metalle ins Spiel kommen, zu keiner Ausgasung kommt. Damit können sehr dünne Stege hergestellt werden. Das ist ein Beispiel für ein klares lösbares Problem. Hier ist es sehr relevant, eine gute Kommunikation zu haben. Oftmals neigt man dazu, Probleme aus seiner eigenen Sichtweise zu beurteilen und eben nicht dreidimensional zu denken, also wirklich die Formfreiheit des 3D-Drucks auszunutzen. Deshalb würde ich sagen ist das Wichtigste, wenn branchenübergreifend gearbietet wird, eine sehr klar definierte Kommunikation und auch bei der Ausarbeitung die gleiche Sichtweise zu haben. Damit kann man einen geradlinigen Fortlauf erreichen.

Hören Sie sich das vollständige Interview als Podcast an:

Länge der Audiodatei: 00:16:19 (hh:mm::ss)

David Manjura (ING3D Gmbh) verrät in dieser Folge, wie sein patentiertes Mineral Direct Laser Sinterning Verfahren dabei hilft, Korallenriffe durch 3D-Druck aufzuforsten. Die auf Vulkangestein basierenden Druckerzeugnisse sind nachhaltig und ultraleicht.

Ihr Kontakt

Thomas Eder
+49 911 20671-532
Material und Produktion, Projektmanager, Bayern Innovativ GmbH, Nürnberg

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