Urbanisierung als Treiber für Modernisierung
Betrachtet man die imaginäre Heihe-Tengchong-Linie, die die Fläche Chinas in zwei etwa gleich große Teile aufteilt, so erkennt man, dass östlich der Linie über 90 % der Bevölkerung lebt – ein geodemografischer Ballungsteil, der die Stadtentwicklung der chinesischen Metropole maßgeblich prägen wird. Schon 2013 äußerte der Premierminister Li Keqiang, dass die Urbanisierung der Faktor für Chinas Modernisierung ist. Allein zwischen 2004 and 2014 sind etwa 206 Millionen Menschen Stadtbürger geworden und die UN schätzt, dass bis 2030 weitere 190 Millionen dazu kommen. Was als Konsequenz hat, dass die wirtschaftliche Entwicklung und der Energiebedarf einen radikalen Wandel im Verkehrs- und Transportwesen mit sich bringen wird.
Verglichen mit der Städteentwicklung in Deutschland und deren Mobilitätskonzepten gibt es enorme Unterschiede zu China, die Impulse geben können, entsprechende Anpassungen oder gar einen Wandel voranzutreiben. Passend dazu die Meinung von Pia Blessing, Mobility Expert and Consultant bei Cityinmotion , die auf der letzten „mobilität querdenken“-Veranstaltung des Cluster Automotive im Herbst 2019 Folgendes sagte:
„Mobilität in der Zukunft bedeutet für mich, dass ich für jeden Fahrtzweck mindestens ein Verkehrsmittel zur Verfügung habe, das ich nutze, ohne es zu besitzen, und das mit anderen Modi nahtlos verknüpft ist. Der Gedanke, mit dem Auto zu fahren, wird ersetzt vom Blick auf ein Device, das uns das beste, schnellste, und preiswerteste Verkehrsmittel empfiehlt, um von A nach zu B kommen. Das Ergebnis einer solchen Mobilität sind Städte, deren öffentlicher Raum viel mehr Potenzial für alle birgt!“
In Sachen Ausbau der Infrastruktur, im Gesundheitswesen, bei der energetischen Sanierung von Wohngebäuden und im Bereich Stadtplanung sind Analogien denkbar.
Mobilitätsdienstleister auf dem Vormarsch
Mobilitätsdienstleister wie Didi Chuxing Technology Co. (DiDi), die weltweit größte mobile Transportplattform, übernimmt mit 400 Millionen registrierten Kunden in mehr als 400 chinesischen Städten 25 Millionen Fahrten pro Tag – ungefähr doppelt so viele wie Uber und alle anderen globalen Sharing-Apps zusammen. Mit den chinesischen Verkehrsmanagementbehörden bietet man eine unter dem nickname „DiDi Smart Transportation Brain“ integrierte Lösung für das Verkehrsmanagement in intelligenten Städten an, die bereits in mehr als 20 chinesischen Städten übernommen wurde. Dabei nutzt man die anonymisierten Verkehrsdaten von DiDi sowie Datenressourcen von lokalen Behörden und Geschäftspartnern und ermöglicht so Echtzeitdaten, die Cloud Computing und AI-basierte Technologien nutzen. Die beteiligten Städte verbessern die Verkehrsinfrastruktur, einschließlich Verkehrsflussmessungen. Intelligente Verkehrssignale, umkehrbare Fahrspuren und Verkehrsmanagementprogramme für die Wartungsplanung und Systembewertung sind die Folge.
Aktuell hat VW mit dem Top-Fahrdienstvermittler ein Joint Venture gegründet, um Technologien für lokale Carsharing Dienste von 100.000 Fahrzeugen zu entwickeln. Zum einen, um bei der Entwicklung von autonom fahrenden Autos vom Datenschatz der Chinesen zu profitieren, aber auch, um über Didi den Zugang zu den Kundendaten zu haben, der täglich seinen Mitfahrern in diesen Dimensionen Tür und Tor öffnet.
Smart Mobility Services als Brainpool
Im Rahmen einer Wirtschaftsdelegationsreise Ende 2019 besuchte der Cluster Automotive verschiedene Unternehmen, u. a. die BMW China Services Co. Ltd. , um einen genauen Eindruck zu bekommen, wie man dort vor Ort dem Thema Smart Mobility begegnet. Beim Fraunhofer-Project-Center for Urban Eco-Development an der Shanghai JiaoTong University, einem Gemeinschaftsprojekt von Fraunhofer IBP und der School of Design der Uni, erforscht man neue, intelligente und nachhaltige Lösungen für wachsende Metropolen. Dabei geht es auch um nachhaltiges und digitalisiertes Bauen und das Betreiben von Immobilien, die resiliente Stadtplanung sowie Smart City Technologien.
Konferenz CoSMoS 2020 eröffnet neue Perspektiven
Mit diesen Blickwinkeln aus China gewinnt die vom Cluster Automotive bei Bayern Innovativ organisierte Veranstaltung CoSMoS - Conference on Smart Mobility Services am 10. März 2020 an der TH Ingolstadt ganz neue Perspektiven, da sie den Teilnehmern Analogien und Vergleiche eröffnet. Der Cluster Automotive sieht sich als Multiplikator und ermöglicht den intensiven Austausch zwischen Unternehmen, Hochschulen und Gremien sowie der Politik. Über die Technologie- und Landesgrenzen hinaus vernetzt er relevante Akteure, die sich Impulse über Vorträge wie „Big Data als Enabler für die Mobiliät der Zukunft“ von Holger Hochgürtel von INRIX Europe verschaffen können.