Unternehmensnachfolge als Future Skill: Je früher, desto besser
Nachfolge gestalten statt verpassen
In den kommenden Jahren stehen in Deutschland hunderttausende Unternehmensnachfolgen an: eine Welle, die entscheidend für die Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft ist. Doch viele Übergaben scheitern, weil sie zu spät angegangen oder unterschätzt werden. Dabei ist die Nachfolge kein reiner Verwaltungsakt, sondern ein echter Zukunftsskill. Wer frühzeitig plant, strategisch denkt und offen kommuniziert, kann nicht nur den Fortbestand des Unternehmens sichern, sondern auch neue Potenziale erschließen.
Wie eine erfolgreiche Nachfolge gelingt, welche Fehler Unternehmende vermeiden sollten und warum Unternehmenskultur dabei eine Schlüsselrolle spielt, erklärt Dr. David Hoeflmayr, Experte für Unternehmenszukunft und Nachfolge in unserem aktuellen Interview.
Warum sind Sie ein Experte für Unternehmensnachfolge?
Dr. David Hoeflmayr: Ich war 25 Jahre lang Vorstand oder Geschäftsführer von mittelständischen Unternehmen und hatte da auch immer Investoren im Hintergrund, die das Unternehmen zum Verkauf vorbereiten wollten und es dann auch verkauft haben. Seit einigen Jahren bin ich selbstständig und begleite Unternehmen genau bei diesen Themen und mache sie fit für die Nachfolge.
Warum gehört die Unternehmensnachfolge zu den wichtigsten Future Skills für Unternehmen?
Dr. David Hoeflmayr: Da kommt eine große Welle von Unternehmensnachfolgen auf uns zu. Die KFW macht eine regelmäßige Studie, den Nachfolgemonitor. Dieser besagt, dass das Durchschnittsalter der Firmeninhaber bei 54 Jahren liegt und dass bis Ende 2025 etwa eine halbe Million Unternehmensnachfolgen anstehen. Davon haben es laut der KFW bereits die Hälfte, also 231.000 Firmen, aufgegeben, nach einer Nachfolge zu suchen.
Statistisch gesehen werden von denen, die es noch versuchen, circa 43.000 bis Jahresende scheitern. Vor diesem Hintergrund ist die Frage, was eine gescheiterte Nachfolge eigentlich bedeutet. Meistens enden hierbei Unternehmensgeschichten, Familien zerstreiten sich, Altersvorsorgen oder Vermögen gehen kaputt. Deswegen ist es sehr wichtig, das Thema professionell anzugehen.
Woran liegt dieses große Scheitern?
Dr. David Hoeflmayr: Ein Hauptproblem ist, dass das Thema zu spät angegangen wird. Der optimale Zeitpunkt, um damit zu beginnen ist mit 50 Jahren. Da hat man noch alle Möglichkeiten offen. Viele Unternehmer zögern es heraus, oft sind es beispielsweise in der Familie unangenehme Gespräche oder Kinder, die die Firma vielleicht nicht übernehmen wollen. Für viele Involvierten ist es emotional auch sehr schwer, von der Firma loszulassen. Was auch oft unterschätzt wird, ist die Komplexität eines solchen Verkaufs. Da muss man schon ein bis zwei Jahre Zeit und sehr viel Arbeit reinstecken, um das ordentlich durchzuführen. Es wird also ein bisschen verschlampert, weil es ein großes und teilweise etwas unangenehmes Thema ist. Das ist das Hauptproblem.
Gibt es typische Denkfehler, die Unternehmerinnen und Unternehmer bei der Nachfolgeplanung machen?
Dr. David Hoeflmayr: Ein Denkfehler, den ich schon angesprochen hatte, ist das Unterschätzen des Themas. Es ist ein Riesenprojekt, das man frühzeitig und mit viel Kraft und Energie systematisch angehen muss. Ein zweiter Denkfehler liegt oft auch zwischen den Generationen. Die Jungen glauben zu wissen, wie die ältere Generation denkt, die Übergebenden wissen nicht genau, wie sie es bei den Kindern ansprechen sollen.
Hier sind oftmals Erwartungen oder Missverständnisse im Raum, die es nicht geben würde, wenn man richtig über das Thema spricht. Ein drittes Problem, das ich öfter sehe, ist dass die Unternehmer bei einem Verkauf glauben, dass das Unternehmen hochattraktiv ist, dass es viele Interessenten gibt und dass der Kaufpreis, den man erzielen kann, attraktiv ist, wobei es in Wirklichkeit oft gar nicht so ist.
Die aktuelle Unternehmergeneration besteht größtenteils aus Männern. Wie sieht es diesbezüglich mit der Nachfolgegeneration aus? Wird es mehr Unternehmerinnen geben?
Dr. David Hoeflmayr: Absolut. Ja, es sind in der aktuellen Generation noch etwas 95 Prozent Männer, für die die Nachfolge jetzt ansteht. Die übernehmende Generation geht fast in ein 50/50-Verhältnis über. Da gibt es ganz viele großartige Töchter, die das Thema spannend finden. Es gibt auch viele Kandidatinnen, die bereit sind, eine Firma zu übernehmen.
Welche Rolle spielt die individuelle Unternehmenskultur bei einer erfolgreichen Nachfolge?
Dr. David Hoeflmayr: Das spielt sich auf verschiedenen Ebenen ab. Ein Haupthinderungsgrund für die Nachfolge ist, dass die Unternehmen zu sehr auf den Unternehmer zugeschnitzt sind, dass also die eine Person mit den Kunden, den Lieferanten, oder den Banken redet und alles weiß und selbst regelt. Da überlegt sich jeder Nachfolgende, ob es überhaupt möglich ist, in diese Fußstapfen zu treten und da sagen viele „nein, das kann ich nicht“. Deswegen ist diese Inhaberabhängigkeit ein Hindernis. Andersherum ist eine Firmenkultur, in der alles eher dezentral entschieden wird, wo es ein starkes Managementteam gibt und die Aufgaben gut verteilt sind, viel attraktiver und vor allem resilienter, wenn ein Verkauf oder eine Nachfolge stattfindet. Das bringt eine Firma besser durch eine solche turbulente Phase und ist auch für die Nachfolgenden viel attraktiver aus Arbeitnehmersicht. Auf vielen Ebenen ist die Unternehmenskultur ein entscheidender Faktor.
„Wenn ein Unternehmen stark vom Inhaber abhängt, kann der Wert um bis zu 80 % sinken – selbst bei guter Profitabilität. Was viele unterschätzen: Dreht sich alles um den Chef, leidet der Unternehmenswert. “
Dr. David Hoeflmayr
Inhaber, David Hoeflmayr
Was empfehlen Sie demnach einem Unternehmen, in dem die Abhängigkeit vom Inhaber sehr groß ist?
Dr. David Hoeflmayr: Es gibt ein Unternehmensbewertungsverfahren, welches eine Firma anhand ihrer Profitabilität anschaut und dazu dann anhand von zehn Punkten die Inhaberabhängigkeit bewertet. Darauf basierend werden dann Abschläge von bis zu 80 Prozent gemacht. Denn wenn sich alles um den Chef dreht, dann ist die Firma nicht viel wert. Es ist also wichtig, sich diesen Faktor auch anzuschauen und eine Bewertung durchzuführen. Dabei ist es auch hilfreich, sich die verschiedenen Bereiche der Inhaberabhängigkeit anzuschauen, um zu sehen, was getan werden kann. Wenn beispielsweise die Kunden sehr stark am Firmeninhaber hängen, dann sollte man sich damit beschäftigen, diese Kundenbeziehungen weiterzugeben. Wenn ein Chef vieles im eigenen Kopf für sich organisiert, sollte man versuchen, die Prozesse zu dokumentieren und festzulegen, um dieses Wissen auch zu verteilen. Ich würde das Stück für Stück angehen. Das ist zwar ein schlimmer Gedanke, aber man sollte sich die Frage stellen, was im Unternehmen nicht mehr funktionieren würde, wenn der Chef plötzlich dauerhaft ausfällt.
Welche ersten Schritte empfehlen Sie Unternehmen, die sich mit dem Thema der Nachfolge befassen wollen?
Dr. David Hoeflmayr: Konkret ist es immer gut, eine Unternehmensbewertung zu machen. Das muss nicht kompliziert sein, es gibt eine Reihe von guten und kostenlosen Online-Tools, in die man einfach ein paar Daten anonym eingeben kann. So bekommt man ein erstes Gespür dafür, was bei einem Verkauf herauskäme, und so kann man sich dann Gedanken machen, ob das beispielsweise für die eigene Altersvorsorge ausreichen würde. Andere Themen, mit denen man sich beschäftigen muss, sind auch die Steuern und wie man diese Bezahlt, ob also die Liquidität gegeben ist. Das ist eigentlich ein Zahlenspiel, das sehr viel bewegt. Was ich auch wichtig finde, ist, dass die Familie über die Nachfolge ins Gespräch kommt. Dass sich die Involvierten alle Fragen stellen, die man wissen muss, die zu klären sind. Die Optionen sollten durchdiskutiert werden. Das ist ein schwieriges Thema, aber das muss trotzdem schnell angegangen werden.
Ist es sinnvoll, die Nachfolge auch im Team und mit den Mitarbeitenden zu thematisieren?
Dr. David Hoeflmayr: Es kommt darauf an. Manchmal verunsichert es die Mitarbeitenden, wenn ein anstehender Führungswechsel oder Unternehmensverkauf die Runde macht. Das kann blockieren. Manchmal sind auch Kunden, Lieferanten oder sogar Banken eher vorsichtig, solange das Thema nicht gelöst ist. Es kann also auch Nachteile haben, wenn man zu früh öffentlich oder mit den Mitarbeitenden über dieses Thema spricht. Die meisten besprechen die Nachfolge erstmal in der Familie und versuchen eine grundsätzliche Lösung zu finden, um dann die Mitarbeitenden einzubinden, wenn es sinnvoll ist und sie passend damit umgehen können. Für viele Involvierte bedeutet das viel Stress, mit dem sie umgehen müssen, deshalb würde ich es nicht zu früh ansprechen.
Können Netzwerke, wie die bei Bayern Innovativ, bei der Unternehmensnachfolge hilfreich sein?
Dr. David Hoeflmayr: Es gibt allgemein verschiedene tolle Angebote, wie beispielsweise die Unternehmensbewertung. Es gibt auch eine Unternehmensbörse, bei der man sehen kann, welche Unternehmen es noch gibt und wie der Markt aussieht. Deshalb finde ich es sehr gut, dass auch Bayern Innovativ ein breites Beratungsangebot u. a. mit den Schwerpunkten Transformation, Innovationsmanagement, Patentschutz u. v. m. stellt. Das ist wahnsinnig wichtig.
Wo finden Unternehmerinnen und Unternehmer potenzielle Nachfolger, wenn sich niemand aus der eigenen Familie zur Übernahme bereiterklärt?
Dr. David Hoeflmayr: Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten. Man kann erst einmal im eigenen Management schauen, ob sich beispielsweise eine Geschäftsführung für die Übernahme interessiert. Was ich bei den Kindern der Unternehmer oft beobachte, ist, dass sie gar nicht nein sagen, sondern dass es ihnen einfach wahnsinnig schwerfällt, die Entscheidung zu treffen, ob sie übernehmen wollen oder nicht.
Ich bin beispielsweise aktuell in der Beratung mit einer jungen Frau, die gerade am Ende ihres Studiums ist und noch nicht weiß, ob sie das elterliche Unternehmen übernehmen möchte. Die Eltern wollen sich aber langsam zurückziehen. In dem Fall arbeiten wir mit einem Beirat und einer angestellten Geschäftsführung, die ihr die Tür erstmal für ein paar Jahre offen hält, sodass sie sich erst nach einiger Zeit entscheiden muss.
Ich würde erstmal alle Möglichkeiten durchdiskutieren, bevor man an den Verkauf geht und wenn verkauft wird, würde ich es über einen strukturierten Prozess machen, dass man möglichst viele Interessentenkreise gleichzeitig anonym anspricht, um einen Vergleich zu bekommen.
Es gibt viele tolle Nachfolgeunternehmer, die Lust haben, in ein Unternehmen einzusteigen, die aber noch nicht die finanziellen Möglichkeiten dafür haben. Und dafür gibt es auch oft Wettbewerber oder Investoren oder Lieferanten, die Interesse am Kauf haben.
Man sollte allerdings dafür sorgen, dass man die unterschiedlichen Angebote alle gleichzeitig einholt. Denn wenn die Angebote nach und nach kommen, kann man sich immer nur einmal zwischen ja oder nein entscheiden. Mit dem richtigen System kann man alle zur selben Zeit ansprechen und hat so mehr Auswahlmöglichkeiten, wobei meistens auch ein besserer Kaufpreis oder auch eine passendere Person herauskommt.
Sie kümmern sich in Ihrer Firma auch stark um die Wertsteigerung von Unternehmen. Wie funktioniert das?
Dr. David Hoeflmayr: Am Anfang machen wir immer eine Unternehmensbewertung und versuchen, uns ein Bild von außen auf das Unternehmen zu machen. Wir schauen uns an, wie attraktiv das Unternehmen für einen Bewerber oder für die interne Familiennachfolge ist und welche Stärken, Schwächen oder auch Risiken gegeben sind.
Beispielsweise haben manche Unternehmen nur wenige starke Kunden, an denen sie hängen oder wenige Lieferanten, von denen sie abhängig sind.
Ich habe selbst früher für ein Handelsunternehmen von Apple gearbeitet, bei dem Apple mit seinen eigenen Apple Stores auf einmal vom Hauptlieferanten zum Hauptwettbewerber wurde. Also solche Abhängigkeiten können Käufer abstoßen.
Im Endeffekt stellt man Maßnahmen, um den Ertrag des Unternehmens zu steigern, um solche Risiken zu minimieren, indem man beispielsweise auf mehrere Lieferanten setzt oder die Kunden und Märkte erweitert. So wird eine Maßnahmenliste erstellt und dann Stück für Stück umgesetzt.
Was raten Sie Unternehmen, die die Nachfolge als echte Zukunftskompetenz erfolgreich gestalten möchten?
Dr. David Hoeflmayr: Am wichtigsten ist es, das Thema frühzeitig, beherzt und mutig anzugehen. Je später man es anpackt, desto älter ist man und manche haben dann vielleicht auch nicht mehr so viel Lust darauf oder haben sich abhängen lassen.
Hintenraus ist es immer schwieriger und es gibt auch weniger Optionen. Wenn man sich aber ein paar Jahre Zeit lässt, ideal sind 5 Jahre, dann kann man einerseits auch steuerlich noch einiges rausholen und andererseits hat man noch alle Gestaltungsmöglichkeiten und die Motivation, anzupacken.
Das Interview führte Barbara Groll, Media Relations, Bayern Innovativ GmbH, Nürnberg.
Länge der Audiodatei: 00:19:53 (hh:mm:ss)
Future Skill Unternehmensnachfolge: Verantwortung weiterdenken, um Zukunft zu schreiben (17.09.2025)
Eine gut geplante und gestaltete Nachfolge ist weit mehr als nur ein Verwaltungsakt. Sie entscheidet nicht nur über die Zukunft von Unternehmen, sondern beeinflusst auch Innovationskraft, Mitarbeitersicherheit und regionale Wertschöpfung.
Moderatorin Barbara Groll spricht mit Dr. David Hoeflmayr. Er ist Experte für Unternehmenswertsteigerung und weiß, wie Nachfolgeprozesse erfolgreich gestaltet werden.
Ihr Kontakt
Das könnte Sie auch interessieren
Bayern Innovativ Newsservice
Sie möchten regelmäßige Updates zu den Branchen, Technologie- und Themenfeldern von Bayern Innovativ erhalten? Bei unserem Newsservice sind Sie genau richtig!