
28. Februar 2025 – Tag der seltenen Erkrankungen – wenn kaum jemand helfen kann
In Deutschland leben vier Millionen Menschen mit einer seltenen Erkrankung, in der EU sind es etwa 30 Millionen. Eine so hohe Zahl, und doch bleibt dieses eine Wort: selten. Das bedeutet für Europa, dass eine Erkrankung maximal eine von 2.000 Personen betrifft, also 0,05 % der Bevölkerung. Insgesamt gibt es mehr als 6.000 bekannte seltene Erkrankungen, und jedes Jahr kommen etwa 250 neue hinzu. Denn viele dieser seltenen Erkrankungen sind noch unbekannt, ebenso wie ihre Ursachen. Im Großen und Ganzen lässt sich jedoch festhalten: Häufig liegen die Wurzeln solcher Krankheiten in der Genetik, und sie haben meistens chronische, fortschreitende sowie lebensbedrohliche Verläufe.
Der Weg zu einer Diagnose ist oft lang und beschwerlich, erklärt Prof. Dr. med. Beate Winner, Leiterin und Sprecherin des Zentrums für Seltene Erkrankungen am Universitätsklinikum Erlangen: „Seltene Erkrankungen betreffen oft komplexe, schwer zu diagnostizierende Krankheitsbilder, die spezialisierte Expertise und interdisziplinäre Zusammenarbeit erfordern. Diese wird in Zentren für Seltene Erkrankungen wie dem Zentrum für Seltene Erkrankungen Erlangen (ZSEER) gebündelt, wo Diagnose, Versorgung, Therapie sowie Lehre und Forschung miteinander verknüpft werden. In den letzten Jahren wurden hier verbindliche Standards etabliert und an vielen deutschen Universitätskliniken sind ZSE entstanden. Das ZSEER wurde 2017 vom Universitätsklinikum Erlangen und der Medizinischen Fakultät der FAU Erlangen-Nürnberg gegründet und ist seit 2024 als 15. deutsches ZSE zertifiziert. Ohne solche Zentren bleiben viele Patientinnen und Patienten jahrelang ohne klare Diagnose und passende Behandlung.“ In Deutschland gibt es aktuell 36 dieser Zentren, die tagtäglich ihr Bestes geben, um Diagnosen zu stellen und Behandlungsoptionen zu finden.
Wenn Medizin zur Detektivarbeit wird
In diesen Zentren für Seltene Erkrankungen arbeiten Menschen tagtäglich daran, Symptome und Unregelmäßigkeiten von Krankheiten aufzudecken. Doch auch an anderen Stellen wird geforscht und entwickelt. Denn neue Technologien und Innovationen können die Spurensuche nach seltenen Erkrankungen und damit die medizinische Diagnostik revolutionieren. So kann beispielsweise die Genomsequenzierung dazu beitragen, seltene Erkrankungen schneller zu diagnostizieren. Dabei wird das gesamte Erbgut (Genom) einer Person analysiert und auf krankheitsauslösende Varianten untersucht. Über Projekte, die sich intensiv mit diesem Verfahren beschäftigen, berichtet Winner: „Die genetische Diagnostik und personalisierte Medizin spielen eine immer größere Rolle. Im Rahmen neuer Projekte, wie dem von den Krankenkassen finanzierten Modellvorhaben zur Genomsequenzierung bei seltenen Erkrankungen, erwarten wir grundlegende neue Erkenntnisse. Gemeinsam haben wir in Bayern unter der Leitung von Professor Thomas Meitinger (TUM) ein Forschungsprojekt durchgeführt, in dem spezifische Genome von Patientinnen und Patienten mit seltenen Erkrankungen untersucht wurden, um mehr genetische Ursachen aufklären zu können.“
Auch andere Verfahren und Projekte zeigen das Innovationspotenzial im Bereich der seltenen Erkrankungen. Dr. Stefanie Dukorn, Head of Quality Management and Regulatory Affairs der numares AG, stellt weitere Methoden vor. Das Unternehmen nutzt Serum- und Urinbasierte Biomarker für die Diagnostik: „Wir verwenden die Kernspinresonanzspektroskopie (NMR), um zahlreiche bekannte und neu entdeckte Biomarker aus einer einzigen Probe zu quantifizieren. Maschinelles Lernen identifiziert die wenigen, spezifischen Metaboliten, die für die Diagnose relevant sind. Die Metabolitenanalyse ist eine Technik, die zur Diagnostik seltener Erkrankungen eingesetzt werden kann, indem die Konzentration von Metaboliten im Blut oder anderen Körperflüssigkeiten bestimmt. Diese Analyse kann helfen, Veränderungen im Stoffwechsel zu erkennen, die auf spezifische Erkrankungen hinweisen können.“ Nach der Probenentnahme und Untersuchung können die Daten verglichen und Abweichungen identifiziert werden. Hinweise auf eine Erkrankung lassen sich dann aus den Daten gewinnen.
Trotz neuer Ansätze und Technologien wie denen von numares sieht Beate Winner weiterhin große Herausforderungen in der Therapie seltener Erkrankungen: „Derzeit gibt es nur für etwa 5 % der seltenen Erkrankungen eine Therapiemöglichkeit; es bleibt also viel zu tun. Der Weg zur richtigen Diagnose und Behandlung ist oft lang – mehr Forschung und Förderung sind dringend nötig.“ Erfreulicherweise zeigt die moderne Medizin bereits Fortschritte. So können Patientinnen und Patienten mit Mukoviszidose heute eine Lebenserwartung von über 40 Jahren erreichen. Zum Vergleich: 1938 lag die durchschnittliche Lebenserwartung noch bei sechs Monaten.
Aufbruch in eine bessere Zukunft
Der „Tag der seltenen Erkrankungen“ ist ein wichtiger Anlass, um die Aufmerksamkeit auf diese Personen und deren Krankheiten zu lenken. Trotz der Tatsache, dass Millionen von Menschen in Europa betroffen sind, gibt es noch großes Potenzial in der medizinischen Versorgung. Daher ist es in Zukunft essenziell, neue Technologien nicht nur für die Diagnose, sondern auch für die Behandlung und Begleitung von Patientinnen und Patienten mit seltenen Erkrankungen zu entwickeln und in die Versorgung zu integrieren.
Besonders wichtig ist es, dass spezialisierte Zentren für seltene Erkrankungen, wie das ZSEER in Erlangen, durch interdisziplinäre Zusammenarbeit mit innovativen Unternehmen wie numares neue Ideen und Lösungswege erarbeiten, um sowohl Diagnose als auch Behandlung kontinuierlich zu verbessern. Eines aber bleibt klar: Mehr Forschung, mehr Förderung und ein stärkeres Bewusstsein für seltene Erkrankungen sowie die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten sind dringend notwendig. Bei der Bayern Innovativ GmbH setzen wir uns dafür ein, Innovationen im Bereich seltener Erkrankungen zu unterstützen und die relevanten Beteiligten zusammenzubringen. Nur durch einen engen Austausch können Hürden gemeinsam überwunden und neue Technologien entwickelt werden, die den Weg für eine bessere Zukunft ebnen.
Das könnte Sie auch interessieren
Bayern Innovativ Newsservice
Sie möchten regelmäßige Updates zu den Branchen, Technologie- und Themenfeldern von Bayern Innovativ erhalten? Bei unserem Newsservice sind Sie genau richtig!