Kein Ende für Erdgas in Sicht
Gasbranche zwischen Gegenwart und Zukunft: Erdgas bleibt Rückgrat, während Deutschland auf Wasserstoff wartet
07.10.2025
Quelle: E & M powernews
In Berlin traf sich die Gasbranche zur Konferenz des Handelsblatts. Zentrales Thema waren die Zukunft des Erdgases und das Warten auf Wasserstoff.
Am 16. und 17. September diskutierten Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Forschung die Zukunft der Moleküle im Energiesystem. Da Wasserstoff nur langsam kommt, bleibe Erdgas noch etliche Jahre ein Rückgrat der europäischen Energieversorgung, so das Fazit.
Eine politische Diskussionsrunde bezog sich weitgehend auf die Vorstellung des Monitoringberichts von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU). Nina Scheer, energiepolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, begrüßte, dass die Ministerin sich zur Klimaneutralität 2045 bekannt hatte. Allerdings müsse dies auch mit politischen Maßnahmen gestützt werden, von denen sie noch nicht genug gehört habe.
Für den Bau neuer Gaskraftwerke sehe sie als Mitglied der Regierungskoalition eine Leistung von 20.000 MW als absolutes Maximum. Es solle nicht mehr gebaut werden als unbedingt für die Versorgungssicherheit nötig, um keine neue fossile Abhängigkeit zu zementieren. „Jedes Megawatt muss gut begründet werden“, forderte sie vom Koalitionspartner. Sie betonte die Kosteneffizienz in der Energiepolitik, auch gerade bei der Förderung des Wasserstoffhochlaufs.
Andreas Lenz, energiepolitischer Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion, teilt die Sicht von Ministerin Reiche, zuerst die Backup-Kraftwerke zu bauen. Nur sie gewährleisteten im Falle von zu wenig Wind und Sonne die Versorgungssicherheit. Und schließlich könnten die Erdgaskraftwerke künftig auf Wasserstoff umgestellt werden.
Industrieabwanderung verhindern
Für die Opposition nahm Michael Kellner, energiepolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, an der Diskussion teil. Er zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis des Berichts. „Das Problem ist nicht der Monitoringbericht, sondern die Mutlosigkeit der Ministerin angesichts der Schlussfolgerungen und politischen Maßnahmen daraus“, sagte Kellner.
Es sei falsch, einen aktuell nicht so stark steigenden Strombedarf als schicksalhaft anzusehen, wie auch die drohende Abwanderung der energieintensiven Industrie. Er riet zu einer neuen Runde von Differenzverträgen, um der Industrie, besonders Branchen wie Stahl und Zement, bei der Umstellung auf klimafreundliche Technologien zu helfen und sie in Deutschland zu halten.
Gasversorgung für den Winter sicher
Für das Bundeswirtschaftsministerium (BMWE) kam Bernhard Kluttig zur Konferenz. Der Abteilungsleiter für Wirtschaftsstabilisierung, Energiesicherheit, Gas, Wasserstoffinfrastruktur im BMWE zeigte sich überzeugt, dass auch ohne Eingriff der Regierung die Gasspeicher für den kommenden Winter gut gefüllt werden. Ein rein nationaler Blick sei natürlich im verbundenen Europa zu kurzsichtig, deshalb gebe es die EU-Ziele, die auch kontrolliert würden.
Allerdings müsse man wachsam sein gegen mögliche Angriffe auf die Gasinfrastruktur, insbesondere durch Sabotageakte. Das gelte vor allem auch für die drei unterseeischen Pipelines für Gas aus Norwegen. Daher sei es nötig, die vorgesehenen LNG-Terminals tatsächlich auszubauen, da dann notfalls maximal bis zu 70 Prozent des deutschen Bedarfs als LNG importiert werden könnten.
Die vorhandenen Sicherheitsbehörden müssten besser verschränkt werden und zusammenarbeiten, um Gefährdungen kritischer Infrastruktur abzuwehren. „Wir sind da noch etwas hinter der Kurve und können viel von unseren nordischen Nachbarn wie Finnland und Norwegen lernen“, sagte der Abteilungsleiter.
Wasserstoffkernnetz kommt sicher
Auch wenn der Staat aktuell Eigentümer an den Gasimporteuren Sefe und Uniper ist, mische er sich nicht in das operative Geschäft ein. Dennoch wünscht Kluttig sich mehr langfristige Lieferverträge und weniger Einkäufe am Spotmarkt wie aktuell üblich. Falls wirklich die EU, wie von US-Präsident Trump gefordert, für 750 Milliarden Dollar Brennstoffe wie Gas importiere, könne man es bei Überschüssen auch am Weltmarkt weiterverkaufen, sagte Kluttig.
Wasserstoff sei mit Sicherheit ein Gas der Zukunft, auch wenn aktuell einige Projekte abgesagt oder verzögert werden. Das Wasserstoffkernnetz komme auf jeden Fall, so Kluttig. So würden noch in diesem Jahr 400 Kilometer der Opal-Gasleitung von Lubmin nach Süden umgewidmet. Er hält Klimaschutzverträge (CfD) für ein gutes Mittel, um Investitionssicherheit für Unternehmen zu schaffen. Das habe auch Wirtschaftsministerin Reiche betont.
Wärmewende endlich starten
Wegen der langsamen Wärmewende dominieren weiter Erdgasheizungen in Haushalten und Gewerbe. „Wenn heute weiter Gasheizungen eingebaut werden, die 30 Jahre laufen, gibt es bis 2045 keine Wärmewende zu erneuerbaren Energien“, mahnte Annika Rittmann, Sprecherin der Bundesebene der Klimaschutzinitiative Fridays for Future. Auf dem Gaskongress forderte sie klare politische Vorgaben, bis wann Erdgas nicht mehr zum Heizen verwendet werden darf. Andernfalls fließe weiter viel Geld in die falschen Kanäle. Zudem müssten Gasnutzer künftig immer mehr Geld für CO2-Abgaben zahlen, was nicht ausreichend vermittelt werde.
Für den Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) unterstrich Mitgeschäftsführerin Kirsten Westphal, dass auch Kommunen und Energieunternehmen Klarheit benötigen. Zugleich seien sie aber an ihre Versorgerpflichten gebunden. Erdgas sei klimafreundlicher als Kohle oder Öl. Erneuerbare Alternativen seien auch im Fernwärmebereich zunächst teurer, weshalb es eine verlässliche staatliche Unterstützung für die Umsetzung der kommunalen Wärmewende geben müsse.
Ohne klare Aussagen der Politik zur Wärmewende könnten weder Kommunen noch Hausbesitzer handeln, kritisierte auch Felix Matthes, Research Coordinator Energy & Climate vom Öko-Institut. Leider sei von der Bundesregierung außer der Aussage im Koalitionsvertrag, das Gebäudeenergiegesetz (GEG) zu verändern, bislang nichts zu hören. Wahrscheinlich erst im Frühjahr 2026 werde die GEG-Novelle kommen, erwartet er.
2025 schlechtestes Heizungsbauerjahr
„Wir laufen auf das schlechteste Heizungsjahr seit Jahrzehnten hinaus“, beklagte Markus Staudt, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Heizungsindustrie (BDH). Wegen der unklaren Politik und Förderlandschaft passiere im Moment nichts im Heizungskeller. Das sei dramatisch für die Heizungsunternehmen, aber auch für die unabdingbaren Arbeiten, die sich aufstauen. „Wir müssten jedes Jahr 1 Million Geräte tauschen, die meisten sind 30 Jahre alt“, beschrieb Staudt.
Im Ausbautempo des vergangenen Jahres benötige die Branche 38 Jahre, um den Heizungswechsel zu vollziehen, das sei viel zu lange für das Ziel der Klimaneutralität bis 2045. Auch die Gebäudesanierung hinke allen Zielen und Erfordernissen hinterher, bedauerte Staudt. Das mache das Heizen, beispielsweise mit einer Wärmepumpe, unnötig energieintensiv und teuer.
Ohne Industrie keine Steuereinnahmen
Aus Sicht der Netzbetreiber sieht Andreas Schick, Geschäftsführer der Netze-Gesellschaft Südwest, die Wärmewende. „Die kommunale Wärmeplanung allein genügt nicht, es muss auch genug Geld für die Umsetzung geben“, sagte er. Angesichts der schlechten Kassenlage vieler Kommunen könnten sie das ohne Hilfen nicht stemmen. Zudem rentiere sich ein neues Wärmenetz nur, wenn sich genügend Abnehmer anschließen.
„Solange das Heizen mit Gas halb so teuer ist wie Fernwärme, wird es schwer, die Menschen davon zu überzeugen“, sagte Schick. Für das aktuelle Stromnetz sei es zudem problematisch, den massiv steigenden Anschluss von Wärmepumpen zu bewältigen. „Der Netzausbau aber ist teuer und dauert länger, auch wegen der Lieferfristen wichtiger Bauteile wie Trafos und Ähnlichem“, beschrieb er. In seinem Netzgebiet brechen aktuell auch schon industrielle Abnehmer weg. Das führe zu weniger Steuereinnahmen, mehr Arbeitslosen und mangelnden Partnern für die Abwärmenutzung, konstatierte Schick.
Autorin: Susanne Harmsen
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