Simulation – auf dem Weg zur virtuellen Inbetriebnahme, Absicherung und Freigabe

Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen stehen vor der großen Herausforderung digitale Technologien in ihrer eigenen Produktion und im Engineering anzuwenden. Das betrifft auch die Simulation, wie sie zum Beispiel bei der virtuellen Inbetriebnahme (VIBN) von Maschinen und Anlagen eingesetzt wird. Mit ihr lassen sich Kosten sparen, Planungs- und Programmierzeiten verkürzen, das Risiko von Fehlern reduzieren und die Qualität von Anlagen und Maschinen verbessern. Simulieren lassen sich darüber hinaus die Bauteileigenschaften im Fertigungsprozess auf Basis von Prozessparametern zur optimalen Gestaltung von Fertigungsprozessen. Auch die Restlebensdauer von Komponenten lässt sich simulieren, um durch vorausschauende Wartung mögliche Ausfälle zu vermeiden und die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen.

Simulation in der Produktion

Aktuelle Einblicke in Forschung und Praxis der Simulation

Eine Runde aus Expertinnen und Experten gab im März 2022 im Rahmen der Webinarreihe „Eine Brücke zwischen Wissenschaft und Industrie – Aus der Forschung in die Praxis“ interessante Einblicke in den Stand der Simulation und wie sie sich ganz konkret in der Praxis einsetzen lässt.

Simulation bei der virtuellen Inbetriebnahme

Prof. Dr.-Ing. Ronald Schmidt-Vollus, Inhaber der Forschungsprofessur für Steuerungstechnik an der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm, erläutert die Vorgehensweise bei der virtuellen Inbetriebnahme von Maschinen und Anlagen. Die Simulation hat dabei die Aufgabe, das Verhalten der realen Maschine nachzubilden, bevor sie in Betrieb geht. Im Simulationsmodell werden sämtliche Daten der Anlage bzw. Maschine erfasst. Synonym spricht man deshalb vom digitalen Zwilling. Alle Planungen, Erweiterungen oder Änderungen können auf dem digitalen Zwilling virtuell kosten-und zeitsparend umgesetzt und getestet werden. Dadurch ergeben sich sowohl Vorteile für den Konstruktionsprozess als auch für die reale Inbetriebnahme, den Betrieb, die Instandhaltung sowie mögliche Reparaturen und Erweiterungen der Maschinen und Anlagen.

Bei den möglichen Testkonfigurationen kann dabei die Steuerung real mit der Maschine verbunden werden (Hardware in the Loop) oder rein virtuell (Software in the Loop). So lassen sich Simulationen sogar in Echtzeit durchführen. Mögliche Fehlplanungen werden rechtzeitig ausgeschlossen und die Qualität der Maschinen und Anlagen optimiert. Für welche Software-Tools und Simulationsmodelle sich die Maschinen- und Anlagenbauer entscheiden, sollte im Vorfeld einer gründlichen Kosten-Nutzen-Analyse unterzogen werden, rät Prof. Schmidt-Vollus. Hier sollte man besonders die Tools ins Visier nehmen, die die passenden Baustein-Bibliotheken mit anbieten. Dann stellt die virtuelle Inbetriebnahme sowohl für kleinere als auch mittelständische Unternehmen eine hervorragende Möglichkeit dar, um bei der Inbetriebnahme von Produktionsmaschinen und -anlagen viel Zeit und Geld zu sparen. Darüber hinaus empfiehlt er den VDMA-Leitfaden „Virtuelle Inbetriebnahme – Handlungsempfehlungen zum wirtschaftlichen Einstieg“.

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Numerische Prozesssimulation und digitale Bauteilzwillinge

Prof. Dr.-Ing. Andrey Prihodovsky von der Technischen Hochschule Deggendorf gibt Einblicke aus der prozessbestimmten Perspektive auf das Thema Simulation. Als Spezialist im Bereich der numerischen Prozesssimulation und Leiter einer wissenschaftlichen Gruppe am Technologie Campus Parsberg-Lupburg beschreibt er die Rolle von digitalen Bauteil-Zwillingen. Dabei handelt es sich um virtuelle Abbildungen von Bauteilen, die Informationen über Geometrie, Materialien , Fertigungsprozesse, Eigenschaften, Zustände usw. von Bauteilen beinhalten. Sie sind unter anderem notwendig für die Optimierung von Fertigungsprozessen, für die Vorhersage von Funktionalität und Lebensdauer sowie für die virtuelle Inbetriebnahme. Dies beschreibt Prof. Prihodovsky am Beispiel von Schweißprozessen und geschweißten Bauteilen sowie von Prozessen der Additiven Fertigung. Entscheidend für ihn: Bekommen wir bei der Modellierung und Simulation von unseren Prozessen tatsächlich allein aus der Maschinendarstellung die Informationen über die Bauteile und wie sie sich im realen Betrieb verhalten werden?

Als Ergebnis lässt sich festhalten:

  • Numerische Prozesssimulation ist ein vielseitiges Werkzeug zur Abbildung physikalischer Vorgänge in Bauteilen und zur Vorhersage von Endeigenschaften.
  • Digitale Bauteil-Zwillinge, die durch die numerische Prozesssimulation entstehen, bilden mit weiteren digitalen Zwillingen eine Grundlage für die virtuelle Inbetriebnahme, Absicherung und Freigabe von Produktionsprozessen.
  • Für mehr Effizienz, Genauigkeit und Automatisierung der Modellbildung ist allerdings eine Weiterentwicklung der Simulationsmethoden notwendig.

Kritische Zustände von Komponenten vorausschauend vermeiden

Welchen Nutzen die Simulation in der Praxis haben kann, schildert Teresa Alberts, CEO, ITficient AG in ihrem Beitrag „Digitale Zwillinge zur Restlebensdauer-Simulation in steirischen Wasserkraftwerken“ sehr anschaulich am Beispiel eines Ermüdungsbruchs einer Verstellstange im Donaukraftwerk Aschheim. Dieser führte zu einem Anlagenausfall von drei Monaten. Um dies in Zukunft zu vermeiden, setzt man bei Verbund auf die Zustandsüberwachung kritischer Komponenten durch einen simulationsbasierten digitalen Zwilling. Dazu nutzt man das Wissen, das ein 2018 gestartetes Pilotprojekt in Rabenstein ergeben hat. Hier wurde in einem ersten Schritt der digitale Zwilling eines Verstellhebels analysiert, indem die Punkte mit den meisten Spannungen getrackt wurden. Denn genau diese haben Einfluss auf die Lebensdauer der Komponente. So konnte eine Betriebsfestigkeitsprüfung nach FKM (Festigkeitsnachweis für Maschinenbauteile) durchgeführt werden. Durch die Simulation wurden Dashboards erstellt, die zentral für die Visualisierung der gewonnenen Werte und Daten sind. Vom Laufrad über den Kolben bis hin zum Flügel – nach und nach wurden weitere Komponenten auch im Zusammenhang betrachtet und die kritischen Stellen visualisiert. Damit war die Basis für eine zustandsbasierte Wartung gelegt.

Von Seiten der Themenplattform Digital Production & Engineering unterstützen wir Sie gerne bei der Identifikation passender wissenschaftlicher Kooperationspartnerschaften und bei der Auswahl geeigneter Fördermöglichkeiten für Ihr Digitalisierungsvorhaben.

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Kontaktdaten der Referierenden:

Prof. Dr.-Ing. Ronald Schmidt-Vollus
Inhaber der Forschungsprofessur für Steuerungstechnik an der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm
E-Mail: Per Mail kontaktieren

Prof. Dr.-Ing. Andrey Prihodovsky
Wissenschaftliche Leitung Technologie Campus Parsberg-Lupburg, Technische Hochschule Deggendorf E-Mail: Per Mail kontaktieren

Teresa Alberts
CEO, ITficient AG
E-Mail: Per Mail kontaktieren

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