Trends lösen oftmals einen blinden Aktionismus aus, ohne dass sich vorher eine zielführende Strategie überlegt wird. Wie digital müssen unsere Landwirt:innen wirklich sein? Und worauf kann noch verzichtet werden?
Philipp Horsch: Landwirt:innen sind heute schon stark digitalisiert aufgestellt. Aus meiner Sicht ging es hierbei bisher überwiegend um das Thema Arbeitserleichterung – also erleichternde Lenksysteme für Geräte, Schlagkarteien für ein besseres Management am Acker usw. Ich denke, zukünftig werden mehr die Produkte und die Bedürfnisse der Verbrauchenden in den Fokus rücken. Also, digitale Lösungen, die einen Mehrwert für den Verbrauchenden erzeugen – zum Beispiel lückenlose Dokumentation, wie z.B. der Nachweis von bestimmten Produktionsverfahren oder einer rückstandsfreien Produktion. So bleiben Landwirt:innen wettbewerbsfähig.
Blinden Aktionismus sehe ich durchaus, wenn herstellende Unternehmen den Landwirt:innen suggerieren “Lass den Computer für Dich entscheiden und Du wirst mehr Erträge haben”. Solche Versprechen sind meiner Meinung nach ein Trugschluss, denn Landwirt:innen arbeiten in der Natur, also in einem heterogenen Umfeld. Und hier wird man immer Menschen mit einem guten Gefühl für ihre Arbeit benötigen. Nur durch die Kombination von Fachkenntnis, einem gewissen Geschick und technischer Arbeitserleichterung kann man das Optimum erreichen. Von einer Art “Rezept Landwirtschaft”, die ausschließlich auf Künstlicher Intelligenz (KI) basiert, rate ich ab.
Herr Reiter, wie gut werden die “empfohlenen” Trends bereits von den Landwirt:innen in Bayern umgesetzt?
Heribert Reiter: Herr Horsch hat schon ein sehr umfassendes Bild gezeichnet, wie digitale Lösungen von den Landwirt:innen in Deutschland, die sehr offen für solche Anwendungen sind, genutzt werden. Es spielt aber nicht nur die Automatisierung von Maschinen eine wichtige Rolle. Ebenso sind in der kompletten, landwirtschaftlichen Wertschöpfungskette die Themen Datenverarbeitung, Ertragskartierungen und -erfassungen zum Beispiel für Abrechnungen auch im ganzen Management-Bereich wichtig. Vor allem junge affine Anwender:innen sind sehr offen und nutzen solche Anwendungen via Smartphone oder iPad bereits. Trotzdem gibt es noch viele Insellösungen und die Kompatibilität der Daten und Systeme ist noch ein Problem. Es gibt – gerade in Bayern – viele Test-Betriebe, die uns wertvolle Hinweise und Wünsche zur Handhabung der digitalen Anwendungen geben.
Aber auch in den der Landwirtschaft vor- und nachgelagerten Bereichen, den Geschäftspartnern der Landwirt:innen, sind vor allem Datenintegrität und Datenschnittstellen ein großes Thema. Es ist eine reibungslose und barrierefreie Übertragung der Daten notwendig, um Auswertungen zum Beispiel über Dünger- oder Pestizidverbrauch zu erstellen. Wie überall gibt es hier First-Mover, die vieles ausprobieren, aber die meisten Landwirte:innen wollen gerne einfache, fertige Lösungen haben, quasi Plug and Play.