Zukunft pflanzen – mit künstlicher Intelligenz im Wald

Wie Förderung und KI gemeinsam nachhaltige Forstwirtschaft ermöglichen

1.12.2025

Unsere Wälder kämpfen mit Klimawandel, Schädlingen und Monokulturen. Deshalb haben die drei Gründer der Ocell GmbH eine clevere Technologie entwickelt, um Bäume besser zu schützen, Aufforstung smarter zu gestalten und Wälder nachhaltiger zu bewirtschaften. Dank gezielter Förderprogramme wurde aus dieser Idee ein erfolgreiches Unternehmen mit echter Wirkung für Umwelt und Klima.

Was hinter dieser Innovation steckt und wie auch Sie Fördermittel sinnvoll nutzen können, erfahren Sie im nachfolgenden Interview mit David Dohmen, Geschäftsführer der Ocell GmbH und Dr. Regina Bühl, Expertin für Förderprogramme bei der Bayern Innovativ.

Was macht Ihre Lösung so besonders oder sogar bahnbrechend?

David Dohmen: Unser Gedanke ist den Wert „Ende“ voll auszuschöpfen. Das fängt bei der Datenerhebung für den Wald an, in dem jeder einzelne Baum in seiner Spezies und Höhe erkannt wird und daraus Holzvolumina und Wachtumsfunktionen abgeleitet werden können. Basierend auf diesen Daten mit einer Software im Wald können sinnvolle, datengetriebene Entscheidungen getroffen werden und Mitarbeitende, im Büro als auch im Wald, besser miteinander agieren. 
Aber es geht auch darum, dem Wald, neben dem Einschlag von Holz, neue Möglichkeiten zu eröffnen, wirtschaftlichen Wert zu schaffen. Werte ebenfalls zu monetarisieren und somit zu incentivieren, die der Wald der Gesellschaft bringt. Bei dieser Ende-zu-Ende-Betrachtung der Wertschöpfung im Wald, sind wir einmalig.

Wer nutzt Ihre Software, was ist ihr Alleinstellungsmerkmal und warum kommt Künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz?

David Dohmen: Unsere Kundschaft bewirtschaftet die Wälder. Das sind in erster Linie Privatwaldbesitzer sowie kommunal und staatliche Forsten. Kleinstwaldbesitzer können auch unsere App nutzen, indem sie sich in größeren Gruppen, sogenannten Forstbetriebsgemeinschaften, zusammenschließen. In einem Forstbetrieb, beispielsweise gibt es Nutzende aus dem Management, die im Büro planen und sich um Vertrieb und Struktur kümmern und Försterinnen und Förster im Wald, die mit unserer App und auf unseren Daten arbeiten.
Der Einsatz von KI ist hierbei elementar und sehr sinnvoll. Denn es geht um so große und unüberschaubare Datensätze von Milliarden von Bäumen. Jeder einzelne Baum hat unzählige wichtige Parameter, die die Entscheidungen der Bewirtschaftung beeinflussen. Bei solchen Datenmengen und der Bemessung dieser Daten, brauchen wir die Unterstützung von Computern insbesondere KI. In unserem Fall zeichnen wir extrem hochaufgelöste dreidimensionalen Luftbilder auf, indem wir jeden Baum aus zwölf verschiedenen Perspektiven fotografieren und darauf KI anwenden. Das sind sogenannte Computer Vision Modelle, die die Bäume in ihrer Art erkennen und klassifizieren. Diese Karte aller Bäume in dieser Form hatte davor kein Waldbesitzer bzw. keine Waldbesitzerin.

Wie ist Ocell auf die Förderangebote der Bayern Innovativ aufmerksam geworden?

David Dohmen: Ich war von Anfang an für das Thema Geldbeschaffung zuständig und habe mich bezüglich Förderung schlau gemacht. Da wir mit unserer Idee eine komplette, altehrwürdige und konservative Industrie neu denken, ist viel Technologiebedarf und auch Research Technologiebedarf nötig, sodass unser Projekt innerhalb von ein paar Monaten kein Geld abwerfen konnte. Wir mussten erst etwas entwickeln, was einen Mehrwert für die Waldbesitzer bringt und das ging anfangs nur dank Förderprogrammen.
Als erstes hatten wir ein Gründerstipendium, das Exist-Förderprogramm. Wir haben uns bezüglich weiter Förderprogramme umgeschaut. Der Staat ist hier eine große Unterstützung, auch hinsichtlich Themen, die einen gesellschaftlichen Mehrwert haben, um Unternehmen an den Punkt zu bringen, wo die Kundschaft den Wert sieht und bereit ist, Geld dafür in die Hand zu nehmen. Das haben wir dank dieser Förderprogramme zügig erreicht. Infolgedessen wurden wir dann auch für den privaten Kapitalmarkt interessant und konnten u. a. Venture Capitals überzeugen.

Regina, was ist entscheidend für das Gelingen eines Förderantrags?

Regina Bühl: Ein Forschungs- oder Entwicklungsprojekt darf noch nicht begonnen haben, um eine Förderung zu erhalten. Daher ist es wichtig, sich frühzeitig um einen Förderantrag zu bemühen. Die folgenden W-Fragen sind hilfreich, um zu reflektieren und zielgerichteter zu wissen, wohin man will und was man konkret braucht.
Fragen, wie:

  • Wer bin ich? - Ein Handwerksbetrieb, Start-up, ein kleines oder mittelständisches Unternehmen?
  • Was möchte ich tun? - Möchte ich selbst entwickeln oder vergebe ich einen Fremdauftrag?
  • Wie innovativ ist diese Entwicklung? - Ist es was Neues, was es auf dem Markt noch nicht gibt?
  • Wann möchte ich mein Projekt starten? - Je nach Förderprogramm gibt es unterschiedlich lange Beantragungszeiten.
  • Wer kann und möchte bei dem Projekt mitmachen? - Bin ich allein oder brauche ich ein Forschungsinstitut oder einen Partner?
  • Wie finanziere ich mein Projekt? - Man muss immer einen Eigenanteil einbringen, da man nie eine 100 % Förderung erhält.

Laufen alle Förderprogramme gleich ab oder gibt es Unterschiede?

Regina Bühl: Mit den beantworteten W-Fragen kann zum Beispiel der Förderlotse von Bayern Innovativ das richtige Förderprogramm herausfiltern. Die Förderprogramme variieren in ihrem Ablauf. Daher führt der Förderlotse bzw. der Projektträger Bayern Schritt für Schritt durch den Prozess und erklärt den weiteren Ablauf. Zu Beginn erfolgt eine schriftliche Erfassung und eine erste Durchsicht durch den Technologen beim Projektträger.
Die Förderung liegt ungefähr bei 40 bis 60 Prozent der Projektkosten. Hier sind Kosten für Personal und Sachmittel inkludiert. Normalerweise gibt es keine Obergrenze des Projektvolumens, aber bei reinen Softwarevorhaben, wie im Fall von Ocell, ist das Volumen auf 150.000 Euro beschränkt. Ein weiteres Förderprogramm mit Deckelung ist der Innovationsgutschein, durch den nur Fremdleistungen gefördert werden.

Welche konkreten Tipps für Existenzgründende und den Mittelstand in Bayern gibt es noch?

Regina Bühl: Als hilfreichen Tipp möchte ich die Beantwortung der weiteren W-Fragen an die Hand geben:

  • Wer ist meine Kundschaft? Wem kann ich mein Produkt oder meine Dienstleistung verkaufen?
  • Wie komme ich überhaupt auf den Markt?
  • Welche Vertriebswege könnte ich nutzen? 
  • Und schlussendlich: Welche Marktchancen habe ich oder entwickle ich am Markt vorbei?

"Ich kann nur jedem Gründer oder jedem Unternehmen sagen, seid mutig, um Innovationen in Bayern voranzubringen und nutzt einfach die Chancen, die wir bei Bayern Innovativ hier bieten."

Dr. Regina Bühl
Projektträger, Projektmanagerin, Bayern Innovativ GmbH, Nürnberg

David, gab es im Projektverlauf Abweichungen vom ursprünglichen Plan, die ein komplettes Umdenken nötig gemacht haben?

David Dohmen: Bei Innovation und mutigen Projekten, die einen Fortschritt schaffen, liegt es in der Natur, dass diese auch scheitern können. In unserem Fall haben wir das Projektziel nicht auf die Weise erreicht, wie es im Antrag beschrieben war. Es gab Momente in der Projektphase, wo wir merkten, dass es nicht funktioniert. Aber wir sind über Versuche und andere Wege, einem „Abfallprodukt“ aus dem Projekt, trotzdem ans Ziel gekommen. Wie Edison, der tausend Wege fand, wie eine Glühbirne nicht funktioniert – am Ende hat er sie trotzdem zum Leuchten gebracht.

Hätte das Vorhaben auch ohne Förderung realisiert werden können oder zumindest in dieser Zeit?

David Dohmen: Ob wir unser Vorhaben ohne Förderung trotzdem realisiert hätten, ist schwer zu sagen. In der benötigten Zeit hätten wir es aber auf gar keinen Fall ohne die Fördermittel erfolgreich umgesetzt. Die Zeit ist der wichtigste Faktor, der den Unterschied macht, denn in einem Start-up passiert so vieles und so schnell. Durch die Förderung konnten wir schneller Werte für unsere Kundschaft schaffen und zügiger interessant für den Markt oder für Investoren sein.

Was war der größte Hebel in Bezug auf die Begleitung durch Bayern Innovativ?

David Dohmen: Bayern Innovativ hat uns als Start-up begleitet und u. a. gezeigt, wie man erfolgreich Förderanträge schreibt. Genauer gesagt mit uns geklärt, wie diese aussehen müssen, was der Inhalt ist, welche Aspekte wichtig sind und was man eher nicht sagen sollte. Diese Begleitung war unglaublich wertvoll und hat uns auch wiederum bei anderen, größeren Anträgen, beispielsweise auf der europäischen Ebene, ebenfalls geholfen. Einen Ansprechpartner sowohl über den Prozess der Bewerbung, während der Durchführung und nach der Projektphase zu haben, ist unglaublich wertvoll.

"Die Zeit ist der wichtigste Faktor, der den Unterschied macht, denn in einem Start-up passiert so vieles und so schnell. Durch die Förderung konnten wir schneller Werte für unsere Kunden schaffen und zügiger interessant für den Markt oder für Investoren sein."

David Dohmen
Geschäftsführer, Ocell GmbH

Wird die bestehende Lösung weiterentwickelt oder gibt es bereits neue Ideen?

David Dohmen: Der Wald ist ein großes Thema, bei dem es noch sehr viele weitere Werte gibt, die es zu heben gilt. Das ist bei unseren langfristigen Visionen auch auf der Roadmap. Aber was uns aktuell noch ein paar Jahre beschäftigen wird und eine riesige Transformation darstellt, sind neue Einkommensquellen für Waldbesitzende zu generieren. Der Wald steht vor einer Jahrhundertaufgabe. Er ist das größte Opfer des Klimawandels, aber gleichzeitig auch die beste Waffe dagegen. Wir leisten unseren Beitrag, indem wir Daten und smoothe Prozesse zur Verfügung stellen und sich dadurch Möglichkeiten eröffnen, zusätzliches Geld aus dem Verkauf von CO2-Zertifikaten zu generieren. Der Wald wird damit fit für die Zukunft. Durch den Erwerb unserer Zertifikate, die in Kooperation mit Waldbesitzenden entstehen, können Unternehmen einen konkreten Beitrag zum Klimaschutz leisten. Wir sind die ersten, die jemals im europäischen Wald hochwertige, ex-post zertifizierte Klimaschutzzertifikate, ausgegeben haben. Im Gegensatz zu Ex-Ante-Zertifikaten sind diese hieb- und stichfest, da erst die Leistungen erbracht werden müssen. Der Wald kann sich dadurch gezielt weiterentwickeln und zukunftsfähig aufgestellt werden.

Regina, welchen Rat möchtest Du Gründenden und Unternehmenden zum Schluss mit auf den Weg geben?

Regina Bühl: Ocell hat diesbezüglich alles richtig gemacht. Sie haben die Beratungsangebote von Bayern Innovativ genutzt, sich gut ausgetauscht, sich helfen lassen, Tipps angenommen, was die Erfolgschancen eines Antrags durchaus erhöht und zeit- sowie ressourcenschonender ist.
Weiterhin hat Bayern Innovativ sehr gute Kontakte zu BaystartUp, Gründerland Bayern oder Bayern Kapital. Durch die Vernetzung kann sich zusätzliche Unterstützung und gegebenenfalls Zugang zu Fremdkapital ergeben.
Durch eine Förderung kann man ausprobieren und größer denken. Wer Innovationen in Bayern vorantreiben will, braucht Mut und sollte die gebotenen Chancen der Technologieförderung durch das bayerische Wirtschaftsministerium und der Angebote von Bayern Innovativ aktiv ergreifen.

Das Interview führte Tanja Jovanovic, Leitung Marketing & Innovation, Bayern Innovativ GmbH, Nürnberg.

Dr. Tanja Jovanovic
+49 911 20671-312
Leitung Marketing & Innovation, Mitglied der Geschäftsleitung, Bayern Innovativ GmbH, Nürnberg
Dr. Regina Bühl
+49 911 20671-642
Projektträger, Projektmanagerin, Bayern Innovativ GmbH, Nürnberg