Revolutionäre Anwendungen der Generativen KI im Produktionsumfeld & Qualitätsmanagement
Intelligente Systeme neu gedacht: Chancen für Fertigung und Kontrolle
06.08.2025
Wie können innovative KI-Anwendungen in der Produktion und KI-gestützte Qualitätsmanagementsysteme aussehen? Diesen und weiteren Fragestellungen widmete sich das Webinar der Reihe „Aus der Forschung in die Praxis“ des Cluster Mechatronik & Automation der Bayern Innovativ GmbH. Dabei stand das Thema „Revolutionäre Anwendungen der Generativen KI im Produktionsumfeld und Qualitätsmanagement“ im Fokus. Die Referenten Maximilian Holland, Gruppenleiter KI & digitales Engineering | Fraunhofer IGCV und Ulrich Kaiser, CEO | Qualiwise GmbH, präsentierten praxisnahe Einblicke in aktuelle Entwicklungen und konkrete Anwendungsbeispiele generativer KI in der Industrie. Der folgende Artikel fasst die zentralen Inhalte und Erkenntnisse des Webinars zusammen.
Generative KI im Engineering und in der Produktion
Generative Künstliche Intelligenz (GenAI) stellt einen Paradigmenwechsel für industrielle Wertschöpfungsketten dar. Sie eröffnet neue Möglichkeiten zur Prozessoptimierung, Produktinnovation und Ressourceneffizienz. Dieser Beitrag beleuchtet den Einsatz von GenAI in der Produktion aus wissenschaftlicher Perspektive mit besonderem Fokus auf Bayern als Hightech-Standort. Der Artikel diskutiert konkrete Anwendungsfälle, untersucht technologische und infrastrukturelle Voraussetzungen und skizziert Herausforderungen sowie regulatorische Implikationen für eine verantwortungsvolle Implementierung.
Die industrielle Produktion steht in Zeiten von Digitalisierung, Fachkräftemangel und Nachhaltigkeitszielen vor tiefgreifenden Transformationen. Generative Künstliche Intelligenz – eine spezielle Klasse von KI-Systemen, die auf Deep-Learning-Architekturen wie Transformern basiert – verspricht, diese Herausforderungen durch intelligente Automatisierung und kreative Problemlösung zu adressieren.
Bayern als wirtschaftlich starker Industriestandort mit einer hohen Dichte an Automobil-, Maschinenbau- und Elektronikunternehmen, gepaart mit exzellenten Forschungseinrichtungen wie der Technischen Universität München (TUM), dem Fraunhofer-Verbund und dem KI-Musterstandort Augsburg, bietet ideale Voraussetzungen für eine führende Rolle im industriellen Einsatz von GenAI.
GRUNDLAGEN UND POTENZIALE
Maximilian Holland eröffnet das Webinar mit einer Einführung in die Funktionsweise generativer KI. Anhand eines Beispiels – der Konzeption eines Helikopters mit 800 kg Nutzlast – demonstrierte er, wie moderne Sprachmodelle, wie GPT-4, technische Aufgabenstellungen analysieren, strukturieren und lösen können. Dabei kombinieren sie logisches Schlussfolgern mit der Fähigkeit, technische Parameter zu berechnen und visuelle Darstellungen zu generieren.
SCHLÜSSELTECHNOLOGIEN: RAG UND TOOL USE
Zwei zentrale Mechanismen ermöglichen den praktischen Einsatz generativer KI:
- Retrieval-Augmented Generation (RAG): Diese Methode kombiniert Sprachmodelle mit externen Wissensdatenbanken. Relevante Informationen werden aus Dokumenten extrahiert und in die Antwortgenerierung eingebunden.
- Tool Use und Agentensysteme: KI-Agenten können eigenständig Tools aufrufen, Datenbanken abfragen oder Simulationen durchführen. Dies ermöglicht komplexe, mehrstufige Problemlösungen – etwa in der Prozessplanung oder im Design.
ANWENDUNGSBEISPIELE
Folgende Use-Cases werden vorgestellt:
- Automatisiertes Design: Von der Textbeschreibung bis zur CAD-Modellgenerierung – KI kann technische Geometrien entwerfen und parametrisch anpassen.
- Prozessplanung: In einem Beispiel zur Fertigung von Faserverbundbauteilen wurde aufgezeigt, wie KI-Agenten Produktionsprozesse planen, Zykluszeiten berechnen und Ressourcen auswählen.
- Robotik: Am Beispiel eines Haushaltsroboters wurde demonstriert, wie KI in der Mensch-Roboter-Interaktion flexibel auf Sprache und Kontext reagieren kann.
KI-gestütztes Qualitätsmanagement in der Praxis
HERAUSFORDERUNGEN IN DER QUALITITÄTSSICHERUNG
Ulrich Kaiser präsentiert im zweiten Teil des Webinars die Lösung der Qualiwise GmbH: einem KI-gestützten Co-Piloten für Produktqualität. Ausgangspunkt ist der sogenannte PPF-Prozess (Production Part Approval Process), der in der Automobilindustrie zur Qualitätssicherung eingesetzt wird. Dieser ist bislang stark manuell geprägt und skaliert noch nicht optimal – insbesondere bei Änderungen oder in der Zusammenarbeit mit Lieferanten.
DER LÖSUNGSANSATZ DER QUALIWISE GmbH
Das Unternehmen verfolgt dabei einen inkrementellen Automatisierungsansatz:
- Verstehen von Qualitätsdokumenten: KI liest und interpretiert technische Zeichnungen, Materialzeugnisse und Prüfberichte.
- Verknüpfung von Dokumenten: Informationen aus Zeichnungen werden mit Prüfplänen oder Materialanforderungen abgeglichen.
- Automatisierte Erstellung und Prüfung: Die KI erstellt Prüfpläne, führt Prüfungen durch (auch sprachgesteuert) und generiert automatisch Berichte.
LIVE-DEMO: VOM PRÜFPLAN ZUR DOKUMENTATION
In einer Live-Demonstration während des Webinars wird ersichtlich, wie ein Prüfplan aus einer technischen Zeichnung erstellt, ein Prüflos digital durchgeführt und ein Prüfbericht automatisch generiert wird. Auch Materialzeugnisse können hochgeladen und automatisch auf Konformität geprüft werden. Die Lösung ist webbasiert, intuitiv bedienbar und lässt sich perspektivisch in ERP-Systeme, wie SAP integrieren.
Diskussion und Ausblick
HERAUSFORDERUNGEN BEI DER INTEGRATION
In der anschließenden Diskussionsrunde werden Fragen zur Integration von KI in bestehende Systeme, zur Variantenkonstruktion in CAD sowie zur Nutzung von KI ohne Datenweitergabe an externe Clouds diskutiert. Holland betont, dass On-Premise-Lösungen mit Open-Source-Modellen, wie Mistral oder LLaMA, zunehmend praktikabel werden – insbesondere für datensensible Unternehmen.
REGULATORISCHER RAHMEN
Trotz der Chancen stehen Unternehmen vor praktischen und ethischen Herausforderungen:
- Datensicherheit: Die Verarbeitung großer, oft sensibler Produktionsdaten erfordert robuste Datenschutzkonzepte gemäß DSGVO.
- Transparenz und Erklärbarkeit: Die „Black Box“-Natur vieler GenAI-Modelle erfordert erhöhte Nachvollziehbarkeit, insbesondere im sicherheitskritischen Umfeld.
- Fachkräftebedarf: Die Implementierung verlangt interdisziplinäres Wissen – hier sind Bildungsinstitutionen in Bayern gefordert, neue Curricula zu entwickeln.
CHANCEN UND POTENZIALE FÜR BAYERN
Bayern verfügt mit Initiativen wie dem Zentrum für KI in Produktion (KI.FABRIK Bayern), der Hightech Agenda Bayern und dem AI-HUB@LMU der Ludwig-Maximilians-Universität München über eine starke technologische und politische Infrastruktur. Besonders KMUs profitieren vom niederschwelligen Zugang zu KI-Beratungsangeboten und Reallaboren. Potenziale liegen unter anderem in:
- Mass Customization durch KI-gesteuerte Fertigungslogistik
- Klimafreundlicher Produktion durch ressourceneffizientes Prozessdesign
- Digitalen Zwillingen, die mit Hilfe generativer Modelle selbstlernend werden
BEDARF AN KOORDINIERTEN INITIATIVEN
Ein zentrales Fazit: Es fehlt bislang an einem koordinierten europäischen Ökosystem für generative KI im Engineering und in der Produktion. Es wurde dafür plädiert, die Stärken Europas – insbesondere im Bereich der Ingenieursoftware – gezielt mit generativer KI zu kombinieren, statt lediglich globale Sprachmodelle nachzubauen.
Fazit
Das Webinar zeigt eindrucksvoll, wie generative KI bereits heute konkrete Mehrwerte in der Industrie schaffen kann – von der Konstruktion über die Prozessplanung bis hin zur Qualitätssicherung. Die vorgestellten Lösungen verdeutlichen, dass der Weg von der Forschung in die Praxis nicht nur möglich, sondern bereits Realität ist. Um das volle Potenzial auszuschöpfen, braucht es jedoch gezielte Investitionen, offene Schnittstellen und eine stärkere Vernetzung zwischen Forschung, Industrie und Politik. Besonders in Kombination mit Industrie-4.0-Technologien könnte Bayern nicht nur Pilotregion, sondern europäischer Vorreiter in der KI-gestützten Produktion werden.
Kontakt
Die Webinarreihe „Aus der Forschung in die Praxis“
In der Webinarreihe „Aus der Forschung in die Praxis“ geben Forschungseinrichtungen und Unternehmen Einblicke in aktuelle Forschungsaktivitäten und diskutieren diese mit den Teilnehmenden. Ziel ist es, vor allem kleine und mittelständische Unternehmen dabei zu unterstützen, digitale Technologien in ihren Produktionsprozessen und in ihrem Engineering sinnvoll zu nutzen.
Sie erreichen das Team des Clusters Mechatronik & Automation von Bayern Innovativ persönlich oder auch über die Mail-Adresse CMA(at)bayern-innovativ.de.