30 Jahre Energie & Bau – Vom Schalter zur Strategie

Zukunft unter Strom – Meilensteine aus drei Jahrzehnten Energie & Bau

Vor 30 Jahren war Energieversorgung noch simpel: Strom kam aus der Steckdose, Wärme aus der Heizung – und woher genau, interessierte nur wenige. Heute stehen wir an einem Wendepunkt. Die Energie- und Baubranche hat sich in den letzten drei Jahrzehnten radikal gewandelt: Neue Technologien, geopolitische Krisen, Klimaziele und veränderte Erwartungen von Gesellschaft und Wirtschaft fordern ein komplettes Umdenken. Energie muss heute nicht nur verfügbar, sondern auch nachhaltig, dezentral und bezahlbar sein.

Zu unserem 30-jährigen Jubiläum werfen wir einen Blick zurück – und vor allem nach vorn: Prof. Dr.-Ing. habil. Oliver Mayer, Leiter des Bereichs Energie & Bau bei Bayern Innovativ, spricht über technologische Meilensteine, wichtige Barrieren und die große Frage, wie Unternehmen die Energiewende nicht nur mitmachen, sondern mitgestalten können.

Was motiviert Sie dazu, im Bereich Energie zu arbeiten?

Prof. Dr.-Ing. habil. Oliver Mayer: Im Energiebereich zu arbeiten hat mich schon immer motiviert. Im Studium hatte ich eine Vorlesung zum Thema Solarenergie. Als junger Mensch denkt man noch, man kann die Welt retten. Ich habe mich dann mit solarer Wasserversorgung, also mit der Frage, wie man mit Solarenergie Wasser pumpt und entsalzt, beschäftigt. Das war damals noch etwas vollkommen Neues, da war die Solarenergie noch nicht so bekannt. Ich habe dann beschlossen, in diesem Bereich auch zu promovieren mit dem Ziel, so etwas zu simulieren und mit unzureichenden Daten auszulegen. Das hat auch funktioniert und dann bin ich drei Jahre lang durch Entwicklungsländer gereist und habe das umgesetzt. Da habe ich auch den Unterschied zwischen einer schönen Laborumgebung in Europa und den realen Verhältnissen draußen in der Welt kennengelernt. Ich konnte die Welt leider nicht retten, das hat mich über die Zeit ernüchtert, aber ich habe sehr viel über Energietechnik und wie Menschen darauf reagieren, gelernt. Das habe ich bis heute weiterverfolgt. Nicht mit dem Ziel, ein eigenes Produkt zu entwickeln, sondern mit dem Ziel, Menschen und Unternehmen zu helfen, die Energiewende, diese Transformation, zu stemmen.

Was war für Sie persönlich der entscheidende Moment mit Blick auf die Technologien in der deutschen Energiewirtschaft?

Prof. Dr.-Ing. habil. Oliver Mayer: Wenn ich mir eine Technologie raussuchen müsste, dann hat mich besonders die Entwicklung der Photovoltaik, die ich ja selbst miterlebt habe, fasziniert. Die Photovoltaik-Technologie kommt ursprünglich aus dem Weltraum, um damit Satelliten zu versorgen. In den 1980er oder 1990er Jahren kam die Idee auf, diese Technologie terrestrisch zu verwenden. Damals hieß es, das sei vollkommener Blödsinn, da die Sonne nicht konstant schien. Was mich an der Technologie fasziniert hat, ist Folgendes: die einzige Energiequelle hier ist die Sonne, die spendet uns die Energie in Form von Photonen und wird dann auf der Erde von der Biomasse absorbiert, wodurch über Millionen von Jahren Öl, Kohle und Gas entsteht und gespeichert wird. Die Photovoltaik-Technologie schafft es im Gegensatz dazu, ein Photon in einem Schritt umzusetzen. Das ist von der Effizienz her genial, aber hier kommt auch gleichzeitig unsere größte Herausforderung ins Spiel, nämlich die Speicherung. Denn die Energie, die wir heute aus erneuerbare

Wie blicken Sie auf die Entwicklung in Deutschland, was die erneuerbaren Energien betrifft, auch im Vergleich zu anderen Ländern?

Prof. Dr.-Ing. habil. Oliver Mayer: Die Technologie dafür haben wir. Auf der anderen Seite ist es aber eine Transformation, die eine Umstellung bedeutet und viel Geld kostet. Man stellt sich nicht gerne um oder möchte ungern etwas Neues machen. Die Grenze ist oft da, wo es einen selbst betrifft, ich nenne das den persönlichen Betroffenheits-Vektor, da möchten viele Leute dann doch beim Gewohnten bleiben. Das ist das Spannungsfeld, das heute auch für Unternehmen existiert: Wann rentiert es sich, umzustellen? Denn das bedeutet auch immer Kosten, die anfallen. Oft wird nicht umgestellt, weil man abwartet, bis es günstiger wird. Dieses Spannungsfeld zu überwinden ist das, woran ich hier bei Bayern Innovativ arbeite und was ich gemeinsam mit den Unternehmen lösen möchte.

Also geht es hier weniger um eine technologische Frage, sondern um das Verständnis oder das Mindset?

Prof. Dr.-Ing. habil. Oliver Mayer: Ja, genau. Die Technologien sind alle da. Ich sage immer, es gibt drei Entscheidungen in einer Firma: die Frage der Relevanz, der richtige Zeitpunkt und die Art und Weise der Umsetzung, ohne dass es geschäftsschädigend oder preissteigernd wird. Das ist genau der Knackpunkt. Da muss man klar sagen, dass hier auch die Einstellungen der Länder unterschiedliche Rollen spielen, genauso wie die politischen Situationen und wie die Wirtschaft bewertet wird. Ich persönlich bin der Meinung, dass wenn wir die Umstellung in Deutschland auf regenerative Energien schaffen, auch in der Wärmewende, wir etwas zu sagen und auch wieder etwas zu verkaufen haben. Wenn wir es schaffen, das in den Unternehmen umzusetzen, dann werden sich auch andere dafür interessieren, weil sie sehen, dass es funktioniert.

In anderen Ländern gibt es bereits Anwendungen, bei denen man direkt nachvollziehen kann, wie sich der Strompreis verhält. Braucht es eine solche Veränderung, also das persönliche Spüren der Wende, auch für den Wirtschaftsbereich?

Prof. Dr.-Ing. habil. Oliver Mayer: Ja und Nein. Dieses persönliche Spüren, dass der Strom nichts kostet und man schnell die Waschmaschine einschaltet, ist etwas übertrieben. Man würde deshalb nicht von der Arbeit heimfahren, nur um die Wäsche anzuschalten, und dann wieder zurück ins Büro gehen. Das ergibt sich eher zufällig. Sowas muss automatisch im Leben integriert sein. Was Menschen treibt, ist die Bequemlichkeit. Eine Sache muss einfach sein, und man sollte sich nicht darum kümmern müssen. So sind die Menschen bereit, Investitionen zu tätigen. Das merkt man auch im Privaten. Beispielsweise sind viele Leute auf Websites oder Netzwerken unterwegs, die so einfach gestaltet sind, dass es sie nicht interessiert, welche Daten da vielleicht über sie gesammelt werden. Das ist in der Energietechnik noch nicht der Fall, da ist es noch nicht so bequem. Und daran müssen wir arbeiten, um einen Schritt weiterzukommen. 

„30 Jahre Bayern Innovativ sind auch 30 Jahre Entwicklung regenerativer Energien, 20 Jahre E-Mobilität und 10 Jahre regenerative Wärme für Gebäude. Heute kommt alles zusammen.“

Prof. Dr.-Ing. habil. Oliver Mayer
Leitung Energie und Bau, Bayern Innovativ GmbH

Wie kann dieses „Bequemmachen“ in einem Unternehmen aussehen und wie unterstützen Sie die Firmen dabei?

Prof. Dr.-Ing. habil. Oliver Mayer: Die Kundenanfragen sind sehr unterschiedlich. Es gibt nicht die eine Anfrage, die immer wieder kommt. Jede Firma ist unterschiedlich. Am Anfang der Zusammenarbeit schauen wir erst einmal, wie die Stimmung innerhalb des Unternehmens bezüglich des Themas ist. Wenn sie positiv ist, dann können wir gut damit umgehen. Wir schaffen dort auch Verbindungen zu anderen Firmen aus ähnlichen Branchen oder Regionen und bringen sie dazu, sich darüber auszutauschen, wie die Transformation funktionieren kann. Das machen wir sogar bei Konkurrenten. Wir haben beispielsweise Energieeffizienznetzwerke, bei denen wir Brauereien, Hotels oder Bars zusammenbringen, weil sie ähnliche Voraussetzungen haben. Dabei ist das Spannende, dass die Firmen bei diesen Themen trotz der Konkurrenz zueinander, zusammenarbeiten. Hier werden gemeinsam Lösungen gesucht und sich ausgetauscht. Dieser Austausch und die Zusammenarbeit funktionierten wesentlich schneller als bei einer einzelnen Beratung. Das ist die Netzwerkarbeit, die Mensc

Bisher wurde die Energie von Unternehmen einfach eingekauft, jetzt muss sie gegebenenfalls selbst produziert oder gespeichert werden. Der Prozess wird also kleinteiliger. Stellen sich die Unternehmen dieser Herausforderung, spüren Sie das in Ihren Anfragen?

Prof. Dr.-Ing. habil. Oliver Mayer: Das ist genau der Punkt. Ein Unternehmen hat meistens das Ziel, ein Produkt zu haben. Bisher war es bequem, Energie zu kaufen. Auf einmal kommt eine Anforderung hinzu, die eigentlich über das Knowhow hinausgeht. Das ist die Schwierigkeit. Momentan müssen die Unternehmen noch selbst schauen, wo sie ihre Energie kaufen oder speichern, das ist unbequem. Deshalb ist es gerade hier sehr wichtig, dass neue innovative Lösungen entwickelt werden, die diesen Prozess automatisieren und vereinfachen. Es muss in die Richtung gehen, dass sich Firmen das auch wirklich leisten können, besonders die kleinen, die keine Kapazität haben, um sich auch noch um die eigene Energieversorgung zu kümmern.

Ein zentraler Aspekt in der europäischen Energiepolitik ist der Ausstieg aus der Kohle bis 2038. Wie schätzen Sie die Auswirkungen auf die bayerische Wirtschaft ein?  

Prof. Dr.-Ing. habil. Oliver Mayer: Es wird Auswirkungen haben, weshalb es unheimlich wichtig ist, Fortschritte bezüglich der Speichertechnologien zu machen, vielleicht auch mit dem Langzeitspeicher von Wasserstoff, wobei hier der Wirkungsgrad und die Kosten nicht sehr rentabel sind. Diese Umstellung in diese Richtung müssen weiterhin konsequent begangen werden. Ich sehe es als meinen Job an, hier zu zeigen, welche Möglichkeiten es gibt und dass es wirtschaftlich ist und eine Überlebensstrategie für die Zukunft der Wirtschaft in Bayern, Deutschland und in Europa sein wird.

Was ist hierbei die Rolle der Europäischen Zusammenarbeit?

Prof. Dr.-Ing. habil. Oliver Mayer: Da kann man sich einfach mal unser Netz anschauen. Der Generator in Portugal ist zum Beispiel synchronisiert mit dem in Polen oder in Estland. Das ist ein Netz, das alles komplett synchronisiert und das muss man auch gemeinsam betrachten. Die Schwierigkeit liegt darin, dass wir dazwischen wieder lokale Gegebenheiten haben. Beispielsweise mit Gesetzen, die die Marktwirtschaft in den Ländern regeln. Diese Themen zu harmonisieren ist eine weitere Herausforderung, die es zu meistern gilt. Das läuft, kritisch gesagt, leider langsamer als die technologischen Entwicklungen. Aber das ist ja oft im Leben so, dass die Technik schneller unterwegs ist als die Regularien, die damit einhergehen.

Welche Unterstützungsangebote bieten Sie den Unternehmen, die diese Transformation mitgehen möchten?

Prof. Dr.-Ing. habil. Oliver Mayer: Wenn wir Anfragen bekommen, stellen wir oft erstmal Kontakte her, unter anderem auch den Wissenstransfer von Universitäten. Da gibt es sehr viele Studierende, die in ihren Abschlussarbeiten großartige Ideen und Lösungen untersuchen, die dann leider in der Schublade verschwinden, wenn sie nicht angewendet werden. Das passiert auch, weil die Industrie einfach keine Zeit hat. Das ist unsere Aufgabe, darauf aufmerksam zu machen, dass es eben gute Ideen und Lösungen gibt, die man als Unternehmen in der Anwendung ausprobieren kann. Bei Bayern Innovativ sind wir sehr gut aufgestellt, weil hier eben nicht nur die Kollegen von Energie & Bau, also in meinem Bereich, arbeiten, sondern eben Menschen aus verschiedensten Branchen. So können wir uns beispielsweise auch mal mit den Leuten aus der Mobilitätsbranche austauschen, die ja genauso Energie brauchen. Für Batterien können wir die Material-Abteilung fragen. Hier sind wir sehr individuell unterwegs. Wir schauen, was die Bedarfe der Unternehmen sind, und v

Wie wird sich die Energiebranche in den kommenden 30 Jahren entwickeln, welche Trends sehen Sie in Zukunft?

Prof. Dr.-Ing. habil. Oliver Mayer: Die Energiewende wird nur funktionieren, wenn wir auch die Wärmewende schaffen. Da ist auch eine Energiewende. Sie wird momentan noch etwas stiefmütterlich behandelt, weil es auch die schwierigere Wende ist. Die ganze Richtung der Energie wird sich entsprechend der technologischen Trends hin zu einem Feld entwickeln. Das ist die Elektrifizierung. Es wird immer mehr elektrisch werden und das funktioniert auch nur, wenn wir die regenerativen Energien aufbauen. Zu denen gehört auch das Thema Speicher. Da passiert aktuell sehr viel. Wir haben die Erzeugungstechnologien, aktuell ist der Speicher im Fokus und der nächste Punkt wird die Dezentralisierung sein. Es werden nicht mehr die großen Kraftwerke, sondern viele Inseln sein, die sich lokal versorgen, aber mit den Nachbarn verbunden sind, um Überschüsse oder Bedarfe auszutauschen. Es geht also nicht um die Autarkie, sondern um hohe Eigenversorgung und den Austausch mit dem Umliegenden über alle Energiearten, die erforderlich sind, hinaus.

Was ist der wichtigste Schritt, den Unternehmen jetzt gehen sollten, um gut aufgestellt und resilient für die Energiewende zu bleiben?

Prof. Mayer: Der erste Punkt wird die Verringerung des CO2-Fußabdruckes sein. Das Wichtigste, was man hier tun kann, ist sich erst einmal damit zu beschäftigen. Das hat damit zu tun, Fragen zu stellen und sich Angebote und Lösungen anzuschauen. Wenn man die Möglichkeiten kennt, sollte man sich fragen, welche Ressourcen, beispielsweise Flächen für eine Photovoltaik-Anlage, man hat. Es geht nicht darum, alles selbst machen zu müssen, sondern darum, sich mit anderen Auszutauschen und zusammen zu arbeiten. In meinem vorherigen Job bei einer Elektronikfirma gab es ein Projekt, bei dem ein Investor ein Dach gemietet hat, auf dem wir dann eine Solaranlage bauen konnte, um den Strom zu nutzen. Man muss also nicht alles allein machen, man muss nur offen für das Thema sein.

Nehmen wir mal an, wir können 30 Jahre in die Zukunft reisen – was wäre Ihre erste Frage an die Energie- und Baubranche von übermorgen?

Prof. Mayer: Was mich als erstes interessieren würde, ist, warum es so lange gedauert hat. Warum war es so schwierig? Wenn man sich mit der Geschichte von Technik auseinandersetzt, ist es im Nachhinein immer ganz klar, dass Technologien sinnvoll waren. Der Weg dorthin war oft trotzdem sehr schwierig. Was man dabei lernt, ist aber, dass es nicht immer dieselben Barrieren sind, die den Fortschritt aufhalten. Der Mensch ist Mensch ist in seiner Grundstruktur eher träge – man möchte die Dinge so laufen lassen und kontant und planungssicher bleiben. Das ist auch unternehmerisch sehr wichtig. Wenn man dauernd Änderungen vornimmt, dann reicht es einem irgendwann, das hat auch psychologische Gründe. Das war auch der Grund für den Tod des EEG bei der Photovoltaik-Technologie. Das würde mich auch in der Zukunft interessieren, was die Hindernisse waren. Deshalb bin ich auch der Meinung, dass wir Technologen auch eng mit den Soziologen zusammenarbeiten sollten, weil es oft nicht die technischen, sondern die persönlichen Dinge sind, die einen Ausschlag geben.

Das Interview führte Christoph Raithel, Referent der Geschäftsleitung, Bayern Innovativ GmbH, Nürnberg.

Hören Sie sich das vollständige Interview als Podcast an:

Länge der Audiodatei: 00:26:00 (hh:mm:ss)

Blicken Sie mit uns gemeinsam zurück auf 30 Jahre Energie & Bau. Informieren Sie sich über branchenverändernde Innovationen und Megatrends. Moderator Christoph Raithel spricht mit Prof. Dr.-Ing. habil. Oliver Mayer, Leiter des Innovationsnetzwerks Energie & Bau bei der Bayern Innovativ GmbH, außerdem über die Zukunft der Energieversorgung und die Herausforderungen der Energiewende. Also nicht nur ein Rückblick, sondern vor allem ein spannender Ausblick auf die nächsten Jahre.

Ihr Kontakt

Bayern Innovativ GmbH,
Prof. Dr.-Ing. habil. Oliver Mayer
+49 911 20671-233
Leitung Innovationsnetzwerk Energie und Bau, Bayern Innovativ GmbH, Nürnberg
Christoph Raithel
+49 911 20671-144
Referent der Geschäftsleitung, Bayern Innovativ GmbH, Nürnberg