Wie Psychologie die Mobilität der Zukunft unterstützen kann

Wie können Menschen dazu motiviert werden, weniger das private Auto und mehr geteilte Mobilität zu nutzen? Eine Möglichkeit sind psychologische Konzepte. Die Forschungsgruppe “Psychology for Sustainable Cities” der Fachhochschule in Amsterdam, Partner im eHUBS Projekt, hat zehn Empfehlungen erarbeitet, um die Nutzung von eHubs, also Mobilitätsstationen, zu steigern. Psychologie trifft smart Mobility.

Mit dem Ziel umweltfreundlicher und CO2-neutraler zu werden, streben sechs europäische Städte im Rahmen des eHUBS-Projekts an, eHubs für die Bürger bereitzustellen. Dies sind Stationen, bei denen elektrisch angetriebene und geteilte Mobilitätsträger angeboten werden: von E-Bikes bis zu E-Autos oder E-Roller. Anstatt private Autos zu nutzen, können die Bürger auf elektrische und geteilte Alternativen in ihrer Nachbarschaft zugreifen. Aber wie können Städte die Bürger davon überzeugen, diese Alternativen zu nutzen, wenn sie das private Auto so gewohnt sind? Verhaltensänderungen sind der Schlüssel zum Erfolg. Die Forschungsgruppe Psychologie für nachhaltige Städte der Amsterdamer Fachhochschule hat zehn Empfehlungen ausgearbeitet, wie psychologische Prinzipien in Kommunikationsstrategien rund um die eHubs eingesetzt werden können.

Mobilitätsmuster ändern

Als eine der drei Wissensinstitutionen im eHUBS-Konsortium nutzt die Forschungsgruppe Erkenntnisse aus der angewandten Psychologie als theoretischen Rahmen für die Verhaltensforschung rund um die eHubs. Der Schwerpunkt dieser Forschung liegt auf der Unterstützung der Städte, insbesondere zunächst der eHUBS-Pilotstädte, bei der Entwicklung wirksamer Interventionen. Solche Maßnahmen haben das Ziel, die Mobilitätsmuster der Bürger und insbesondere der Autonutzer und Autobesitzer zu ändern und damit die Verlagerung des Verkehrs auf elektrische und geteilte Mobilität, wie sie bei eHubs angeboten wird, zu fördern.

Im Allgemeinen werden Bürger die eHubs nutzen, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind:

  1. Sie wissen, wie die eHubs funktionieren.
  2. Die eHubs sind praktisch platziert und komfortabel zu nutzen.
  3. Es gibt eine Motivation, die eHubs zu nutzen.

Dementsprechend befassen sich die Empfehlungen entweder mit den Fähigkeiten, den Möglichkeiten oder der Motivation der Bürger.

CO2-Reduzierung als übergeordnetes Ziel

Das übergeordnete Ziel zur Einrichtung von eHubs ist die Reduzierung der CO2-Emissionen. Daher ist es sinnvoll, sich auf die Zielgruppe der Autobesitzer zu konzentrieren. Wenn Menschen hingegen aktive und / oder umweltfreundliche Verkehrsträger wie Gehen, Radfahren oder öffentliche Verkehrsmittel gegen gemeinsame Fahrzeuge tauschen, kann die Förderung von eHubs einen gegenteiligen Effekt haben, nämlich einen höheren Energieverbrauch und mehr Fahrzeuge auf der Straße.

Demnach sollten die Hauptgrundsätze für die Implementierung von eHubs folgende sein:

  • Konzentrieren Sie sich klar auf die richtige Zielgruppe: die Autobesitzer.
  • Achten Sie auf die richtige Platzierung der eHubs, d.h. positionieren Sie sie dort, wo sich die Zielgruppe befindet und wo das unerwünschte Verhalten auftritt - in Nachbarschaften mit einer hohen Dichte von Autobesitzern, die Privatwagen verwenden.

Die Studie arbeitete zehn Empfehlungen für Städte heraus, um die Nutzung von eHubs zu steigern. Im nachfolgenden Dropdown-Menü finden Sie für jeden Punkt eine detaillierte Erklärung der psychologischen Konzepte, die als Basis jeder Empfehlung vorliegen, sowie mögliche Aktionen für die Umsetzung:

  • Psychologisches Konzept:

    ÜBERZEUGUNG = Sorgen Sie dafür, dass der Empfänger für eine Botschaft empfänglich ist, bevor er auf sie stößt.

    Aktionen:

    • Starten Sie die Kommunikation mit der Zielgruppe, bevor die eHubs aufgebaut sind.
    • Geben Sie den Menschen ein Gefühl der Eigenverantwortung, indem Sie sich vor dem Aufbau an sie wenden.
    • Stellen Sie sicher, dass der Standort eines eHubs zum kommunalen Umfeld passt.
    • Steigern Sie das Gefühl der Autonomie und Selbstbestimmung der Menschen durch das Anbieten verschiedener Modalitäten: E-Bikes, E-Autos, E-Roller, etc.

    Beispiel für „Informationstag“ in Leuven, Belgien (Bildnachweis: City of Leuven)

  • Psychologisches Konzept:

    GESETZ DES GERINGSTEN AUFWANDS = Jeder zusätzliche Aufwand, der durch das Finden und Verwenden eines eHubs verursacht wird, schafft eine Barriere / Hürde für die Nutzung.

    Aktionen:

    • Stellen Sie den eHub an einem zentralen, leicht zugänglichen Ort auf.
    • Stellen Sie sicher, dass der eHub gut sichtbar ist.
    • Stellen Sie eine gute digitale Zugänglichkeit der Modalitäten sicher, z.B. über eine App, da dies genauso wichtig ist wie die physische Zugänglichkeit.
    • Machen Sie die Customer Journey so einfach und problemlos wie möglich. Wenn Menschen eine schlechte erste Erfahrung haben, z.B eine nicht funktionierende App, werden sie es nicht wieder probieren.
  • Psychologisches Konzept:

    SELBSTWIRKSAMKEIT = Ist die Überzeugung einer Person, auch schwierige Situationen und Herausforderungen aus eigener Kraft erfolgreich bewältigen zu können. Für viele Bürger sind eHubs und geteilte Mobilität neue Konzepte. Die Bürger müssen die Fähigkeiten zur Nutzung des eHubs entwickeln und sich sicher bei der Anwendung fühlen.

    Aktionen:

    • Geben Sie präzise, genaue Informationen und Anweisungen zur Verwendung der eHubs (was, warum, für wen, wie, usw.).
    • Kommunizieren Sie die Aktionsperspektive klar: Was genau möchten Sie für die Bürger / Autobesitzer tun?
    • Bieten Sie Möglichkeiten an, die Modalitäten auszuprobieren, führen Sie Workshops usw. durch, um die Fähigkeiten der Nutzer zu verbessern und die Selbstwirksamkeit zu entwickeln.


    Beispiel für „Erlebnistag“ in Leuven, Belgien (Bildnachweis: City of Leuven)

  • Psychologische Konzepte:

    KOGNITIVE VERZERRUNG = Kommunikationskampagnen über eHUBs erreichen Autobesitzer nicht, da sie keinen Änderungsbedarf haben und sich möglicherweise nicht angesprochen fühlen.

    RATIONALE ÜBERSCHREIBUNG („rational override“) = Rationale Überschreibungen sind Möglichkeiten, die Aufmerksamkeitsverzerrung zu überwinden, indem Mikromomente der Reibung in die Customer Journey eingeführt werden. Diese werden dazu verwendet, automatische Interaktionen zu unterbrechen und Momente der Reflexion und bewusstere Entscheidungen zu stimulieren.

    Aktionen:

    • Erfahren Sie, welche Kommunikationskanäle Ihre Zielgruppe, die Autobesitzer, nutzen.
    • Testen Sie Ihre Kommunikationskampagne mit Autobesitzern, um festzustellen, ob Ihre Nachricht ankommt.
    • Verwenden Sie rationale Überschreibungen, um die kognitive Verzerrung zu überwinden und die Aufmerksamkeit der Zielgruppe auf sich zu ziehen. Dies können Geräusche, Bilder, Push-Benachrichtigungen oder Objekte in der Umgebung sein, die hervorstechen und Autobesitzer daran erinnern, dass sie mit ihrer Fahrzeugroutine brechen können.
  • Psychologische Konzepte:

    GEWOHNHEITEN = Gewohnheiten beziehen sich auf Verhaltensweisen, die bestehen bleiben, weil sie im Laufe der Zeit relativ automatisiert ablaufen. Autobesitzer entscheiden nicht jeden Tag bewusst, wie sie reisen sollen, sondern sie haben Reiseroutinen entwickelt. Es gibt verschiedene Strategien, um vorhandene Routinen zu durchbrechen, z. B. Hinweise, Anreize oder Rückmeldungen.

    HINWEISE / AUFFORDERUNGEN = Nachrichten, die vor dem Auftreten des Verhaltens gegeben werden, um den Verbraucher an das gewünschte nachhaltige Verhalten zu erinnern.

    ANREIZE = Anreize sind Belohnungen, Rabatte oder Geschenke, die das gewünschte Verhalten und die positive Gewohnheitsbildung steigern können.

    RÜCKMELDUNG = Indem Sie Feedback zum Ergebnis des Verhaltens geben, lernen die Menschen die Wirkung ihres Handelns kennen. Positives Feedback fördert das durchgeführte Verhalten. Bei eHubs können Sie Informationen über die positiven sozialen und ökologischen Wirkungen von eHubs bereitstellen.

    Aktionen:

    • Hinweise funktionieren am besten, wenn sie groß, klar, leicht zu befolgen und in der Nähe des Ortes platziert sind, an dem Personen ihre Reiseentscheidung treffen. Ein Beispiel für einen Hinweis oder Aufforderung könnte ein eHUB-Schlüsselring für die privaten Autoschlüssel oder ein visuelles Schild auf der Straße sein, auf der das private Auto geparkt ist.
    • Nutzen Sie Anreize, um neue Reisegewohnheiten zu schaffen. Als Beispiel hat Wien kürzlich ein Pilotprojekt gestartet, um autofreies Reisen mit Konzert- und Museumstickets zu belohnen.
    • Geben Sie Feedback zu den Auswirkungen einer umweltfreundlichen Reise. Zeigen sie die Emissionsreduzierung der durchgeführten Fahrt im Vergleich zu einer Fahrt durchgeführt mit fossilen Brennstoffen auf.

    Aufforderung Mobilität PsychologieBeispiel für "Aufforderung" (Bildnachweis: City of Nijmegen)

  • Psychologisches Konzept:

    ANSTOß („nudging“) = Als Nudge gilt ein kleiner Anstupser zur Veränderung einer Ausgangslage, ohne Optionen zu verbieten oder ihre wirtschaftlichen Anreize erheblich zu ändern.

    Aktionen:

    • Gestalten Sie auch die Umgebung des eHubs, nicht nur den eHub selbst, z.B. durch
      • Bodenmarkierung
      • Farbcodierung auf dem Bürgersteig
      • attraktive Umgebung
    • Passen sie die Umgebungsarchitektur und Gestaltung den gewünschten Verhaltensänderungen an, beispielsweise durch die Reduktion beziehungsweise Elimination privater und öffentlicher Parkplätze in der Umgebung.

    Nudging Mobilität PsychologieBeispiel für „Nudging“ in den Niederlanden (Bildnachweis: Omgevingspsycholoog BV)

  • Psychologisches Konzept:

    MITTEILUNGSRAHMEN = Diese strukturieren Informationen in einem bestimmten Kontext oder mentalen Rahmen, welcher den Menschen hilft, sie aufzunehmen und zu interpretieren.

    Aktionen:

    • Wählen Sie einen mentalen Rahmen, der zur Zielgruppe passt und deren Bedürfnisse und Wünsche berücksichtigt.
    • Verwenden Sie einen Rahmen aus „gesünderen, grüneren Städten“ oder den Rahmen „Zugänglichkeit für alle“ oder „Freiheit“.
    • Negative Frames wie „eHUBs sind Abstellorte für geteilte Mobilitätsangebote“ sind nicht verlockend.
  • Psychologisches Konzept:

    ANSPRECHENDE KOMMUNIKATION = Wenn Menschen ein Konzept einfach verarbeiten können, werden sie es positiver beurteilen. Je geschickter oder eleganter eine Idee kommuniziert wird, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie ernsthaft in Betracht gezogen wird.

    Aktionen:

    • Designen Sie eHubs in einer klaren und erkennbaren Marke, damit die Bürger einen eHub auf der Straße leicht erkennen können.
    • Ihre Nachricht sollte attraktiv / verlockend sein (denken Sie an Apple).
    • Bilder und Geschichten sind empfehlenswert. Im Allgemeinen werden diese vom Gehirn leichter verarbeitet.
    • Verwenden Sie eine aktive Formulierung.
  • Psychologisches Konzept:

    SOZIALE NORM = Menschen sind häufig von der Anwesenheit, dem Verhalten und den Erwartungen anderer beeinflusst. Eine soziale Norm ist das akzeptierte Verhalten, dem ein Individuum in einer Gruppe, Gemeinschaft oder Kultur entsprechen soll. Diese Normen dienen oft einem nützlichen Zweck und bilden die Grundlage für korrektes Verhalten. Soziale Faktoren sind sehr einflussreich für eine nachhaltige Änderung des Verbraucherverhaltens.

    MODELLIERUNG = Menschen lernen, indem sie andere beobachten und dann nachahmen oder modellieren, was diese tun oder sagen.

    GLAUBWÜRDIGE QUELLE = Präsentieren Sie verbale oder visuelle Kommunikation aus einer glaubwürdigen Quelle zugunsten des gewünschten oder gegen das unerwünschte Verhalten.

    Aktionen:

    • Verwenden Sie (aufkommende) soziale Normen in Ihrer Kommunikation über die eHubs. Lokale Normen / Beispiele sind einflussreicher als generische Normen. Beispiele:
      • Die Anzahl der Fahrradausleihen hat sich verdoppelt.
      • 60% der Haushalte in Amsterdam besitzen kein Auto.
    • Zeigen Sie das Verhalten, das Sie stimulieren möchten (i.e. Personen, die den eHub verwenden), nicht das falsche Verhalten (i.e. Personen, die private Benzinautos nutzen).
      Zeigen Sie Personen, die zur Zielgruppe gehören.
    • Stellen Sie sicher, dass von Anfang an die eHubs benutzt werden und Anwohner dies sehen können. Hier sind kostenlose Testzeiträume wichtig. Wenn die eHubs nicht verwendet werden und unberührt in der Nachbarschaft stehen, kann dies den gegenteiligen Effekt haben.
    • Erstellen Sie eine wünschenswerte soziale Identität für eHubs-Benutzer.
    • Ermutigen Sie öffentliches Engagement für die Nutzung des eHubs. Die Menschen werden sich bemühen, diese öffentlichen Erwartungen zu erfüllen.
    • Engagieren Sie einflussreiche Persönlichkeiten und ehemalige Autobesitzer in der Nachbarschaft als lokale eHubs-Botschafter, um andere dazu zu animieren. Sie werden als glaubwürdigere Quelle als die Stadtverwaltung angesehen.
  • Psychologisches Konzept:

    VERTRAUEN = Vertrauen bedeutet zu glauben, dass der andere das tun wird, was man erwartet. Die Schaffung von Vertrauen ist von zentraler Bedeutung für die Sharing Economy, die durch hohe Unsicherheit und dynamische Veränderungsprozesse gekennzeichnet ist.

    Aktionen:

    • Teilen Sie Kundenbewertungen und Kundenerfahrungen.
    • Seien Sie transparent und vorhersehbar.
    • Wenn möglich, garantieren Sie das Vorhandensein eines Fahrzeugs, wenn eines benötigt wird.
    • Erstellen Sie Möglichkeiten, um die Modalitäten im eHUB auszuprobieren.
    • Bieten Sie qualitativ hochwertigen Service mit schneller Reaktionszeit.

Weitere Details zur Studie finden Sie hier.

Ihr Kontakt

Jennifer Reinz-Zettler