Smart City Konzept: Vom Statussymbol Auto zu bedarfsorientierten Transportlösungen

31.07.2018

Technologischer Wandel und gesellschaftliche Veränderungen führen zu einem Umbruch der gesamten Mobilitätsindustrie. Da immer größere Datenmengen beherrschbar werden, ergibt sich eine Flut neuer Ansätze für Mobilitätskonzepte - auch die sogenannten Smart City-Konzepte sind betroffen. Die Konzentration von Menschen in Städten erfordert dabei besondere Lösungen. Gleichzeitig entwickeln sich neue gesellschaftliche Ansprüche.

Smart Cities Smart-City-Konzepte müssen neuen gesellschaftlichen Ansprüchen gerecht werden. (Bildnachweis: Fotolia©kantver)

Wie sieht die urbane Mobilität der Zukunft aus?

Josef Stoll hat eine klare Vorstellung, wie die urbane Mobilität der Zukunft aussieht. Liegt der frühere CTO der Deutschen Bahn mit seinen Prognosen richtig, so bewegt sich der Stadtbewohner von morgen in autonom fahrenden, koppelbaren elektrischen Fahrzeugen, wie dem vom italienischen Designer Tommaso Gecchelin entworfenen Konzept „Next Future Transportation“, das voll verglaste, kleine autonome Fahrzeuge vorsieht. Modular aufgebaut und flexibel konfiguriert sind diese als Speisewagen, mobiles Büro oder Transporteinheit für den Lieferverkehr einsetzbar. Personen können in den Wagen bequem stehen und je nach Ziel innerhalb der sich automatisch miteinander verbindenden und entkoppelnden Wageneinheiten wechseln. Die Transportrouten werden digital optimiert, die Steuerung erfolgt denkbar einfach: per App.

Noch sind solcherlei Szenarien Zukunftsvisionen. Aber schon jetzt arbeitet die gesamte Mobilitätsindustrie an radikal neuen Lösungen. Die drei wichtigsten Fragen, die das Smart City-Konzept bestimmen, sind für Josef Stoll als Experten und erwiesenen Querdenker:

  • Was treibt den Kunden an, worauf beruht seine Entscheidung für ein Verkehrsmittel?
  • Wie verändern sich Kultur und Gesellschaft?
  • Wie sieht die notwendige interdisziplinäre Vernetzung von Mobilität, Energie und Stadtentwicklung aus?

„Deutschland hat Nachholbedarf – die Strategien für Smart Cities werden in Singapur oder Abu Dhabi geschrieben“, so Stoll. Schon bald werden in diesen Städten selbstfahrende Touristenbusse, automatische Shuttles und fahrerlose Lastwagen zum alltäglichen Stadtbild gehören. Einen Trend, der zwar nicht direkter Teil der urbanen Mobilität ist, aber großen Einfluss haben wird, sieht Stoll vor allem in sogenannten „ultra high speed trains“, wie dem „Hyperloop“, und in der E-Mobilität. Car&Ride-Sharing oder Mobilitätsplattformen wie moovel bilden die veränderten Kundenansprüche ab. Zudem wird die additive Fertigung vollkommen neue Fahrzeugkonstruktionen ermöglichen, während die Zunahme des E-Commerce zu einer Herausforderung in der Paketzustellung wird.

Neben all diesen Faktoren gibt es laut Stoll noch einen gravierenderen und derzeit unterschätzten Einfluss für kommende Mobilitätskonzepte: Die fünfte Generation des Mobilfunks 5G. Datenraten von bis zu zehn Gigabit pro Sekunde werden die Realtime-Kommunikation von Fahrzeugen ermöglichen. Kombiniert mit künstlicher Intelligenz könnte dies zu ungeahnten Möglichkeiten führen. Die Vision selbstlernender Schwarmfahrzeuge wäre damit ein Stück greifbarer.

Prof. Dr. H. Wagner im Interview über Mobilität

(Professor für Automotive and Mobility Management an der Technischen Hochschule Ingolstadt)

Welche Gründe sind allgemein gesprochen für einen Autokauf ausschlaggebend?
Prof. Dr. Wagner: In erster Linie ist beim Autokauf die Befriedigung unterschiedlicher Bedürfnisse relevant und nicht mehr so sehr Premium, Geschwindigkeit oder Leistung. Da die Bedürfnisse teilweise recht unterschiedliche Mobilitätslösungen erfordern, gibt es eine einzige passende Lösung meist nicht. Beispiel: Für Urlaubsfahrten mit der ganzen Familie braucht es ein Fahrzeug mit viel Stauraum, einer hohen Reichweite und entsprechender Ausstattung. Für das tägliche Mobilitätsbedürfnis zur Arbeit oder zum Einkaufen genügt oft ein Kleinfahrzeug mit geringerer Reichweite. Da es bisher kaum flexible Mobilitätslösungen gibt, wird oftmals das Mobilitätsprodukt gewählt, das alle Voraussetzungen erfüllt – also kein Mittelklasse-Fahrzeug oder ein SUV.

Stichwort „Verändertes Mobilitätsverhalten“ – vom Produkt zum Service: Welche Rolle spielen Mobilitätsdienstleistungen in  Zukunft?
Prof. Dr. Wagner: Vor dem Hintergrund der zuvor genannten Aspekte eine große. Ein Service-Anbieter, der mir die Mobilität zur Verfügung stellt, die ich in einer bestimmten Situation benötige, wird auch entsprechende Kundennachfrage erhalten. Das Statussymbol ist nicht mehr die Marke des Fahrzeugs, sondern die Convenience, die die Dienstleistung bietet.

Was versteht man unter Smart Mobility Services?
Prof. Dr. Wagner: Im Spannungsfeld zwischen ökologieorientiertem Verhalten, eigener wirtschaftlicher Optimierung sowie unternehmerischer Profitorientierung ist die Dienstleistung smart, die dem Anbieter wirtschaftlichen Erfolg verspricht, dem Anwender ein akzeptables Preis-Leistungs-Verhältnis gewährt und dabei gleichzeitig ökologische und gesellschaftliche Interessen berücksichtigt.

Der Kunde im Fokus: Wie entwickelt man kundengerechte Innovationen und Technologien?
Prof. Dr. Wagner: Indem man genau das tut, was schon in der Fragestellung zum Ausdruck kommt: Lösungen entwickeln, die für die Bedürfnisse des Kunden maßgeschneidert sind. Im heutigen Automobilbau wird genau dieser Aspekt leider zu sehr vernachlässigt, weil die technisch optimale Lösung gesucht wird anstelle der Lösung, die die Kundenbedürfnisse am ehesten befriedigt.

Start-ups für neue Mobilität

  • Sono Motors GmbH
    SION - ein Elektroauto mit Solarzellen für die breite Masse: einfach, ohne anspruchsvolle Technik, kostengünstig.
    www.sonomotors.com/de
  • insertEFFECT: new mobility
    VIsion: Mobility Flatrate - Schaffung einer Open Source, auf der Mobilitätsanbieter ihre Innovationen aufbauen.
    www.inserteffect.com
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    www.get-a-way.com/getaway-carsharing

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Jennifer Reinz-Zettler