Mobilität der Zukunft
Liebe Frau Blessing, die Mobilität ist im Umbruch und es kursieren viele Konzepte und Modelle für die Mobilität der Zukunft. Wie steht es um Ihre Zukunftsidee – Wie stellen Sie sich die Mobilität im Jahr 2050 vor?
Pia Blessing: Mobilität in der Zukunft bedeutet für mich, dass ich für jeden Fahrtzweck mindestens ein Verkehrsmittel zur Verfügung habe, das ich nutze, ohne es zu besitzen, und das mit anderen Modi nahtlos verknüpft ist. Der Gedanke, mit dem Auto zu fahren, wird ersetzt vom Blick auf ein Device, das uns das beste, schnellste, und preiswerteste Verkehrsmittel empfiehlt, um von A nach zu B kommen. Das Ergebnis einer solchen Mobilität sind Städte, deren öffentlicher Raum viel mehr Potenzial für alle birgt!
Mobilität braucht Raum
Ihr Vortrag bei Querdenken 2019 lautet "Platz da! Mobilität braucht Raum!" - Eine ambitionierte Forderung. Verraten Sie uns, wie das gelingen kann und worin Sie die größten Herausforderungen für Städte sehen?
Pia Blessing: Das Auto hat in den letzten 100 Jahren unsere Städte dominiert. Die Entwertung von lebenswertem städtischem Raum zugunsten der „Freedom Machine“ hat sich so in unseren Köpfen festgesetzt und in unserem Leben verankert, dass wir es uns anders gar nicht mehr vorstellen können. Doch wenn wir die Dominanz des Autos mit all seiner räumlichen Ineffizienz einmal bewusst in Frage stellen, werden wir feststellen, dass es viel Raum gibt, den man neu verteilen kann. Dann werden Fahrräder, E-Scooter, Shuttlebusse, Lieferroboter und viele andere Modi einen sicheren Platz in unseren Städten finden. Die größte Herausforderung ist meiner Meinung nach, eine nicht-ideologische Diskussion über unseren Stadtraum zu führen.
Sidewalk Labs Street Design Principles
Stichwort "Sidewalk Labs Street Design Principles" - Was verbirgt sich hinter diesen Prinzipien und könnten diese Ihrer Meinung nach auch in deutschen Städten funktionieren?
Pia Blessing: Die Planung des Verkehrs- und Stadtraums wurde in den letzten Jahren häufig der Optimierung des motorisierten Verkehrs untergeordnet. Heute wurden diese Prinzipien größtenteils als Planungsfehler erkannt und es wird im bestehenden Raum für bestehende Mobilitäten bewusst dagegen gesteuert, indem beispielsweise Rad- und Fußwege optimiert werden. Sidewalk Labs (eine Tochterfirma von Google) verfolgt darüber hinaus mit den Street Design Principles den Ansatz, den Straßenraum komplett neu zu denken und dabei die Möglichkeiten der Technologien der Zukunft zu integrieren. Dabei soll der Mensch als Maßstab wieder im Zentrum stehen und der Stadtraum sicherer, flexibler und lebenswerter werden. Die Prinzipien, die Sidewalk Labs entwickelt hat, beruhen im Wesentlichen auf der Hierarchisierung von Straßen nach Geschwindigkeit und der Priorisierung von Verkehrsmitteln auf diesen unterschiedlichen Straßen. All das soll erstmals in einem neuen Stadtteil von Toronto zur Anwendung kommen. Für eine europäische, gewachsene Stadt werden diese „Principles“ nicht ohne weiteres umsetzbar sein – aber es stecken einige Ideen darin, über die man auch in unserem Kontext dringend nachdenken sollte!
Vielen Dank, Frau Blessing und bis bald in Nürnberg!