Herr Dr. Lienkamp, erzählen Sie doch bitte kurz über Ihre Tätigkeiten an der Technischen Universität München und wie es zur Zusammenarbeit zwischen Bayern Innovativ und Ihnen gekommen ist.
Prof. Dr. Lienkamp: Wir hatten schon immer Kontakt mit Bayern Innovativ, um unser Netzwerk zu erweitern, gemeinsame Projekte zu initiieren und Wissensaustausch zu fördern. So kamen wir eines Tages auf die Idee, die Tagung Conference on Future Automotive Technology (CoFAT) zu organisieren, um die bayerische Wirtschaft und Wissenschaft zur Diskussion über Innovationen einzuladen.
Das klingt ganz danach, als wäre die CoFAT eine Art Türöffner zu einer lebendigen Innovationscommunity für die E-Mobilität. Gibt es ein persönliches Highlight, das Sie mit der CoFAT verbinden?
Prof. Dr. Lienkamp: Die Highlights waren, dass in der Regel hochkarätige Persönlichkeiten anwesend waren. Beispielsweise im vergangenen Jahr aus der Politik Hubert Aiwanger. Wir hatten auch Vertreter der Wirtschaft zu Gast - Vorstände wie Herrn Breitfeld oder Herrn Ziebert. Ebenso hochrangige Vertreter der Wissenschaft wie unseren Präsidenten der TU München oder Kollegen der RWTH Aachen waren vor Ort. Gleichzeitig haben wir auch immer wieder in Pitch-Sessions interessante Firmen, insbesondere innovative Start-ups und ihre Themen vorgestellt. Durch diese Sessions haben wir sie unterstützt, Investoren, Partner und Auftraggeber zu finden. Ich glaube, das war für alle Teilnehmer immer eine sehr befruchtende Veranstaltung.
Nun zurück zu Ihren Tätigkeiten: Sie haben ein neues Buch geschrieben. Warum? Und worüber?
Prof. Dr. Lienkamp: Ja, warum? In der Corona-Zeit hatten wir alle durch den Lockdown mehr Zeit als sonst. Da habe ich darüber nachgedacht, wieder ein Buch zu schreiben. Ich war fasziniert von der Idee, zu überlegen, welche Auswirkungen die Corona-Krise eigentlich auf die Automobilindustrie hat. Somit ist das Buch wieder bei “meinem” Thema Elektromobilität geendet, mit Exkursen zum autonomen Fahren und zur Mobilität. Aber im Wesentlichen verfolgt das Buch die Fragen: “Geht es mit der Elektromobilität weiter? Wie geht es damit weiter? Oder was sind vielleicht die Alternativen?”
Ist E-Mobilität wirklich der einzige Weg? Wie Sie schon sagten, wird gerade in Bayern viel über andere Antriebsformen diskutiert?
Prof. Dr. Lienkamp: Das war die Kernfrage, die ich zu Beginn des Buches beantworten wollte, weil seit einigen Jahren - auch in Deutschland – eine sehr prominente und emotionale Diskussion im Gange ist, welche denn eigentlich die richtige Antriebstechnologien für die Zukunft ist. Wir haben in den Untersuchungen für das Buch das Thema fossile Kraftstoffe für Verbrennungsmotoren ausgeschlossen. Das Buch richtet seine Perspektive auf das Jahr 2030. Bis dahin wird sich die Frage stellen, welche denn die richtige Antriebstechnologie und welcher der richtige Kraftstoff ist. Und wenn man das Thema CO2 ernst nimmt, dann scheiden für mich fossile Kraftstoffe aus, also bleiben nur noch drei Optionen übrig.
Die eine ist die Elektromobilität, die zweite ist der Wasserstoff . Und als dritte Option reden wir über die synthetischen Kraftstoffe oder E-Fuels, die in konventionellen Verbrennungsmotoren genutzt werden können. Das sind die drei einzigen Optionen, die wir für 2030 nach aktuellem Stand zur Verfügung haben. Dazu haben wir sehr exakt den CO2-Ausstoß dieser verschiedenen Varianten analysiert – hier gibt es keine großen Unterschiede. Das Elektroauto ist dort ein klein bisschen schlechter, weil die Produktion von Batterien relativ energieaufwendig ist, dafür ist es im Betrieb etwas günstiger. Die anderen beiden Optionen können, genauso komplett CO2- oder weitgehend CO2 frei realisiert werden.
Als nächstes haben wir untersucht, wie viel Primärenergie eingesetzt werden muss. Die Primärenergie ist natürlich ein Maß dafür, wie viel erneuerbare Energie benötigt wird, also wie viel neue Solaranlagen, Windkraftanlagen müssen dafür aufgebaut werden. Und daraus lassen sich dann natürlich auch sehr einfach die voraussichtlichen Kosten ableiten. Bei der Analyse des Primärenergiebedarfs stellt man fest, dass das Elektroauto hier massive Vorteile hat, weil der Wirkungsgrad sehr hoch ist, etwa 80 Prozent. Im Vergleich fallen dann die E-Fuels und der Wasserstoff sehr stark ab, weil die Energiewandlungsketten extrem ineffizient sind und der Wirkungsgrad dadurch sehr stark abnimmt.
Wenn man das nun wirtschaftlich analysiert, stellt man fest, dass sich 2030 eigentlich nur noch das Elektroauto rechnet. Die E-Fuels - oder gegebenenfalls auch Wasserstoff - kommen nur dann in Betracht, wenn man eine sehr geringe Jahreskilometerleistung von etwa 5.000 bis 8.000 km fährt und dann aber gleichzeitig sehr lange Strecken zurücklegt. Das wäre also das klassische Anwendungsszenario eines Wohnmobils. Sobald man über 10.000 km pro Jahr fährt, lohnt sich nur noch das Elektroauto.