Elektromobilität: Chance und Risiken
Welchen Stellenwert nimmt das Thema Elektromobilität für Sie ein?
Dr. Paul Beinhofer: Mobilität ist für uns heute eine Selbstverständlichkeit. Sie ist nicht nur ein Grundbedürfnis, sondern auch eine wesentliche Basis für wirtschaftliches Wachstum, Wohlstand und persönliche Freiheit. Mit einem zunehmenden Mobilitätsbedürfnis sind aber auch negative Erscheinungen verbunden, mit denen die Kommunen zu kämpfen haben, wie beispielsweise Schadstoffbelastung, Verkehrslärm oder verstopfte Straßen. Soll die Energiewende als gesamtgesellschaftliches Projekt gelingen, so müssen auch effiziente, klimaschonende und bezahlbare Verkehrsmittel bzw. –infrastrukturen bereitgestellt werden. Vor allem die Elektromobilität kann einen nicht unerheblichen Beitrag zur Verringerung der CO2-Emissionen leisten. Denn bei der Verwendung regenerativer Energie gilt die Elektromobilität als besonders klimafreundlich.
Wo liegen aus Ihrer Sicht noch große Hürden und wie könnte man diese beseitigen?
Dr. Paul Beinhofer: Für die Akzeptanz der Elektromobilität wird eine allerorts funktionierende und universal zugängliche Ladeinfrastruktur von besonderer Bedeutung sein. Hier gilt es, die Standortwahl verschiedener Ladepunkte möglichst eng aufeinander abzustimmen, so dass letztlich ein engmaschiges und flächendeckendes Netz entsteht. Neben der Bereitstellung von Fördermitteln zum Ausbau der Ladeinfrastruktur können hier auch Landkreise, Regionalmanagement-Initiativen oder interkulturelle Allianzen eine wichtige Koordinierungsfunktion übernehmen. So hat zum Beispiel der Landkreis Würzburg ein Projekt zum Aufbau einer landkreisweiten Ladeinfrastruktur angestoßen, übrigens auch mit einer finanziellen Beteiligung. Auch die Bezirksregierung unterstützt die Zusammenarbeit der Kommunen. Durch unsere Fachgespräche zur Elektromobilität – mit kompetenter Unterstützung durch Bayern Innovativ – stärken wir die kommunale Kompetenz im Bereich Elektromobilität und stellen ein Forum mit Fachvortrögen und Praxisbeispielen zum Erfahrungsaustausch bereit.
Elektromobilität im ländlichen Raum
Welche Möglichkeiten hat die öffentliche Hand, um Elektromobilität weiter voran zu bringen?
Dr. Paul Beinhofer: Die öffentliche Hand sollte auch eine Vorbildfunktion einnehmen. Insbesondere die Beschaffung ist ein wichtiges Instrument, um die Markteinführung von Elektrofahrzeugen anzuschieben. In Unterfranken haben schon mehrere Gemeinden und Landratsämter Elektroautos in ihren Fuhrpark integriert und damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Ich denke da beispielsweise an das Landratsamt Miltenberg: Hier nutzen die Verwaltungsmitarbeiter mittlerweile umfänglich Elektroautos bzw. Hybridfahrzeuge für Dienstfahrten. Auch wir haben eine Schnellladesäule bei der Regierung von Unterfranken eingenommen und unseren Fuhrpark um ein Elektroauto ergänzt. Auch auf Bundesebene sehe ich verschiedene Maßnahmen. So hat der Bundesgesetzgeber bereits zahlreiche Anreize zugunsten der Elektromobilität gesetzt, wie den sogenannten Umweltbonus oder auch das erwartete Ladesäulen-Förderprogramm mit 300 Millionen Euro. Neben finanzwirksamen Maßnahmen wurde bereits 2015 das Elektromobilitätsgesetz zur Kennzeichnung und Privilegierung von E-Autos im Straßenverkehr verabschiedet. Dadurch können Kommunen elektrisch betriebene Fahrzeuge bevorzugen, beispielsweise beim Parken und bei Zufahrtsbeschränkungen. Aber auch die Ladesäulenverordnung gibt unseren Kommunen einen klaren Rahmen vor und hilft, in die richtige Richtung zu investieren.
Reichen derartige Anstrengungen aus, um die Elektromobilität zu etablieren?
Dr. Paul Beinhofer: Dies sind wichtige Einzelschritte, auch um Berührungsängste abzubauen. Doch eine flächendeckende Anwendung von E-Fahrzeugen stellt insbesondere an die Schnittstellen zwischen Energieversorgung, Fahrzeugtechnik und Einsatzzweck hohe Anforderungen. Nennenswerte Beiträge zum Klimaschutz werden sich nur dann realisieren lassen, wenn die verschiedenen Verkehrsströme und –träger konzeptionell miteinander verbunden werden. Auch hier sind unsere Kommunen bereits tätig. So setzt etwa die Stadt Würzburg mit ihren „Mobilstationen“ gerade ein Konzept zur Verknüpfung unterschiedlicher Mobilitätsangebote um. An zentralen Straßenbahnhaltestellen können die Bürgerinnen und Bürger auf den Öffentlichen Personennahverkehr, Taxen, Leihfahrräder oder Carsharing zurückgreifen. Die Elektromobilität kann letztlich nur ein Bestandteil der Lösung des Konflikts aus Mobilitätsbedürfnis und Ressourcenknappheit sein. Daher gilt es, nicht nur auf den Individualverkehr zu setzen, sondern auch den Nahverkehr im Auge zu behalten. Hier sind beispielsweise die Stadtwerke Bad Neustadt a.d. Saale in Unterfranken wegweisend. Nach einer erfolgreichen Versuchsphase wird dort voraussichtlich im Mai ein vollständig elektrisch betriebener Bus im Regelbetrieb eingesetzt.
Elektromobilität und Wirtschaft
Wie bewerten Sie die wirtschaftlichen Chancen und Risiken der Elektromobilität?
Dr. Paul Beinhofer: Als Technologie der Zukunft hat die Elektromobilität natürlich auch eine industriepolitische Bedeutung mit wesentlichen Impulsen für die Ausrichtung der Industrielandschaft. Deutschland als starkes Exportland soll mit hochinnovativen Produkten auch bei der Elektromobilität seine weltweite Spitzenposition behaupten. Der Automobilbau stellt in Unterfranken mit einer Vielzahl an Zulieferfirmen eine bedeutende Säule unserer Wertschöpfung dar. Als stark technologieorientierte Region sind die Unternehmen hier in besonderem Maße auf Innovationen angewiesen. Eine leistungsfähige Industrie und eine starke Forschungslandschaft – wie wir sie hier bei uns vorfinden – bilden gute Ausgangsbedingungen, um diese Stellung auszubauen. In Bad Neustadt a.d. Saale, der bayernweiten ersten Modellstadt für Elektromobilität, konnte das Thema Elektromobilität frühzeitig in Unterfranken verankert werden. Wir haben heute im Regierungsbezirk eine hohe Kompetenzdichte in diesem Themenfeld. Mit dem Technologietransferzentrum Elektromobilität in Bad Neustadt a.d. Saale, oder auch mit den Fraunhofer-Instituten für Silicatforschung und dem Bayerischen Zentrum für angewandte Energieforschung in Würzburg sind hier starke Forschungspartner vertreten. Neben den bekannten Zuliefererfirmen der Automobilbranche haben wir auch junge innovationsstarke Unternehmen, die beispielsweise Systemkomponenten für elektrische Antriebe und Batteriespeicher entwickeln und produzieren, eine Heimat gefunden. Die aktive Beteiligung an der Weiterentwicklung und Verbreitung der Elektromobilität bietet unserer Region also nicht nur ökologische, sondern auch ökonomische Chancen.