Digitalisierung und ökologische Nachhaltigkeit

19.02.2020

Die Fasern aus China, die Veredelung in Vietnam, in Bangladesch konfektioniert, in Europa verkauft. Solch eine Reise um den Globus kennzeichnet die Produkte der Textil- und Bekleidungsindustrie mit ihrer komplexen Struktur an Wertschöpfungsprozessen und -partnerschaften. In dieser textilen Kette nehmen Entwicklungs- und Schwellenländer eine zentrale Rolle ein. Die Bedeutung der Weltmärkte und damit das Gefüge in den Wertschöpfungsketten der Textil- und Bekleidungsindustrie ändern sich jedoch immer wieder vor dem Hintergrund sozialer, gesetzlicher und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen.

Digitalisierung und Nachhaltigkeit Wie verändern neue Geschäftsmodelle und bedeutend neue Technologien wie etwa die Digitalisierung und Automatisierung die Textil- und Bekleidungsbranche? Wie stark sind der Wunsch und der Bedarf nach ökologisch-nachhaltiger Produktion? (Bildnachweis: Fotolia@GoodMoodPhoto)

Textil- und Bekleidungsbranche: Wachstum garantiert

Unbestritten ist, dass die globale Nachfrage nach textilen Produkten weiter steigen wird. Allein jeder Deutsche kauft im Schnitt 60 neue Kleidungsstücke im Jahr; 2014 wurden global 100 Milliarden neue Kleidungsstücke produziert. Schätzungen gehen davon aus, dass 2025 die weltweite Nachfrage allein nach Bekleidung mit 2,1 Billionen US-$ fast doppelt so hoch sein wird wie 2012 (1,1 Billionen US$). Das eröffnet Entwicklungs- und Schwellenländern weitere Möglichkeiten, an diesem Wachstum teilzuhaben.

Spezialisierung auf Technische Textilien als Wettbewerbsvorteil

Ein wichtiges Zukunftsfeld sind technische Textilien. Verschiedene Studien benennen das weltweite Volumen mit unterschiedlichen Zahlen in der Größenordnung von ca. 135-140 Mrd. Euro bis zu 212 Mrd. US-$. Da technische Textilien zunehmend neue Anwendungsfelder erschließen, ist mit steigenden Zahlen zu rechnen. Schwellenländer wie China sehen ein Marktpotenzial und versuchen, hier Kompetenzen aufzubauen.

Der ursprünglich starke und traditionsreiche Textilstandort Europa – und explizit Deutschland – konnte sich über eine Spezialisierung auf technische Textilien und den Fokus auf Innovation im globalen Gefüge neu platzieren, nachdem die Herstellung von Standardtextilien und Bekleidung Ende des 20. Jahrhunderts aufgrund steigender Produktionskosten zunehmend in Länder mit günstigen Lohnkosten abwanderte. Heute zählt die deutsche Textilindustrie als international führend auf dem Gebiet der technischen Textilien. Der Gesamtverband textil+mode beziffert den Anteil Technischer Textilien mit ca. 60 Prozent des deutschen Branchenumsatzes.

In Anbetracht der globalen Entwicklung wird der weltweite Anteil technischer Textilien an der Textilproduktion kontinuierlich steigen. Zudem könnten innovative textile Produkte und technische Textilien in Entwicklungs- und Schwellenländern einen Beitrag leisten, um dort existierende Herausforderungen in der medizinischen Versorgung, dem Zugang zu Wasser sowie den steigenden Energiebedarf und die voranschreitende Urbanisierung zu lösen.

Neue Geschäftsmodelle durch Digitalisierung und Nachhaltigkeit

Technologische Innovationen wie neuartige automatisierte Fertigungsverfahren oder digitalisierte Prozesse im Zuge der Industrie 4.0 ermöglichen zudem neue Geschäftsmodelle. Aspekte wie soziale, ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit werden immer wichtiger – auch für Standortentscheidungen. Nachhaltigkeit hat sich bereits zu einem Wettbewerbsfaktor in der Textil- und Bekleidungsindustrie entwickelt.

Die textile Wertschöpfungskette wird sich verändern

Diese Trends werden die Art und Weise, wie zukünftig textile Produkte und Bekleidung entwickelt, produziert und verkauft werden, maßgeblich beeinflussen. Davon werden die Produzenten in Entwicklungs- und Schwellenländern betroffen sein; es ist davon auszugehen, dass sich das Gefüge in den globalen textilen Wertschöpfungsketten verändern wird.

Die Beschaffungs-Karawane der Bekleidungsproduktion zog bis dato immer in die Länder mit den günstigsten Fertigungskosten. Aktuell sucht die Branche aufgrund steigender Löhne in den großen Herstellerländern wie China nach alternativen Produktionsmärkten in Südost-Asien (Bangladesch, Vietnam, Kambodscha, Myanmar), und in Afrika.  Die Digitalisierung und Automatisierung von Prozessen wird zunehmend attraktiv – damit verlieren Lohnkostenvorteile in Zukunft an Bedeutung. Es ist nicht auszuschließen, dass in Folge ein Teil der Produktion in Industrienationen zurückverlagert wird. Wollen die Entwicklungs- und Schwellenländer Schritt halten, sind hohe Investitionen erforderlich sowie der Aufbau entsprechender Aus- und Weiterbildungen und Studiengänge.

Bildung/Ausbildung und Wissens- sowie Technologietransfer spielen auch für die Realisierung einer ökologisch nachhaltigen Produktion eine wesentliche Rolle. Das Thema Umweltschutz wird für die Textil- und Bekleidungsproduktion in Entwicklungs- und Schwellenländern zukünftig weiter stark an Bedeutung gewinnen. Der Druck auf die Markenhersteller durch sensibilisierte Kunden, durch Regularien bezüglich der einsetzbaren Chemikalien und ressourcenschonendere Verfahren wird größer und verlangt ein – möglichst global abgestimmtes – Handeln. Nur dann ist es möglich, den Weg zu einer ökologisch nachhaltigen Textil- und Bekleidungsindustrie erfolgreich zu beschreiten. Wobei hier in vielen Punkten noch ein Forschungs- und Entwicklungsbedarf für nachhaltige Technologien und Lösungen gegeben ist. Jedoch gibt es bereits heute viele Stellschrauben, an denen die Unternehmen in Entwicklungs- und Schwellenländern drehen können: Allen voran am Einsatz moderner, ressourcenschonender Anlagen und umweltfreundlicherer Chemikalien.

Studie "Einfluss neuer Technologien auf die Rolle von Entwicklungs- und Schwellenländern in der globalen Textil- und Bekleidungsproduktion"

Die kürzlich von Bayern Innovativ veröffentlichte Studie untersucht die aktuelle und zukünftige Bedeutung wichtiger Entwicklungs- und Schwellenländer in der Textil- und Bekleidungsindustrie anhand von Einschätzungen zu Rahmenbedingungen, Chancen und Herausforderungen (z. B. Infrastruktur, politische Stabilität). Die Daten basieren auf Interviews mit Unternehmensvertretern aus Deutschland, Äthiopien, Indien, Pakistan und Vietnam sowie einer umfassenden Onlineabfrage von Beschäftigten in der deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie.

Die Studie wurde im Rahmen einer Zuwendung durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gefördert.

Laden Sie sich die Studie hier kostenfrei herunter!

Ihr Kontakt

Dr. Petra Blumenroth