DiGAs – Digitale Gesundheitsanwendungen auf ärztliches Rezept im Kommen

Die Einführung der digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs) im Rahmen des Digitale-Versorgung-Gesetzes (DVG) Ende 2019 könnte den digitalen Versorgungslösungen in Deutschland zukünftig einen enormen Schub verleihen. Welche Vorteile dies für das medizinische sowie pflegerische Personal, die zu behandelnden Personen und weiteren Beteiligten mit sich bringt und wie sich die Gesundheitsversorgung dadurch ändern wird, haben wir den Experten Christian Weigand gefragt. Er forscht nicht nur beim Fraunhofer IIS in diesem Bereich, sondern berät auch als CTO im Digital Health Application Center Firmen bei der Anmeldung zur DiGA.

DiGAs
Die Einführung der digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs) könnte den digitalen Versorgungslösungen in Deutschland zukünftig einen enormen Schub verleihen.

Christian, DiGAs ist kein neuer Begriff aus der Jungendsprache, sondern die Abkürzung für „Digitale Gesundheitsanwendung“. Kannst Du uns erläutern, was wir uns darunter vorstellen können?
Christian Weigand: Digitale Gesundheitsapplikationen (DiGAs oder die „App auf Rezept“) sind seitdem neuen Digitale-Versorgung-Gesetz für Anbieter im deutschen Gesundheitswesen eine weitreichende Möglichkeit, eine Rückvergütung für telemedizinische Leistungen zu bekommen. Konkret bedeutet dies, dass dem Patienten vom Arzt zugelassene digitale Gesundheitsanwendungen, wie Medikamente, verschrieben werden können. Deutschland bietet mit etwa 71 Millionen gesetzlich Versicherten damit einen weltweit einmaligen Markt für digitale Gesundheitslösungen.

Eine DiGA ist somit einfach gesagt, verglichen mit Medikamenten, eine Art der digitalen Therapieform. Medikamente müssen aber bekanntlich einen langwierigen Zulassungsprozess durchlaufen, bis wir als Patienten diese einnehmen dürfen. Wie ist das bei den DiGAs? Gibt es dort ähnliche Zulassungsverfahren, wie laufen diese ab und wer prüft, ob eine digitale Versorgungslösung eine DiGA wird?
Christian Weigand: DiGAs müssen bereits vor ihrer Anmeldung beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) verschiedene Voraussetzungen erfüllen, die sowohl die Sicherheit in puncto Datenschutz als auch die des Medizinproduktegesetzes gewährleisten. So muss jede DiGA vor Anmeldung bereits ein zertifiziertes Medizinprodukt sein. Zusätzlich gibt es hohe Anforderungen an Datenschutz und -sicherheit und der sogenannte positive Versorgungseffekt wird außerdem vom BfArM geprüft. Dieser muss sich auf den medizinischen Nutzen oder auch auf den Bereich der patientenrelevanten Verfahrens- und Strukturverbesserungen beziehen und wird üblicherweise durch entsprechende Studienergebnisse nachgewiesen.

Somit ist also nicht jede App oder digitale Gesundheitsanwendung automatisch eine DiGA. Wie grenzt sich das ab und was bedeutet das für diejenigen, die eine solche Anwendung nutzen wollen?
Christian Weigand: Anwendungen, die eben keinen medizinischen Nutzen oder entsprechende Verbesserungen leisten, können nicht als DiGA zugelassen werden. Ein Beispiel wäre eine Fitnesstracker-App, die bei vielen Smartwatches enthalten ist. Aber auch Anwendungen zur Primärprävention können nicht in das DiGA-Verzeichnis aufgenommen werden. Grundsätzlich bietet das Zulassungsverfahren und die Aufnahme ins DiGA-Verzeichnis dem ärztlichen Fachpersonal und den zu behandelnden Personen die Sicherheit, dass geprüfte DiGAs tatsächlich einen Mehrwert für ihre Gesundheit bieten und nach bestem Wissen und Gewissen nach dem Stand der Technik geprüft sind.

Die Weichen einer digitalen Zukunft im Gesundheitsbereich sind gestellt. Viele neue digitale medizinische Anwendungen werden in der kommenden Zeit zur Verfügung stehen. Diese digitalen Gesundheitsapplikationen (DiGA) werden einen großen Mehrwert für die Gesundheitsversorgung bieten und sind durch die Zulassung als Medizinprodukt und die Prüfung durch das BfArM getestet.

Christian Weigand Leiter des Mobile Health Lab vom Fraunhofer IIS und CTO im Digital Health Application Center


Stichwort Sicherheit: Das Thema Datenschutz und Datensicherheit ist seit Jahren allgegenwärtig und wurde in der Vergangenheit von Kritikern gerne als Argument gegen die Digitalisierung im Gesundheitswesen angeführt. Sind DiGAs denn sicher und kann ich darauf vertrauen, dass meine Daten in diesem Zuge auch wirklich geschützt sind?
Christian Weigand: Zum einen gilt für DiGAs natürlich auch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), zum anderen haben Medizinprodukte gewisse Anforderungen an Datenschutz und Sicherheit einzuhalten, worauf bei der Zertifizierung geachtet wird. Darüber hinaus verlangt die Zulassung zur DiGA von der herstellenden Firma zukünftig ein geprüftes IT-Sicherheits-Managementsystem (ISMS). Dieses muss während des Betriebs einer DiGA die Anwendung laufend auf Schwachstellen prüfen und gegebenenfalls müssen die aufkommenden Sicherheitslücken vom Unternehmen umgehend geschlossen werden.

Zum 01. Januar 2021 ist die elektronische Patientenakte (ePA) der gesetzlichen Krankenkassen gestartet. In dieser werden zukünftig alle meine Diagnose-, Therapie- und sonstigen Gesundheitsdaten gespeichert. Sind die DiGAs und die ePAs der Krankenkassen miteinander vernetzt?
Christian Weigand: Die gesetzlichen Vorschriften zur DiGA-Zulassung verlangen von den herstellenden Unternehmen bereits heute eine gewisse Interoperabilität – genauer gesagt, dass unterschiedliche Systeme möglichst nahtlos zusammenarbeiten können. Damit wird der Einsatz offener Standards, um Daten transferieren zu können, angestrebt. Das beinhaltet auch explizit die Verbindung mit der seit 01.01.2021 zugänglichen ePA und deren folgenden Versionen zur semantischen Interoperabilität.

Das heißt, wir bekommen nun nicht mehr nur Medikamente, sondern auch Apps von der Ärztin, dem Arzt verschrieben. Aber wie löse ich dann ein solches Rezept ein? Wohl kaum in der Apotheke, oder? Und gibt es schon erste DiGAs, die zugelassen sind?
Christian Weigand: Das Rezept, das der Arzt oder die Ärztin bei einer entsprechenden Diagnose ausstellt, enthält einen Zahlencode, die Pharmazentralnummer (PZN), ähnlich wie für Medikamente, die die DiGA genau identifiziert. Die zu versorgende Person lädt sich die App aus dem Appstore ihres Anbieters herunter und reicht das Rezept bei ihrer Krankenkasse ein. Von dieser erhält sie einen Freischaltcode, mit dem sich die App nun für die Dauer der Therapie freischalten lässt.

Aktuell können bereits elf digitale Gesundheitsanwendungen verschrieben werden und mehr als weitere 70 befinden sich im Anmeldeprozess. Auf der Seite des BfARM gibt es das DiGA-Verzeichnis, in dem alle zugelassenen Anwendungen und die Zulassungsrelevanten Daten aufgeführt sind.

Angenommen, ich habe eine Idee für eine DiGA und möchte diese nun umsetzen. An wen kann ich mich in Bayern wenden? Wer hilft mir beispielsweise bei der Suche nach Kooperationen oder bei klinischen Studien?
Christian Weigand: Bayern ist hier sehr gut aufgestellt. Neben den Netzwerken und Plattformen wie dem Cluster Medizintechnik mit dem Medical Valley und die ZD.B-Themenplattform Digitale Gesundheit und Medizin bietet der Freistaat auch gute Förderprogramme für Forschungs- und Entwicklungsprojekte. Auch das H+ Digital Health Innovation Programme bietet Start-ups eine gute Unterstützung. Wir vom Digital Health Application Center (dmac GmbH) in Bamberg haben uns darauf fokussiert, Anwendungsanbieter z. B. bei klinischen Studien oder aber der Zulassung als DiGA zu beraten und zu unterstützen. Wir analysieren das jeweilige Vorhaben, identifizieren die noch zu lösenden Probleme und erarbeiten mit den Firmen in sogenannten Solution Workshops zielgerichtete Lösungen mit unseren jeweiligen Experten und Expertinnen.

Zum Abschluss noch eine Frage an Dich Christian: Welche spannenden Entwicklungen neben den DiGAs gibt es aktuell und welche kommen in den nächsten Jahren noch auf uns zu?
Christian Weigand: Ein aktuell großes Thema ist auch der Krankenhauszukunftsfonds. Hier sollen in den nächsten Jahren über vier Milliarden Euro in die Digitalisierung der Krankenhäuser investiert werden. Im Laufe dieses Jahres soll dann noch das sogenannte Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG) in Kraft treten, mit dem dann unter anderem auch die Voraussetzung für die digitalen Pflegeanwendungen (DiPAs) geschaffen werden und grundsätzlich auch die Pflege digitaler werden soll. Auch die zu Beginn dieses Jahres gestartete elektronische Patientenakte (ePA) wird weiter ausgebaut (Stichwort: semantische Interoperabilität) und erhält neue Funktionen wie die Möglichkeit zur Datenspende für die Forschung. Darüber hinaus sind eArztbrief und eRezept Themen in der Zukunft, so wie generell eine stärkere Vernetzung der Leistungserbringer, -träger und Patienten.