Offene Fehlerkultur im Unternehmen
Gemeinsam aus Fehlern lernen, um Innovation anzutreiben
07.01.2025
In einer offenen Fehlerkultur werden Fehler nicht als etwas rein Negatives angesehen, sondern Mitarbeitende werden ermutigt, zu gemachten Fehlern zu stehen und diese als Team aufzuarbeiten. Fehler werden also als Chance gesehen, etwas dazuzulernen und so die Innovationskraft eines Unternehmens zu stärken. Die Syngenity® GmbH, ein international erfolgreiches Beratungsunternehmen für Informationssicherheit, Qualitätsmanagement und Datenschutz, lebt bereits eine solch offene Fehlerkultur. Im nachfolgenden Interview verrät Bastian Härzer, Gründer der Syngenity® GmbH, die Beweggründe, warum er sich für eine offene Fehlerkultur entschieden hat und welche Erfahrungen sie als Team mit dieser Entscheidung gesammelt haben.

Wie stehst Du zum Thema Risiko und Fehler, wenn es um innovative Lösungen geht?
Bastian Härzer: Ich selbst bin der innovative Teil, das heißt, ich blende ein Stück weit die potenziellen Fehler und Risiken aus. Ich habe aber mein Team, das es ganz anders sieht und mich ein Stück weit auch bremst und fragt, wie wir mit einer möglichen Idee umgehen und wie wir sie umsetzen. Also wie wir aus einer Idee tatsächlich dann in irgendeiner Form ein Produkt oder eine Dienstleistung entwickeln können.
Wie gelingt Euch als Team die Balance zwischen Fehlern, Risikovermeidung und innovativem Handeln?
Bastian Härzer: Wir haben uns dazu entschieden, schnell zu wachsen. Das heißt, wir sind bewusst das Risiko eingegangen, auch Fehler zu machen. Was wir aber tun, ist offen damit umzugehen und zu sehen, welche Idee in welcher Zeit ein Risiko oder einen Fehler produziert hat und wie wir relativ schnell nachjustieren können. Das ist eine bewusste Entscheidung. Das heißt, wir haben definitiv Fehler gemacht, das wissen wir, wir sind aber auch entsprechend sehr schnell und offen damit umgegangen. Wir können jeden Fehler einmal machen, wir wollen ihn aber nicht zweimal machen. Und das ist eine bewusste Management-Entscheidung gewesen. Andere analysieren, machen vielleicht Studien und belegen, wie man etwas weniger Fehler macht. Wir haben gesagt, wir haben eine Chance am Markt und diese Chance bedeutet in unserem Fall ein Stück weit auch Geschwindigkeit. Und für diese Geschwindigkeit haben wir in Kauf genommen, auch mal Fehler zu machen.
Wie stehst Du zu dieser Debatte, man spreche nicht von einer Fehler-, sondern von einer Lernkultur?
Bastian Härzer: Tatsächlich haben wir den Begriff Lernkultur so noch gar nicht verwendet, für uns ist es eine Fehlerkultur. Wir sprechen offen darüber, und zwar alle, von der Geschäftsführung über jeden Mitarbeitenden, ob international oder national, das spielt für uns gar keine Rolle. Es gibt kulturelle Unterschiede in anderen Ländern, was ein Fehler bedeutet, aber auch da sind wir dabei, die Mitarbeitenden mit einzubeziehen und zu sagen: „Das ist eine bewusste Entscheidung, Ihr dürft Fehler machen.“ Das ist ein Teil der Geschwindigkeit, die wir auch ein Stück weit von den Mitarbeitenden fordern, um zu wachsen und um das Unternehmen voranzutreiben.
Unterscheidet Ihr zwischen kleinen und großen Fehlern?
Bastian Härzer: In der täglichen Arbeit passieren immer mal kleinere Fehler. Das ist auch normal, dann wird es direkt besprochen. Das sind normale Sachen, das wird bei uns auch intern kommuniziert. Zum Beispiel, wenn jemand vielleicht an einer Richtlinie vorbeigekommen ist oder wenn in einem anderen Zusammenhang Fehler bei uns intern aufgefallen sind, oder wenn es vielleicht eine neue Information gibt, die vorher noch nicht jeder hatte. Das ist das tägliche Geschäft. Was für uns tatsächlich Fehlerkultur bedeutet, ist die Geschwindigkeit. Wenn jemand eine neue Idee hat und beispielsweise in ein neues Land expandieren möchte oder ein neues Thema bearbeiten möchte, dann fragen wir uns, was das neue Thema für uns bedeutet. Nehmen wir in unserem Fall die aktuelle NIS-2-Richtlinie, die gerade herausgekommen ist. Das sind neue gesetzliche Anforderungen im Bereich Informationssicherheit. Das haben wir letztes Jahr gewusst und uns gefragt, wie wir es einschätzen. Zum Beispiel, ob es ein nationales oder ein europäisches Thema ist, wie wir damit umgehen oder wie wir Produkte dazu entwickeln können, und so weiter. Dann überlegen wir uns, wer die Verantwortung dafür und dann auch für dieses Produkt hat. Wir fragen uns, wer die ersten Referenzkunden bekommt. Und wie wir eine möglichst schnelle Lernkurve bekommen, idealerweise auch schneller als der Wettbewerb, um auf dem Markt eine Lösung und dementsprechend auch ein neues Produkt zu haben, um es in unser Dienstleistungs-Portfolio einzubringen. Und dabei machen wir natürlich Fehler, weil wir auch auf diese Geschwindigkeit gehen. Das muss aber ein Stück weit auf Teamleiterebene oder Führungsebene schnell bearbeitet werden, dass wir uns nicht nachhaltig schädigen.
Wie schaffst Du es, nicht zu stark in die Risikoschiene zu gehen?
Bastian Härzer: Wir haben letztes Jahr einen ganz großen Fehler gemacht. Wir geben den Mitarbeitenden große Schuhe und die sind immer zwei oder drei Nummern zu groß, damit sie hineinwachsen können. Da gab es die Entscheidung zu sagen: „Ich habe das im Griff, ich übernehme das Thema“ und dann haben wir ein Stück weit losgelassen. Am Ende waren das vielleicht diese zwei bis drei Nummern zu groß und es hätte vielleicht nur eine halbe Nummer zu groß sein sollen. Da mussten wir tatsächlich hinterher nachkorrigieren. Der Fehler hat uns eine niedrige sechsstellige Zahl gekostet, wir haben wirklich auch Lehrgeld bezahlt. Der Unterschied war aber, dass wir den Fehler transparent gemacht haben. Wir haben kommuniziert, dass es nicht schlimm ist, wenn der Schuh drei Nummern zu groß ist. Dann machen wir kleinere Schritte und sagen unseren Mitarbeitenden, sie sollen erstmal um eine Nummer wachsen und danach schauen wir weiter. Das hat dann auch jeder verstanden. Hinterher war das sehr, sehr positiv. Der Fehler, der uns letztes Jahr Geld gekostet hat, hat uns einen Faktor X dieses Jahr gespart, weil wir ihn transparent gemacht haben und weil wir dieses Jahr viel stärker und nachhaltiger wachsen konnten als letztes Jahr. Manchmal ist so ein Fehler reinigend, wenn man damit richtig umgeht. Und das haben wir versucht. Ich glaube auch, dass es uns gelungen ist, weil wir es transparent gemacht haben. Das hat uns wachsen lassen.
Ich klatsche auch nicht Applaus für jeden Fehler, der gemacht wird. Aber ich und auch unsere Mitarbeitenden können zumindest mit ein bisschen Abstand, wenn sie den Fehler Revue passieren lassen, sagen, wo sie falsch abgebogen sind, was sie falsch eingeschätzt haben oder nicht haben kommen sehen. Und das ist genau diese Lernkurve, wo dann, wenn man es transparent macht, alle anderen sagen, da frage ich nochmal nach. Mittlerweile haben wir eine Kultur, in der die Mitarbeitenden auch untereinander reden und gar nicht mehr unbedingt mit mir, und sowas sagen wie „Letztes Jahr ist das und das passiert, was meinst denn Du dazu? Ich möchte gern den Fehler nicht nochmal machen.“ Das ist entscheidend und damit bekommen wir eine richtig gute Dynamik. Es sind keine großen Ausschläge mehr. Wenn ein Fehler passiert, ist der vergleichsweise klein, weil wir letztes Jahr mal einen großen hatten. Das ist für den Moment tatsächlich richtig gut und macht auch wirklich Spaß, weil wir gut vorankommen.

Wir haben uns dazu entschieden, schnell zu wachsen. Damit sind wir bewusst das Risiko eingegangen, auch Fehler zu machen. Was wir aber tun, ist offen damit umzugehen, um zu sehen, welche Idee zu welcher Zeit einen Fehler produziert hat und wie wir schnell nachjustieren können.
Bastian Härzer
Geschäftsführender Gesellschafter, Syngenity® GmbH
Würdest Du sagen, dass Euch das Thema Cybersicherheit eher beflügelt, wenn es um den Umgang mit Risiken und Fehlern geht, oder ist es eher hinderlich?
Bastian Härzer: Für uns ist es eher förderlich. Wir arbeiten in einem Bereich, den es nicht schon seit zehn, 15 oder 20 Jahren gibt. Da kann niemand sagen, er sei der langjährige Experte. Die Dynamik ist auf dem Markt zu groß, was das Thema Informationssicherheit angeht. Und deshalb hat diesen Erfahrungswert kein anderer und das heißt, man darf auch noch ein Stück weit Fehler machen. Ich hatte vorhin das Beispiel NIS-2 gebracht, da ist jetzt dieses Jahr im Oktober die finale Version herausgekommen, mit der man arbeiten kann. Da kann eben keiner sagen, er kennt das Thema schon seit zehn Jahren. Man muss jetzt mit dieser neuen Anforderung umgehen und sich fragen, wie man sie aus dem Erfahrungswert von anderen Normen und Richtlinien auswertet. Das ist auch unser Vorteil, dass wir diese Vergleichswerte haben. Und wir setzten das dann entsprechend um.
Aus welchem persönlichen Risiko hast Du im Nachhinein am meisten gelernt?
Bastian Härzer: Ich bin ja nicht der klassische Gründer von meinem Alter her. Ich habe Anfang 40 tatsächlich noch mal den Weg in die Selbstständigkeit gesucht und bin aus einer Führungsposition mit entsprechendem Gehalt ausgestiegen. Um mit einer Familie, einem Häuschen und drei Kindern – also ganz klassisch konservativ – einen solchen Schritt zu wagen, ist Mut erforderlich. Es bedeutet, die Familie einem gewissen Risiko auszusetzen. Der erarbeitete Lebensstandard könnte möglicherweise nicht mehr gehalten werden. Dafür braucht es eine starke Ehefrau, die diesen Weg mitgeht und an einen glaubt. Dann muss man aber auch mit voller Arbeit hineingehen. Also man muss realistisch sein. Man baut ein Unternehmen nicht in einer 35-Stunden-Woche auf und man muss dann auch wirklich Herzblut einbringen. Aber wenn man das macht, dann verschwimmt wiederum das Risiko ein bisschen. Ich sage immer, wenn Begeisterung für ein Thema da ist und ein Stück weit auch der Markt da ist und das Potenzial, daraus etwas zu machen, dann ist es ein kalkulierbares Risiko. Sonst hätte ich es so auch nicht gemacht. Somit hat es für alle Beteiligten etwas gebracht. Es hat sicherlich auch die Familie noch mal ein Stück näher zusammengebracht, die heute mit Begeisterung mitarbeitet.
Welche Managementkompetenzen braucht es, um heute Innovationspionier zu sein?
Bastian Härzer: Erstmal muss man mutig sein, nicht den gewohnten Pfad zu gehen, sondern nach neuen Themen zu suchen, die noch nicht besetzt sind und sich diesen anzunehmen. Es sind immer zwei Sachen, einerseits muss ich jeden Monat Rechnungen bezahlen, ich muss also auch ein Thema haben, mit dem ich irgendwo Geld verdienen kann. Ich muss auf der anderen Seite aber auch sehen, wie sich Märkte entwickeln und wie sich andere Bereiche entwickeln und mich fragen, wie ich in so einem Bereich innovativ sein kann. Wenn ich andere Kolleginnen und Kollegen treffe, vielleicht auch andere Gründer, dann sind ganz oft unheimlich viele innovative Ideen dabei, es dauert aber fünf Jahre, bis man damit auch Geld verdienen kann. Ich komme aus einer Unternehmerfamilie mit einem anderen Hintergrund, ich möchte schon jeden Monat auch meine Rechnungen bezahlen können. Also suche ich mir auch ein Thema, mit dem ich heute erstmal Geld verdienen kann, mit dem ich arbeiten kann, um dann darauf aufzubauen und innovativ zu sein. Ich glaube, man braucht in beiden Richtungen sowas wie einen Anker, dass man auch einschätzen kann, ob man sich am Markt vorbei entwickelt. Ich kann nicht sagen, eine Leistung oder ein Produkt ist 2.000 Euro oder 5.000 Euro oder 10.000 Euro wert, wenn ich vorher nicht weiß, wie aufwendig es ist, diesen Betrag zu verdienen. Und eine Frage ist, ob es überhaupt angemessen ist, also ob der Markt bereit ist, diesen Betrag zu bezahlen. Dieser Anker fehlt manchmal, wenn man nur rein auf die Innovation setzt, aber man braucht es in beide Richtungen.
Wenn Du einen Fehler als Superhelden benennen müsstest, welchen Namen würdest Du wählen?
Bastian Härzer: Also für uns ist es, wie gesagt, mutig und deshalb ist es Captain Courage. Wir gehen sehr mutig voran, wir trauen uns Dinge und das ist der Kern oder ein Stück weit auch die DNA unserer Unternehmenskultur, und den Weg müssen wir auch weiterhin gehen, wenn wir weiterhin so wachsen wollen und so erfolgreich sein wollen. Mutig zu sein und sich Dinge ein Stück weit zu trauen, dann aber natürlich auch mal bereit sein, den Fehler zu machen, aber damit halt auch offen umzugehen.
Das Interview führte Dr. Tanja Jovanovic, Leitung Marketing und Innovationsmanagement, Mitglied der Geschäftsleitung, Bayern Innovativ GmbH, Nürnberg.
Hören Sie sich das vollständige Interview als Podcast an:
Länge der Audiodatei: 00:16:11 (hh:mm::ss)
Innovationspionier Bastian Härzer (Geschäftsführender Gesellschafter der Syngenity® GmbH) verrät in dieser Folge, wie er als Gründer und Führungskraft mit Fehlern in seinem Unternehmen umgeht und warum ein Fehler nicht immer etwas Negatives sein muss.