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Massivbau – nachhaltig und digital
Die Bauwirtschaft erlebt gegenwärtig einen fundamentalen Wandel: die Art und Weise, wie Menschen leben, arbeiten, wohnen und bauen wird hinterfragt und radikal verändert. Megatrends wie Digitalisierung, Ressourcenverknappung und Klimawandel, demografische Veränderungen und Urbanisierung beeinflussen die Entwicklung neuer Technologien und Produkte auch im Bausektor immer stärker.
Neben den Megatrends hat die weltwirtschaftliche Gesamtlage einen bedeutenden Einfluss auf die Bauwirtschaft, wie die energetische Sicherheit oder die Versorgungssicherheit mit Baumaterialien im Rahmen der Wertschöpfungsketten. Auch die Ansprüche von Bauherrinnen und Bauherren an Kosten und Energieeffizienz, Sicherheit, Gesundheit, Komfort und Designlösungen fordern neue Ideen im Bausektor und hier besonders im Massivbau. Vor diesem Hintergrund sind die thematischen Schwerpunkte des Symposiums „ Bau Innovativ 2023 “ gesetzt.

Europa auf dem Weg zur Klimaneutralität
Europa soll als erster Kontinent bis 2050 klimaneutral werden, so das Ansinnen des 2019 von der Europäischen Kommission vorgestellten European Green Deals. Zur Umsetzung wurde 2020 im Zuge dessen die Taxonomieverordnung entwickelt. Sie klassifiziert sämtliche Wirtschaftstätigkeiten in Bezug auf ihre Nachhaltigkeit. Ziel ist es, Unternehmen, Investoren und politischen Entscheidungsträgern Informationen zu geben, welche Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig gelten. Die Verordnung sieht vor, dass Unternehmen ab 2023 an – und das betrifft auch die Baubranche – Angaben zu den Umweltzielen wie Kreislaufwirtschaft, Vermeidung von Umweltverschmutzung, Gewässerschutz sowie Biodiversität machen. Speziell für die Bauwirtschaft wurde von der Europäischen Kommission ebenfalls im Jahr 2020 eine Initiative unter der Bezeichnung Neues Europäisches Bauhaus ergriffen. Sie soll den European Green Deal zu einem europäischen Kulturprojekt erweitern. Es geht darum, Ideen und Konzepte zu entwickeln und diese in der Öffentlichkeit zu verbreiten, um neue Lebensweisen in Gebäuden zu unterstützen, die im Einklang mit der Natur und Umwelt stehen.
Mehr zu den EU-Rahmenbedingungen mit Taxonomieverordnung und Green Deal erfahren Sie im Rahmen unseres Symposiums .
Bauen in Bayern – Rahmenbedingungen und Perspektiven
Nachhaltigkeit, Ästhetik sowie Inklusion – die Rahmenbedingungen, die die Europäische Kommission mit Green Deal, Taxonomieverordnung und Neuer Europäischer Bauhaus Initiative definiert hat, sind gesetzt. Doch was bedeutet das für Deutschland und insbesondere für Bayern? Die Bauwirtschaft beschäftigt als Schlüsselbranche rund 6 Prozent aller Erwerbstätigen Deutschlands und trägt über 10 Prozent zum Bruttosozialprodukt bei. Allein der Freistaat Bayern bewegt jährlich ein Bauvolumen von acht bis neun Milliarden Euro und investiert als öffentlicher Auftraggeber beispielsweise in die Infrastruktur oder öffentliche Gebäude. Gleichzeitig stellt der Bau- und Immobiliensektor den Wirtschaftszweig mit dem größten Ressourcenverbrauch dar. Er ist für rund 40 Prozent aller Treibhausgase, 35 Prozent des Energieverbrauchs und 60 Prozent des Abfallaufkommens verantwortlich.
Welche Perspektiven für nachhaltiges Bauen sind hier gegeben? Einen entscheidenden Beitrag wird die Forschung zu Materialien und Bauarten sein, mit denen CO 2 -Emissionen gesenkt werden können. Diese wird mit staatlichen Mitteln gefördert. Weiterer Aspekt im Sinne bayerischer Baukultur ist ein ressourcenfreundlicher Umgang mit Flächen und Baustoffen. Hier erfahren Unternehmen, Planer und Architekten Unterstützung durch die öffentliche Verwaltung auf Landes- und Kommunalebene. Zu nennen sind hier Initiativen im Rahmen des Umweltpaktes, wie die Arbeitshilfen zur Bayerischen Kompensationsverordnung und das Bündnis für Flächensparen. Um im harten nationalen und internationalen Wettbewerb bestehen zu können, braucht es aber vor allem kreative Ideen und Innovationen. Die Zukunftsfähigkeit der Bauwirtschaft in Deutschland und in Bayern wird also auch davon abhängen, wie schnell es gelingt, Innovationen voranzutreiben.
Digitale Prozesse in der Bauausführung
93 Prozent der Unternehmen der Baubranche planen auch in Zukunft in ihre digitale Transformation zu investieren. Die Unternehmen haben erkannt, dass sie weiter digitalisieren müssen, um morgen noch wirtschaftlich erfolgreich zu sein – das hat der Digitalisierungsindex Mittelstand 2021/2022 ergeben. Gegenwärtig genutzt wird vor allem Branchensoftware, um die eigentlichen Bauprozesse schneller, transparenter und sicherer zu machen. Der Einsatz intelligenter Software reduziert Fehler gegenüber manuell erfassten Informationen und wird heute zum Beispiel für die Baustellenplanung oder Baudokumentation eingesetzt. Besonders im Bereich der Baulogistik verspricht man sich viel vom Einsatz digitaler Lösungen. Je besser es im Rahmen von Supply Chain Management gelingt, die Lieferketten zu optimieren, kann man die einzelnen Prozessschritte miteinander vernetzen. Angesichts sehr knapper Bauzeiten, engen Grundstücken, Facharbeitermangel, Kostendruck und teilweise sehr komplexen Bestellvorgängen mit getakteten Lieferterminen ergeben sich große Vorteile. Die Planungen der Termine und Betriebsmittel erfolgt dabei über Software und ist ortsunabhängig zugänglich. Auch Maschinen und Geräte können digitalisiert werden, indem sie mit GPS oder anderen Sensoren ausgestattet werden.
In Zukunft verspricht man sich durch weitere Vernetzung von Baumaschinen und Prozessausführung u. a. die schwankende Prozessqualität aufgrund weitgehend manueller Prozesse und Qualitätskontrolle, hohen Material- und Betriebsmittelverbrauch sowie hoher Auslastung der Fachkräfte vorausschauend auszugleichen. Dazu setzt man bereits bei der Planung des Bauprojekts zunehmend auf Digitalisierung. So kommt ein digitaler Zwilling zum Einsatz, das heißt, vor dem eigentlichen Bau wird das Bauvorhaben virtuell erstellt. Mit ihm lassen sich beispielsweise Varianten simulieren, Gewerke planen und eben das gesamte Bauwerk digital abbilden – mit Vorteilen durch Risikominimierung und eine zügige Umsetzung, da alle Beteiligten auf den gleichen Informationsstand zugreifen können. Damit steht der digitale Zwilling im Kern der digitalen Wertschöpfungskette.
Building Information Modeling – Gebäudeplanung in der virtuellen Welt
Im Baugewerbe hat man längst die Vorteile von Building Information Modeling (BIM) erkannt. Das Tool ermöglicht es, auch komplexe Gebäudemodelle mit allen relevanten Informationen digital über den gesamten Planungsprozess abzubilden. Die Vorteile liegen auf der Hand: höhere Planungssicherheit, vereinfachtes Risikomanagement, frühzeitige Erkennung möglicher Fehler. Auch Themen wie Umweltschutz und Nachhaltigkeit können abgedeckt werden. Die Planungsmethode Building Information Modeling (BIM) eignet sich zudem für die Sanierung und Modernisierung von Bestandsgebäuden. Unterstützung für alle Interessierten bietet BIM Deutschland. Dabei handelt es um das nationale Zentrum für die Digitalisierung im Bauwesen. Es wird gemeinsam vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr und vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen betrieben und ist die zentrale öffentliche Anlaufstelle des Bundes für Informationen und Aktivitäten rund um BIM. „Die Anwendung der Methode Building Information Modeling (BIM) erfordert einen abgestimmten Datenaustausch zwischen allen Akteuren in der Planung, dem Bau und dem Betrieb von Bauwerken sowie eine eindeutige, für alle Seiten klar nachvollziehbare Anforderungsdefinition,“ schreibt das BIM-Portal auf seiner Website . Wie die Umsetzung in der Praxis aussehen kann, wird im Vortrag „BIM in einem IPA-Projekt“ von Jakob Przybylo, DT Bau, Regionalsprecher buildingSMART beschrieben. buildingSMART ist das Kompetenznetzwerk für digitales Planen, Bauen und Betreiben von Bauwerken. Als Non-Profit-Organisation treibt es die digitale Transformation der gesamten Wertschöpfungskette Bau voran. Ziel ist es, Bauprojekte durch bessere Abstimmung zwischen den Beteiligten effizienter zu gestalten.
Additive Fertigung: 3-D-Druck im Bau
Was wäre, wenn nicht nur die Planung mit Tools wie BIM digital ablaufen könnte, sondern auch der reale Bau? Gemeint ist die additive Fertigung von Bauteilen oder sogar ganzen Häusern. Hier zeichnet sich der 3-D-Betondruck als vielversprechender Trend in der Baubranche ab. Vorteile verspricht man sich einerseits durch die langlebige und widerstandsfähige Bauart gedruckter Gebäude. Andererseits werden komplexe und individuelle Formen und Strukturen ermöglicht. Weitere Aspekte, die für 3-D -Druck sprechen, sind der optimierte Materialeinsatz durch automatisierte Berechnungen, schnellere Fertigung und ein geringerer Bedarf an Mitarbeitenden, was natürlich dem Fachkräftemangel entgegenwirkt.
Erste Projekte werden bereits im 3-D-Druck umgesetzt, wie von der EIGNER Bauunternehmung GmbH aus Nördlingen. Mehr zu diesem Thema erfahren Sie im Praxis-Vortrag „3-D-Druck im Bau“ im Rahmen des Symposiums.
Energieeffizientes und nachhaltiges Planen und Bauen
Das Bauwesen verursacht rund 40 Prozent des CO 2 -Ausstoßes und Energieverbrauchs. Außerdem ist es für mehr als die Hälfte der Abfälle verantwortlich. Hier ist Handeln durch energieeffizientes Planen und Bauen gefragt. Wesentlicher Bestandteil ist dabei die Lebenszyklusanalyse. Dazu wird ein Gebäude auf seinen ökologischen, energetischen und ökonomischen Wert untersucht, inklusive Material, Betrieb, Rückbau und Recycling. Dabei fließen alternative Konstruktionsweisen oder verschiedene Materialien in die Betrachtung mit ein. So kann sich der Bauverantwortliche ein genaues Bild von Energieeffizienz, anfallenden CO 2 -Emissionen, Möglichkeiten der Wiederverwendbarkeit sowie Kosten machen und auf dieser Grundlage seine Entscheidungen treffen. Unterstützt werden kann die Analyse durch Online-Datenbanken wie bauteilnetz.de oder restado.de. Diese ermitteln den Wert von Baustoffen für eine mögliche Wiederverwendbarkeit und tragen damit zum nachhaltigen Planen und Bauen bei. Aspekte wie Vorfertigung, Leichtbauweisen oder digitale Fertigung eröffnen weitere Potenziale für nachhaltiges Bauen.
Mehr zu diesem Thema und warum wir gar keine andere Wahl haben, als nachhaltig zu bauen, erfahren Sie im Rahmen unseres Symposiums.
Kreislaufwirtschaft und nachhaltiges Bauen
Nachhaltiges Bauen ist im Massivbau das Gebot der Stunde. Das betrifft den möglichst geringen Ressourcenverbrauch bei der Errichtung von Gebäuden, eine möglichst geringe Umweltbelastung sowie der wirtschaftliche Betrieb während ihrer Nutzungsdauer. Massivhäuser punkten hier durch ihre Robustheit, ihre sehr gute Fähigkeit zur Wärmespeicherung und Langlebigkeit. So werden die Kriterien der Nachhaltigkeit im Vergleich zu Häusern in Leichtbauweise besser erreicht. Einer Studie der Technische Universität Darmstadt zufolge führt ein Massivhaus durch nachhaltiges Bauen zu signifikant geringeren Umweltbelastungen als ein beispielsweise in Holzständerbauweise errichtetes Gebäude. Weiterer Vorteil: die gemauerten Wände, die aus mineralischen Materialien bestehen, können nach ihrer Nutzung erneut dem Kreislauf zugeführt werden.
Wie gut sich die Bestandteile von Häusern nach Ende ihrer Nutzungsdauer wiederverwenden und recyceln lassen ist ein wesentliches Thema für der Kreislaufwirtschaft. Kommt die Abrissbirne oder gibt es umweltfreundlichere Alternativen? Beim Abbruch werden zahlreiche Rohstoffe frei, die man wiederverwenden könnte. Doch leider ist dies heute kaum die gängige Praxis. Zumeist wird der Bauschutt teuer als Mischabfall entsorgt. Anders sieht das bei ausgehobenen Böden aus. Diese werden entweder in technischen Bauanwendungen oder als Verfüllung von Gruben und Brüchen ortsnah verwendet. Aktuell wird in Bayern anfallender mineralischer Bauschutt bis zu 80 Prozent recycelt und Straßenaufbruch sogar bis zu über 90 Prozent. Die Umwelt profitiert durch die Schonung natürlicher Boden und Baustoffressourcen und Deponieflächen können gespart werden.
Weiteres Thema der Kreislaufwirtschaft ist statt dem kompletten Abriss von Gebäuden der selektive Rückbau von Gebäuden, um Teile wiederzuverwenden. Das betrifft auch Fertigteile aus Beton, die aktuell beim modularen Bauen neben Leichtbauweisen verwendet werden. Mittlerweile haben Fertighäuser auf dem deutschen Markt für Ein- und Zweifamilienhäuser einen Anteil von rund 23 Prozent. Tendenz steigend. Ein großes Potenzial also für die Kreislaufwirtschaft.
Recyclingfähigkeit von Baustoffen
Baumaterialien wie Sand, Kies oder Schotter sind als mineralische Baustoffe recyclingfähig. Um Ressourcen zu schonen, sollten diese Sekundärrohstoffe in der Bauwirtschaft wiederverwendet werden – auch um CO 2 bei ihrer Herstellung einzusparen. Dafür setzen sich unter anderem der bayerische Industrieverband Baustoffe Steine und Erden e. V. und der Baustoff Recycling Bayern e. V. gemeinsam ein. Ziel ist es, die Nutzung von recyclingfähigem Material zu erhöhen. Einschätzungen der Technischen Universität München zufolge könnten nach den derzeit gesetzlich geltenden Vorgaben rund 6,6 Millionen Tonnen Recyclingbaustoffe allein in den bayerischen Transportbetonwerken eingesetzt werden. Genutzt werden aber – auch aufgrund der teilweise schwierigen räumlichen Verfügbarkeit – weniger als 100.000 Tonnen pro Jahr. Auch hier ist also noch Luft nach oben.
Betonrecycling spart Ressourcen
Gerade beim Thema Betonrecycling tut sich zurzeit einiges. Das beginnt schon bei der Herstellung von Beton im Werk. Hier wird überschüssiger Frischbeton oder das sogenannte Restwasser wieder aufbereitet und dem Produktionsprozess erneut zugeführt. Dazu werden in der Recyclinganlage des Betonwerks flüssige und feste Bestandteile getrennt. Bei den festen Bestandteilen setzt man anstelle von Kies oder Splitt rezyklierte Gesteinskörnungen ein. Das spart wertvolle Ressourcen. Auch rückgebaute Betonbauteile oder erhärtete Betonfertigteile und -waren, die den Qualitätsansprüchen nicht genügen, können vollständig im Prozess wiederverwendet werden. Fertigbeton, der aus rezykliertem Material hergestellt wird, ist auch unter der Bezeichnung R-Beton bekannt. Von den Eigenschaften her ist er im Grunde genauso fest wie Beton, der nur mit natürlichen Gesteinskörnungen hergestellt wurde. Heute decken in Deutschland Recycling-Baustoffe schon fast 13 Prozent des Bedarfs an Gesteinskörnung ab. Sie ersetzen damit Rohstoffe, die sonst natürlichen Lagerstätten entnommen werden müssten. Angesichts der erschwerten Erschließung weiterer Lagerstätten natürlicher Gesteinskörnungen und Möglichkeiten, Bauschutt zu deponieren, wird das Recycling von Baustoffen in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen, ist sich die Zement- und Bauindustrie sicher.