Autor: Jan Mühlstein, Energie&Management
Stand: Januar 2015
Was passiert, wenn es zu einer Kernschmelze in einem Reaktor kommt? Dr. Klaus Hassmann, Sprecher das Clusters Energietechnik, hat anlässlich des Unfalls im Kernkraftwerk Fukushima im Jahr 2011 Erkenntnisse der Risikostudien der 1970er und 1980er Jahren zusammengefasst. In dem rund 40-seitigen Beitrag "Der Supergau - Kernschmelzen und was man darüber wissen sollte" erinnert Klaus Hassmann an die seit mehr als 25 Jahren vorliegenden Erkenntnisse über die physikalischen und chemischen Phänomene und Abläufe bei Kernschmelzen.
"Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass mir die Katastrophe in Japan so zusetzen würde", so Klaus Hassmann. Der Maschinenbauer, der 1977 am Institut für Kernenergetik der Universität Stuttgart promoviert hat, beschreibt damit sein Mitgefühl mit den betroffenen Menschen, aber auch sein Unverständnis für die chaotischen Gegenmaßnahmen des Betreibers des havarierten Kraftwerks und seine lückenhafte Informationspolitik. Doch auch die Berichterstattung in deutschen Medien brachte Hassmann auf: "Es wurden längst vorgefasste Meinungen wiederholt, die physikalischen Abläufe in einem Kernkraftwerk wurden aber, wenn überhaupt, nur sehr rudimentär erläutert." Vor allem bemängelt er, dass in der öffentlichen Diskussion jeder Hinweis auf die "seit mehr als 25 Jahren vorliegenden Erkenntnisse über die physikalischen und chemischen Phänomene und Abläufe bei Kernschmelzen" fehlen. Damit meint er die 1979 veröffentlichte Deutsche Risikostudie Kernkraftwerke, die Mitte der 1980er Jahre nochmals überarbeitet wurde.
Forschungsprogramm Kernschmelzen
Hassmann gehört nicht zu denen, die es dabei belassen, sich zu ärgern. Er setzte sich deshalb hin und fasste die Ergebnisse des im Rahmen der Risikostudie durchgeführten Forschungsprogramms Kernschmelzen, an dem er als Wissenschaftler beteiligt war, zusammen. Oder genauer: Er fasste die Ergebnisse nochmals zusammen, weil er dies schon mit dem 1987 veröffentlichten Buch "Spaltproduktfreisetzung bei Kernschmelzen, methodische Bestimmung experimentelle Absicherung" getan hat. So beschreibt er, was im Einzelnen passiert, wenn es durch einen "auslegungsübergreifenden Störfall" zur Kernschmelze in einem Druckwasserreaktor kommt, welche Wechselwirkungsprozesse ablaufen, wie noch die teilgeschmolzenen Brennelemente gekühlt werden können. Er verschweigt nicht, welche Gefahr von dem freigesetzten Wasserstoff ausgeht. Er berichtet, wie lange die einzelnen Barrieren - von denen das Reaktordruckgefäß und das Containment die wichtigsten sind - die Freisetzung der radioaktiven Spaltprodukte verhindern können. Er legt dar, welche Abbaumechanismen wirken, wenn es gelingt, die Spaltprodukte über Tage im Gebäude zu halten.
Keine endgültige Sicherheit für Szenarien der Kernschmelze
Hassmann kennt aber auch die Grenzen. Die Frage, was ihn sicher mache, dass alle Unfälle nur nach den untersuchten Szenarien ablaufen würden, beantwortet er knapp: "Nichts." Die Wahrscheinlichkeit dafür sei aber groß. Außerdem können die Bedienermannschaften in gewissen Grenzen die Prozesse noch steuern, vorausgesetzt, sie besitzen die dazu nötigen Kenntnisse und sind entsprechend geschult.
Könne er damit Kernenergie-Skeptiker überzeugen? "Das will ich gar nicht", antwortet Hassmann. "Ich habe für die Neugierigen geschrieben, die mehr wissen wollen. Eine Bewertung, ob Kernenergie vertretbar ist oder nicht, wird der Leser in meinem Text nicht finden. Diese Entscheidung muss sie oder er, ob technisch vorgebildet oder nicht, selbst treffen."
Er selber würde keine Probleme haben, sich neben einem modernen Druckwasserreaktor anzusiedeln. Als Kernenergiefetischist sieht sich Hassmann aber nicht. Schließlich hat er sich in seiner über 20-jährigen Tätigkeit bei Siemens nicht nur mit Reaktortechnik, sondern mit konventionellen Kraftwerken, Kohlevergasung, Wasserkraft, solarem Wasserstoff, Brennstoffzellen sowie mit der Erforschung erneuerbarer Energien beschäftigt. Und auch nach seiner 2003 erfolgten Pensionierung ist er in Sachen Energie freiberuflich und beratend unterwegs, auch als Sprecher des Cluster Energietechnik Bayern. "Gewisse Dinge, die mit der Kernenergie passiert sind, haben mir auch nicht gefallen", fügt Hassmann zu. "Was in Asse oder in Krümmel passiert ist, hat mich schon sehr nachdenklich gemacht."
Das rund 40-seitige pdf-Dokument "Der Supergau - Kernschmelzen und was man darüber wissen sollte" hat die Fachzeitschrift Energie & Management unter www.energiemarkt-medien.de/fileadmin/ftp/2011-04-kernschmelzen-hassmann.pdf veröffentlicht.