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Gas und seine Rolle in der Energiewende
Autor: Thorsten Koch, Zuse Institut Berlin - Alexander Martin, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (Stand: Februar 2015) Die Energiewende und ihr Gelingen sind derzeit im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Sie ist gesellschaftlich und politisch von zentraler Bedeutung, da sich Deutschland, wie viele andere Industrienationen, in einer dramatisch zunehmenden Abhängigkeit von einer zuverlässigen, sicheren, effizienten und finanzierbaren Energieversorgung befindet. Gleichzeitig ist das Verlangen nach einer sauberen, umwelt- und klimafreundlichen Energieerzeugung so groß wie nie. Um dies zu ermöglichen und parallel den Ausstieg aus der Kernenergie zu bewältigen, spielt Gas als Energieträger in den nächsten Jahrzehnten eine entscheidende Rolle als Übergangstechnologie.
Gas ist auf absehbare Zeit ausreichend vorhanden, gut transportier- und speicherbar und kann effizient und sauber verstromt werden. Gleichwohl impliziert die Fokussierung auf eine effiziente Gasversorgung eine Vielzahl von Problemen, sowohl in Bezug auf den Transport, die Netztechnik und Speicherung, als auch was die Berücksichtigung marktregulatorischer Bedingungen und die Kopplung mit anderen Energieträgern betrifft.
Das Gasnetz stellt einen hervorragenden Weg dar, den für die Energiewende unabdingbar notwendigen Zugang zu einem ausreichend dimensionierten Energiespeicher bereitzustellen. Es ist technisch möglich Energie in Wasserstoff oder künstliches Methan umzuwandeln und dieses dann in das Gasnetz einzuspeisen. Dies ist grundsätzlich auch mit Bio-Methan aus regenerativen Quellen möglich. Die Kapazität der existierenden Erdgasspeicher beträgt rund 200.000 GWh, das entspricht verstromt ungefähr dem gesamten deutschen Stromverbrauch für 2 Monate. Der Energieverbrauch zum Betrieb des gesamten Netzes beträgt zurzeit ungefähr 5.000 GWh pro Jahr. Durch den Einsatz von Elektroverdichtern und die Verwendung überschüssiger Energie zur Drucksteigerung im Netz („Power2Gas“) könnte dieser aus regenerativen Quellen abgedeckt werden.
Bereits die in den letzten Jahren erfolgte Neuordnung des Marktes hat die Gasnetzbetreiber vor viele Herausforderungen gestellt. Dieser Prozess schreitet nach wie vor durch die politisch unruhigere Situation, durch das Einbeziehen neuer Technologien und die zunehmenden Anforderungen an die Flexibilisierung bei gleichzeitiger Effizienzsteigerung kontinuierlich voran.
Die Situation im Gasgeschäft
Die Bedingungen im Gasgeschäft haben sich in den letzten Jahren fundamental geändert. Bis ins Jahr 2004 waren Handel, Transport und Speicherung in einer Hand, d.h., Konzerne wie EON/Ruhrgas oder RWE besaßen das Pipeline-Netz und die Speicher und haben die Verträge mit den Lieferanten und Kunden abgeschlossen. Deutschland war regional unter den Konzernen aufgeteilt. Die Planung erfolgte langfristig, die Steuerung von Netz und Speicher war integriert und mit dem Handel verbunden. Das typische Szenario war wie folgt: Mit Lieferanten und Abnehmern wurden langfristige Verträge geschlossen. Das Gas wurde dann im konzerneigenen Netz von den Lieferanten zu den Abnehmern transportiert. Die Speicher wurden zur Erhöhung der Versorgungssicherheit eingesetzt. Die Gesamtsituation war insgesamt statisch und für den Betreiber vollständig bekannt, vorhersehbar, stabil und kontrollierbar.
Im Jahr 2005 hat Deutschland mit dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) die seit den 90ern in der EU vorbereitete Entflechtung des Gasmarktes begonnen:
Gashandel, -transport und -speicherung liegen jetzt in den Händen von unabhängig agierenden Firmen. Für den Gashandel gibt es nun einen Markt mit konkurrierenden Angeboten verschiedener Händler, derer sich Anbieter und Lieferanten bedienen können. Die Transportleitungsnetzbetreiber sind nun lediglich für den Transport des Gases zuständig. Sie besitzen selbst kein Gas, sie handeln nicht damit und haben keinen Einfluss darauf, wer wann Gas wohin transportieren möchte. Ebenso gehören die Speicher jetzt unabhängigen Speicherbetreibern, die ihre Dienste an Händler verkaufen und deren Ziele damit nicht mehr vorrangig der Versorgungssicherheit dienen[1].
Der Gastransport unterliegt der Regulierung durch die Bundesnetzagentur, da hier durch den Besitz der Pipelines im Wesentlichen regionale Monopole bestehen. Gashandel funktioniert heute wie folgt: Der Gesetzgeber hat einen sogenannten virtuellen Handelspunkt eingerichtet, d. h. für den Händler ist das physikalische Gasnetz ohne Bedeutung. Händler können Gas an jedem Einspeisepunkt einspeisen und die Abnehmer können das Gas an jedem Ausspeisepunkt entnehmen. Zusätzlich können die Händler das Gas innerhalb des Systems am sogenannten virtuellen Handelspunkt an andere Händler übergeben (Ein- bzw. Verkaufsgeschäfte tätigen). Die Händler sind lediglich verpflichtet, dass die von ihnen ein- und ausgespeisten Gasmengen identisch sind. Wohin die eingespeiste Gasmenge transportiert wird und woher das Gas am Ausspeisepunkt kommt, ist allein in der Verantwortung des Gasnetzbetreibers. Die Entfernung zwischen den Punkten hat dabei keinen Einfluss auf die Kosten des Transportes für den Händler.
Fakten zum Gasnetz
- Gastransport, -Speicherung und -handel werden von unabhängig agierenden Firmen durchgeführt. Insgesamt haben die Gasnetzbetreiber in Deutschland keinen Einfluss auf die Speicher.
- Das Netz wird derzeit von 14 verschiedenen Gasnetzbetreibern gesteuert, es gibt keine einheitliche Vorgehensweise.
- Die Steuerung des Netzes erfolgt meist manuell durch Operateure von Leitzentralen aus. Die Entscheidungen, wie das Netz gefahren wird, basiert im Wesentlichen auf der Erfahrung des Personals der Leitzentralen.
- Probleme im Netz die sich durch Steuerung nicht vermeiden lassen, werden mit Hilfe von Regelenergie, Lastflusszusagen und der Unterbrechung von Kapazitäten behoben.
- Die Gasfernleitungsnetzbetreiber unterliegen der Regulierung der Bundesnetzagentur.
Zahlen zum deutschen Gasnetz (2010) | GWh |
Gesamter Treibenergieverbrauch Gasnetz | 5.000 |
Gasverbrauch Kraftwerk Irsching 4 bei Volllast pro Stunde | 1 |
Speicherkapazität des Gasnetzes | <6.000 |
Speicherkapazität der Gasspeicher | 200.000 |
Bruttostromerzeugung Kernenergie | 140.000 |
Bruttostromerzeugung Deutschland | 628.000 |
Gesamtenergieeinspeisung Gasnetz (ungefähr 50/50 Verbrauch/Durchleitung | 1.160.000 |
Länge des deutschen Gasfernleitungstransportnetzes | 35.000 km |
Anzahl der Gasfernleitungsnetzbetreiber | 14 |
Herausforderungen und Aufgaben
Um die Steuerung des Gasnetzes weiter zu verbessern und den Erfordernissen der Energiewende anzupassen, ist Forschung in allen Bereichen notwendig. Wiewohl die Physik eines einzelnen Rohres sehr gut verstanden ist, ist das Wissen um das Verhalten und Dynamiken in hochgradig vermaschten Netzwerken gering. Um in Zukunft eine optimale Nutzung der vorhandenen Kapazitätsreserven im Gasnetz und eine Effizienzsteigerung durch Verringerung des Antriebsenergiebedarfs zu erreichen, um mit Brennwertschwankungen durch Einspeisung von mittels erneuerbarer Energie erzeugten Gasen (Wasserstoff, Methan) umgehen zu können, um eine dynamische Steuerung des Netzes als Energiespeicher zu erreichen ist umfangreiche Forschung, wie sie im SFB/TransRegio 154 erfolgt, und Entwicklung unabdingbar.
[1] Die ursprüngliche Erwartung, dass die Speicher wegen niedriger Preise im Sommer gefüllt und im Winter geleert werden, hat sich nicht erfüllt. Die Gaspreise verhalten sich weniger saisonal als angenommen, und infolge dieser nicht vorhergesehenen Entwicklung waren die Speicher zu Beginn des Winters nicht gefüllt, was sich dann aus Sicht der Versorgungssicherheit als sehr problematisch erweisen kann.