Die Entwicklung des Begriffs Bioökonomie

„Bio“ allein ist noch nicht nachhaltig

Nachhaltigkeitskonzepte streben danach, Ökologie, Ökonomie und soziale Belange miteinander in Einklang zu bringen. Die Bioökonomie geht einen großen Schritt weiter. Konsequent umgesetzt ist sie ein komplett neues Wirtschaftssystem, das unsere gesamte Gesellschaft verändern würde.

Begriffserklärung Bioökonomie
Der verstärkte Anbau von Energiepflanzen wie Raps, Mais und Ölpalmen in Monokulturen führt zu einem Rückgang der Artenvielfalt und zur Zerstörung von Lebensräumen für Tiere und Pflanzen.

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Spätestens mit dem 1972 veröffentlichten Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ des Club of Rome ist auch außerhalb von Fachkreisen bekannt, dass fossile Rohstoffe wie Erdöl, Erdgas oder Kohle unseren Bedarf an Rohstoffen nicht unbegrenzt decken können. Die Nutzung erneuerbarer Ressourcen bietet eine nachhaltigere Alternative. Doch der Einsatz nachwachsender Rohstoffe allein ermöglicht noch kein nachhaltiges Wirtschaften. So führt der verstärkte Anbau von Energiepflanzen wie Raps, Mais und Ölpalmen in Monokulturen nicht nur zu einem Rückgang der Artenvielfalt und zur Zerstörung von Lebensräumen für Tiere und Pflanzen, sondern tritt auch hinsichtlich der verfügbaren Anbauflächen in Konkurrenz zur landwirtschaftlichen Lebensmittelproduktion. Eine Münchener Forschungsgruppe konstatierte 2018 in diesem Zusammenhang, „dass die Ausweitung des Anbaus solcher Energiepflanzen für die Artenvielfalt genauso schädlich ist wie der Klimawandel selbst.“ [1] Aufgrund des fortschreitenden Klimawandels ist zudem der Aspekt der Dekarbonisierung in der Energieerzeugung zur Reduzierung der Treibhausgase mehr in den Fokus gerückt. In der industriellen Produktion wächst zunehmend das Bewusstsein für Kreislaufmodelle wie Up-, Down- und Recycling, um Rest- und Abfallstoffe als wertvolle Rohstoffe bestmöglich zu nutzen und zugleich CO2-Emissionen zu minimieren.

Suffizienz, Konsistenz, Effizienz – drei Säulen für ein nachhaltiges Wirtschaften

Nachhaltigkeitskonzepte streben danach, Ökologie, Ökonomie und soziale Belange miteinander in Einklang zu bringen (Brundtland-Bericht 1987). Dies lässt sich nicht erreichen, indem man lediglich industrielle Prozesse auf nachwachsende Rohstoffe umstellt. Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte haben vielmehr gezeigt, dass sowohl das bekannte Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit „People – Planet – Profit“ als auch die drei Prinzipien „Suffizienz – Konsistenz – Effizienz“ ineinandergreifen müssen, um nachhaltiges Wirtschaften zu ermöglichen [2]:

  • Suffizienz: ein verringerter Verbrauch von Ressourcen wie Material und Energie, der durch nachhaltigere Produktion und ein verändertes Konsumverhalten erzielt wird – ein Gegenentwurf zur „Wegwerfgesellschaft“.
  • Konsistenz: der Einsatz ökologisch verträglicherer Ressourcen und Technologien und die Etablierung von Kreislaufsystemen zur Wiedernutzung – „weg von der linearen Produktwirtschaft hin zu einer Kreislaufwirtschaft“, die ohne Abfälle auskommt.
  • Effizienz: die ergiebigere Nutzung von Rohstoffen und Energie – oft ermöglicht durch technische Innovationen.

Kontrovers diskutiert wird in diesem Zusammenhang vor allem der Aspekt der Suffizienz. Denn dieser erfordert nicht nur eine Transformation industrieller oder wirtschaftlicher Prozesse, sondern ein gesamtgesellschaftliches Umdenken. Gesichtspunkte wie unser Konsumverhalten sowie kurze Produktlebenszyklen und die geplante Obsoleszenz von Produkten stehen auf dem Prüfstand [3]. Dennoch bleibt unbestritten: Bioökonomie ist nicht nur ein neues technologisches Konzept, sondern ein komplett neues Wirtschaftssystem, das unsere gesamte Gesellschaft umkrempeln kann. Erforderlich ist eine umfassende Transformation von Industrie, Wirtschaft, Forschung & Entwicklung, Politik und Gesellschaft – ähnlich wie im Fall der Digitalisierung. Nur so lassen sich die gesellschaftlichen Herausforderungen der Zukunft meistern. Die Weiterentwicklung der Bioökonomie zu einer „zirkulären/kreislauforientierten Bioökonomie“ versucht, diese Anforderungen miteinander in Einklang zu bringen durch …

  • den Einsatz von nicht fossilen, biogenen, nachwachsenden, und nachhaltig erzeugten Rohstoffen
  • den Einsatz zirkulärer Verwertungskonzepte wie Kreislaufwirtschaft, Kaskaden- und Koppelnutzung sowie „Cradle to Cradle“ („Wiege zu Wiege“ – sinngemäß „Ansatz für eine durchgängige und konsequente Kreislaufwirtschaft“, die sich an biologischen Stoffkreisläufen orientiert)
  • Nutzung erneuerbarer Energien für die Produktion

Die Etablierung von Kreislaufwirtschaften steht neben der Berücksichtigung der UN-Nachhaltigkeitsziele und der Beschlüsse des Pariser Abkommens zum Klimaschutz auch im Mittelpunkt der 2018 veröffentlichten, aktualisierten EU-Bioökonomie- Strategie [4] und des europäischen Grünen Deals der EU-Kommission von 2019 [5]. Eine nachhaltige zirkuläre Bioökonomie kann einen entscheidenden Beitrag zur Erreichung der Ziele des europäischen Green Deals leisten.

Bioökonomiemodelle
Wettbewerbsfähige Bioökonomie-Modelle werden heute deutschlandweit bereits in allen großen Branchen eingesetzt. Die Abbildung zeigt Beispiele für biobasierte Lösungen in wichtigen Branchen. Quelle: Bundesministerium für Bildung und Forschung, Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft
Kreislauf Bioökonomie
In Anlehnung an das Circular Economy Modell der Ellen MacArthur Foundation werden in der zirkulären Bioökonomie die Rohstoffe in zwei Kreisläufen geführt, die miteinander verknüpft sind. Materialien werden durch Reparatur, Wiederverwendung und Recycling in Nutzung gehalten und im technischen Kreislauf geführt, bevor daraus neue Rohstoffe extrahiert und über den biologischen Kreislauf wieder zugeführt werden können. Die energetische Nutzung und Deponierung sollen dadurch auf ein Minimum reduziert werden. Manche Materialien wie Erze/Metalle werden nur im technischen Kreislauf geführt und durch Bergbau gewonnen. Hier kann die Biotechnologie für energieeffizientere/umweltschonendere Verfahren genutzt werden. Quelle: nach Ellen MacArthur Foundation

Bioökonomie stärkt die Regionen

Da nachwachsende Ressourcen regional unterschiedlich verfügbar sind, wird die bioökonomische Wertschöpfung auch von regionalen Stärken geprägt sein – allerdings gilt es, die vorhandenen Potenziale vor Ort zu erschließen und der Bevölkerung die wirtschaftlichen Perspektiven aufzuzeigen, die sich für sie mit der Bioökonomie eröffnen können. Die EU-Arbeitsgruppe „Der Grüne Deal – Going local“ will dieser Anforderung Rechnung tragen, und die Ziele der EU-Strategie für nachhaltiges Wachstum auch unmittelbar in den Städten und Regionen der EU verankern [6].

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Transformation, Projektmanagerin, Bayern Innovativ GmbH, Nürnberg