26.01.2024
Im Rahmen des BMBF-Projekts „Additive4Industry – Printed electronics on 3D substrates (A4I-PE3D)” forscht der Lehrstuhl für Fertigungsautomatisierung und Produktionssystematik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg zusammen mit Conti Temic microelectronic GmbH, Neotech AMT GmbH, GSB-Wahl GmbH und Holst Centre / TNO in Eindhoven an der vollständig additiven Herstellung elektronischer Baugruppen für Sensor- und Hochfrequenz-Anwendungen.
Autoren: Daniel Utsch, Michael Pfeffer, Jochen Wahl, Hüseyin Erdogan
Mit steigender Leistungsfähigkeit elektronischer Baugruppen nehmen auch die Anforderungen an verbesserte elektrische Isolation und Wärmeleitfähigkeit zu. Darüber hinaus kommen planar ausgeführte Module hinsichtlich Design-Freiheit und kosteneffiziente Fertigung geringer Losgrößen an ihre Grenzen. Das für Leiterplatten typischerweise eingesetzte FR4 besitzt häufig thermische Leitfähigkeitswerte im Bereich von 0,25 – 0,5 W/m*K auf, wohingegen keramische Materialien wie Aluminiumoxid eine Wärmeleitfähigkeit von über 20 W/m*K aufweisen. Vorteile der additiven Fertigung wiederum liegen unter anderem in der nahezu grenzenlosen Designfreiheit und der kostengünstigen Produktion von Losgröße Eins. Daher verspricht die Kombination von additiven Fertigungsverfahren (oft „3D-Druck“ genannt) und keramischen Materialien für Grundkörper in elektronischen Systemen ein verheißungsvoller Ansatz für zukünftige elektronische 3D-Baugruppen zu sein.
Daher forschte in den vergangenen dreieinhalb Jahren der Lehrstuhl für Fertigungsautomatisierung und Produktionssystematik (FAPS) der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) zusammen mit Conti Temic microelectronic GmbH, Neotech AMT GmbH, GSB-Wahl GmbH und Holst Centre / TNO in Eindhoven an der vollständig additiven Herstellung elektronischer Baugruppen für Sensor- und Hochfrequenz-Anwendungen unter Verwendung von keramischen Werkstoffen für die Substrate. Den Rahmen dazu bot das BMBF-Projekt „Additive4Industry – Printed electronics on 3D substrates (A4I-PE3D)” (Projektträger Jülich). Organisatorisch begleitend sowie federführend hinsichtlich Networking von Unternehmen und Instituten im Bereich der additiven Fertigung und gedruckten Elektronik waren der Cluster mechatronik & automation in Bayern sowie Brainport Development in der Region Eindhoven. Die vier Meilensteine des Projekts und die jeweiligen Ergebnisse sollen im Folgenden kurz skizziert werden.
Zunächst wurde die additive Herstellung von polymeren und vor allem keramischen Substraten mit niedriger Oberflächenrauheit für die anschließende Metallisierung erarbeitet. Zum Einsatz kam das 3D-Druck-Verfahren Fused Filament Fabrication (FFF), auch als Fused Deposition Modeling (FDM) bekannt, in dem das Ausgangsmaterial in Form eines Filamentfadens in der beheizten Druckerdüse aufgeschmolzen und anschließend strangförmig auf dem ebenfalls beheizbaren Druckbett abgelegt wird. Durch die Bewegungen des Extruderkopfes wird dabei das Druckbild und schichtweise das 3D-Bauteil generiert. Im Rahmen des Projekts wurden vor allem Al2O3 (Aluminiumoxid) und LTCC (Low Temperature Cofired Ceramics) mit dem FFF-Verfahren eingesetzt. Grundsätzlich benötigen keramische Werkstoffe nach dem Druck noch Nachbehandlungsschritte in Form eines chemischen Bades und Entbinderungs- sowie Sintervorgänge, um den nicht-keramischen Anteil im Filament zu eliminieren und eine Verdichtung des Bauteils sowie die schlussendlichen keramischen Eigenschaften zu erreichen. Im Projekt unterschied sich das Fertigungsverfahren der Schaltungsträger dahingehend, dass das Al2O3 zuerst vollständig nachbearbeitet wurde, bevor anschließend die Leiterbahnen auf den gesinterten Grundkörper gedruckt und nochmals gesintert wurden, während das LTCC als Grünling mit Leiterbahnen bedruckt und dann als Metall-Keramik-Verbund den chemischen und thermischen Nachbehandlungsprozessen unterzogen wurde (sogenanntes Co-Sintering). Im letzteren Fall sind folglich auch eingebettete leitfähige Strukturen möglich.
Der zweite Meilenstein bestand in der Entwicklung und Anwendung geeigneter leitfähiger Tinten und Pasten für die Metallisierung der gedruckten Keramiksubstrate. Neben dem Einsatz kommerziell verfügbarer Tinten als Referenz wurden neu entwickelte Silbertintenformulierungen unterschiedlicher Zusammensetzung und Viskositäten getestet und iterativ optimiert. Zur Erzeugung leitfähiger Strukturen auf den Keramiken wurde im Rahmen des Projekts mit 5-Achs-Anlage, die die Metallisierung einer dreidimensionalen Oberfläche ermöglicht, und Piezojet-Druck gearbeitet. Dieses Verfahren arbeitet nach dem Drop-on-Demand-Prinzip, das heißt, es werden einzelne Tropfen von leitfähiger Tinte auf ein 2D- oder 3D-Substrat aufgebracht, die sich im anschließenden Sintervorgang im Konvektionsofen zu einer Leiterbahn verdichten. Hierbei zeigt sich bereits ein Vorteil der keramischen Substrate im Gegensatz zu ihren polymerbasierten Pendants, da höhere Sintertemperaturen und längere Sinterzeiten eingesetzt werden können, ohne dass das Substratmaterial Schaden nimmt.
Die ausführliche Evaluierung der mechanischen und elektrischen Eigenschaften der gedruckten Keramiken und ihrer Metallisierungen stellte den dritten Meilenstein dar. Zur mechanischen Analyse kann die Bestimmung der Oberflächenrauheit der gedruckten Keramik gezählt werden. Hierfür wurden umfangreiche Studien zur Druckparameter-Optimierung durchgeführt, um die Rauheit zu senken, damit die Tinte beim anschließenden Piezojet-Druck nicht in den Rillen der Oberflächen verläuft. Je nach eingesetztem Düsendurchmesser (0,4 mm bzw. 0,3 mm) konnten Ra-Werte unter 3 µm bzw. unter 2 µm erreicht werden , Das mechanische Verhalten der Keramiken in Abhängigkeit unterschiedlicher Sinterprofile wurde analysiert. Erstmals kam dabei auch das Two-Step-Sintering (TSS) bei additiv gefertigten Keramiken in einer umfangreichen Studie zum Einsatz. Beim TSS-Ansatz wird der Bräunling rasch auf hohe Temperatur gebracht, dann etwas abgekühlt und anschließend bei einer langen Haltezeit gesintert. Das Ziel ist die Unterdrückung des Kornwachstums bei gleichzeitiger Erhöhung der Dichte, da ein feineres Gefüge zu verbesserten mechanischen Eigenschaften führt. Es zeigt sich, dass die thermischen Profile starken Einfluss auf das mechanische Verhalten haben. Am stärksten verbessert werden durch angepasste Ofenprogramme konnte die Druckfestigkeit der Keramiken gegenüber dem herkömmlichen Ofenprofil, leicht verbessert die Biegefestigkeit. Auch konnte der Weibull-Modul der gedruckten Keramiken erhöht werden; ein höherer Weibull-Modul indiziert eine höhere Werkstoffhomogenität und eine gleichmäßigere und feinkörnigere Mikrostruktur führen wiederum zu besseren mechanischen Eigenschaften . Die Untersuchungen der gedruckten leitfähigen Strukturen auf den Keramiken konzentrierten sich im Wesentlichen auf die Evaluierung der Haftfestigkeit und der spezifischen elektrischen Leitfähigkeit. Wie im Bereich der gedruckten Elektronik verbreitet, wurde die Haftfestigkeit mittels Abziehtest (Pull-off Test) ermittelt, bei dem ein Stempel auf ein rundes gedrucktes Pad geklebt und nach dem Aushärten des Klebers senkrecht abgezogen wird. Der elektrische Widerstand wurde mittels Vierleitermessung gemessen und mit mikroskopisch generierten Geometriedaten zur spezifischen elektrischen Leitfähigkeit verrechnet. Dabei zeigte es sich, dass diese beiden Eigenschaften durch erhöhte Sinterzeiten und Sintertemperaturen nach dem Tintendruck positiv beeinflusst werden können. Eine modifizierte Tintenformulierung, die im Rahmen des Projekts erstmals auf Keramik angewandt wurde, enthielt ein Additiv als Haftvermittler, was sich positiv auf die Haftfestigkeit auswirkte. Herausfordernd war der Overspray (Entstehung von Spritzern rund um das Druckbild während des Druckvorgangs) der wasserbasierten Tinten auf der Keramik. Um diesen zu verringern, wurden angepasste Druckparameter, eine Verringerung des Düsendurchmessers sowie eine Erhöhung der Tintenviskosität geprüft. Schließlich konnten Haftfestigkeiten erreicht werden, die den Stand der Technik von gedruckten Silberstrukturen übertreffen . Spezifische elektrische Leitfähigkeiten zwischen 17 und 20 MS/m sind für gedruckte Elektronik ebenfalls Werte, die sich sehen lassen können. Bei den LTCC-Keramiken stellte sich das chemische Bad als herausfordernd für die Haftfestigkeit der Leiterbahnen dar. Jedoch konnten in horizontalen Bereichen eingebettete Strukturen erzielt werden. Abbildung 1 zeigt links einen gedruckten Schichtaufbau mit LTCC-Keramik und eingebetteter Silberleiterbahn; in der Mitte ist ein Antennen-Demonstrator zu sehen, der mit der modifizierten Tintenformulierung metallisiert wurde, und rechts ein Zylinder-Demonstrator. Die Konzipierung, iterative Optimierung Umsetzung der Demonstratoren stellte zugleich den vierten und letzten Meilenstein des Projekts dar. Dadurch konnte das Co-Sintering mit LTCC-Keramiken im Kontext der additiven Fertigung gezeigt werden; ein Bauteil mit komplexer Oberfläche im Falle der Antenne (innenseitige Metallisierung des U-Profils mit kleinen Abmaßen) konnte bedruckt werden; und die Machbarkeit der additiven Herstellung und anschließenden Bestückung eines 3D-Bauteils aus Keramik konnte nachgewiesen werden. In den beiden letzteren Fällen war der 5-Achs-Druck aufgrund der vorhandenen 3D-Oberflächen unabdingbar.