Future Skills in der Gesundheitsbranche

Ökosystemkompetenz verstehen: Der Erfolgsfaktor für Health-Start-ups

26.08.2025

Eine gute Idee allein reicht im Gesundheitswesen oft nicht aus, um erfolgreich zu sein. Wer hier mit seiner Idee durchstarten will, braucht mehr als technisches Know-how. Man muss das komplexe Ökosystem aus Krankenkassen, Kliniken, Ärztinnen und Ärzten, Therapeutinnen und Therapeuten, Regularien und Förderstrukturen verstehen. Diese Ökosystemkompetenz entscheidet darüber, ob eine Innovation den Weg in die Versorgung findet, oder in der Schublade verschwindet. Sie bedeutet, die Sprache verschiedener Akteure zu sprechen, die richtigen Türen zu öffnen und zu wissen, wann der nächste Schritt zu gehen ist.
Warum diese Fähigkeit für Gründerinnen und Gründer in der Gesundheitsbranche so wichtig ist, welche Stolpersteine es gibt und wie man von Anfang an das richtige Netzwerk aufbaut, darüber spricht Matthias Schwarz, Geschäftsführer von Healthcare Founders, im Interview.

Herr Schwarz, erzählen Sie uns bitte, wer Sie sind und was Sie tun.

Matthias Schwarz: Meine Arbeit ist ziemlich vielfältig. Im Kern unterstütze ich Start-ups auf ihrem Weg in den deutschen Gesundheitsmarkt, vor allem in der frühen Phase, oft noch vor der eigentlichen Gründung. Wir schauen gemeinsam, wie der Markt funktioniert, welche Zugangswege es gibt und wo sich ein Unternehmen einordnen muss. Da ich aus dem Vertrieb komme, liegt mein Fokus auf dem Thema Sales. Ich versuche den Start-ups von Anfang an zu vermitteln, dass es nicht nur darum geht, Lösungen zu entwickeln, sondern auch Umsätze zu erzielen.

Warum sind Start-ups so wichtig für ein funktionierendes Gesundheitsökosystem?

Matthias Schwarz: Start-ups bringen Innovationen ins System, die es bisher nicht gab, neue Ideen, frische Perspektiven und die Fähigkeit, schneller zu agieren als etablierte Player. Viele Gründerinnen und Gründer haben zudem einen persönlichen Bezug zu ihrer Idee und brennen für ihre Lösung. Diese Leidenschaft und der Blick über bestehende Grenzen hinaus fehlen oft im System. Junge Unternehmen treiben außerdem die Digitalisierung voran und können mit ihren Ideen Problemen wie dem demografischen Wandel oder dem Fachkräftemangel entgegenwirken. So leisten sie einen wichtigen Beitrag, um die Gesundheitsversorgung auch in Zukunft zu sichern.

Welche Rolle spielen Quereinsteiger?

Matthias Schwarz: Eine große. Viele Gründer kommen von außen und haben keinen klassischen Gesundheitshintergrund. Gleichzeitig gibt es Ärztinnen und Ärzte, die mutig den Schritt in die Gründung wagen, weil sie den Versorgungsprozess aus eigener Erfahrung verändern möchten. Der Mix macht es aus, die Vielfalt der Perspektiven ist eine große Stärke des Ökosystems.

Vor welchen Herausforderungen stehen Start-ups beim Einstieg ins Gesundheitsökosystem?

Matthias Schwarz: Zunächst einmal steht man vor einem Wust an Regularien. Die größte Herausforderung ist, den richtigen Bereich zu wählen. Wir denken im Gesundheitswesen noch stark in Silos. Will man zum Beispiel mit einer Krankenkasse arbeiten, muss man den genauen Weg kennen und dafür sein Geschäftsmodell und die Ziele klar definieren. Viele glauben, mit einem Kassenvertrag sei alles erreicht, aber dann beginnt die eigentliche Arbeit: Umsetzung, Information der Versicherten, Erreichen der Nutzer – erst dann fließen Einnahmen. Hinzu kommt, dass viele Stakeholder eingebunden werden müssen – Kassen, Ärzte, Therapeuten, Krankenhäuser – und diese Strukturen in Deutschland noch wenig vernetzt sind.

„Resilienz ist entscheidend. Ein Healthcare-Start-up zu gründen ist ein Marathon, kein Sprint.“

Matthias Schwarz
Geschäftsführer, Healthcare Founders

Welche Fähigkeiten sollten Gründerinnen und Gründer mitbringen, um sich erfolgreich zu vernetzen?

Matthias Schwarz: Resilienz ist entscheidend. Ein Healthcare-Start-up zu gründen ist ein Marathon, kein Sprint. Man braucht Geduld, einen klaren Blick auf die eigene Lösung und die relevanten Ansprechpartner, um in die Versorgung zu kommen.
Netzwerken ist unverzichtbar: auf den richtigen Messen präsent sein, Ratschläge annehmen und vor allem die späteren Nutzer frühzeitig einbeziehen. Oft werden Lösungen am Reißbrett entwickelt, ohne den direkten Nutzen klar zu kommunizieren – das kann zum Problem werden.

Wie würden Sie Ökosystemkompetenz kurz beschreiben?

Matthias Schwarz: Es ist eine Mischung aus Erfahrung und Offenheit. Man muss den Markt, seine Rollen und Regularien kennen und die Sprache der verschiedenen Akteure sprechen, IT-Experten muss man anders ansprechen als Krankenkassenvertreter. Es geht darum, flexibel zu bleiben und zu erkennen, wie man seine Lösung je nach Situation pitchen muss.

Heißt das, Ökosystemkompetenz besteht aus zwei Teilen: Überblick schaffen und die richtigen Kontakte knüpfen?

Matthias Schwarz: Genau, das bringt es auf den Punkt.

Ist ein Vertrag mit einer Krankenkasse schon das Ziel, oder folgen danach weitere Herausforderungen?

Matthias Schwarz: Das ist ein wichtiger Meilenstein, aber erst die halbe Strecke. Danach muss die Lösung im Markt platziert werden. Vor allem bei großen Kassen ist man oft nur eine von vielen Lösungen. Deshalb sollte man früh überlegen, wie man seine Lösung so aufbereitet, dass sie leicht integriert und an die Patienten ausgerollt werden kann. Nur wenn sie genutzt wird, fließt auch Geld.

Worin unterscheidet sich das Gesundheits-Start-up-Ökosystem von anderen Branchen?

Matthias Schwarz: Vor allem in der strengen Regulierung. Themen wie der EU AI Act oder Cybersecurity sind hier besonders relevant, weil es um hochsensible Daten geht. Zudem ist das System historisch gewachsen, mit vielen unterschiedlichen Interessen und es wird aus begrenzten Versichertengeldern finanziert. Das macht es komplexer und langsamer als andere Märkte.

Warum sind Start-ups hier besonders wertvoll?

Matthias Schwarz: Ich nutze gerne ein Bild: Start-ups sind Schnellboote, große Konzerne sind Tanker. Schnellboote reagieren schneller auf Veränderungen und können Innovationen zügig umsetzen. Früher war der Gesundheitsmarkt ein geschlossener Zirkel, heute öffnet er sich auch durch Impulse von außen, etwa durch KI-Lösungen aus anderen Branchen.

Kann fehlende Ökosystemkompetenz zum Scheitern führen?

Matthias Schwarz: Ja. Ich habe Teams erlebt, die großartige Technologie entwickelt und Förderungen erhalten haben, aber wichtige Entscheider, etwa Ärzte, nicht eingebunden haben. Ohne Akzeptanz und Nutzung gibt es keine Umsätze.

Und umgekehrt – gibt es Erfolgsgeschichten dank guter Ökosystemkompetenz?

Matthias Schwarz: Viele. Zum Beispiel Teams, die eine Lösung so früh anpassen, dass sie auf mehreren Wegen vermarktet werden kann, als Selbstzahler-App, als DiGa auf Rezept und über Selektivverträge. So erschließen sie verschiedene Einnahmequellen.

Was ist eine DiGa?

Matthias Schwarz: Eine digitale Gesundheitsanwendung, vereinfacht gesagt, eine „App auf Rezept“. Ärztinnen und Ärzte können sie seit rund fünf Jahren verschreiben, ähnlich wie Krankengymnastik. Der Prozess ist noch etwas umständlich: Mit der Verordnung geht man zur Krankenkasse, erhält einen Code und kann die Anwendung in der Regel 90 Tage nutzen.

Wie baut man Ökosystemkompetenz von Anfang an auf?

Matthias Schwarz: Sich intensiv mit dem System beschäftigen über Podcasts, Fachkongresse oder Gespräche mit Leuten aus dem Gesundheitswesen. Kontakte im eigenen Umfeld nutzen, mutig sein und Fragen stellen. Früh investieren, etwa in Rechtsberatung oder IT-Sicherheit. Und genau wissen, wo die relevanten Entscheider zu finden sind oft nicht auf den großen Messen, sondern direkt in Krankenhäusern.

Sind Pitch-Events hilfreich?

Matthias Schwarz: Ja, aber mit Bedacht. Am Anfang kann man einige mitnehmen, wichtig ist vor allem das Feedback auch von fachfremden Jurys, um Verständlichkeit zu prüfen. Nicht jedes Event besuchen, sondern zwischendurch reflektieren und die Lösung weiterentwickeln.

Wie kommen Start-ups ins Gespräch mit großen Playern wie Kliniken oder Kassen?

Matthias Schwarz: LinkedIn ist ein einfaches, aber oft unterschätztes Tool, gerade für die direkte Ansprache. Daneben sollte man wissen, wo die Zielkunden sind: vielleicht eher auf einem Fachkongress als auf einer Messe. Oft ergeben sich die besten Gespräche in Pausen oder bei Abendveranstaltungen.

Sind Kassen und Kliniken heute offener gegenüber Start-ups?

Matthias Schwarz: Ja. Das Krankenhauszukunftsgesetz hat viel angestoßen, auch wenn manche Förderprogramme inzwischen ausgelaufen sind. Krankenkassen organisieren heute sogar eigene Wettbewerbe und haben Innovationsportale eingerichtet, auf denen Start-ups ihre Ideen einreichen können.

Welchen Rat würden Sie einem Healthcare-Start-up mit auf den Weg geben?

Matthias Schwarz: Seid mutig, sprecht direkt mit den Entscheidern und den späteren Nutzern eurer Lösung!

Das Interview führte Barbara Groll, Media Relations, Bayern Innovativ GmbH, Nürnberg.

Länge der Audiodatei: 00:25:43 (hh:mm:ss)

Future Skill Ökosystemkompetenz: Start-ups als Impulsgeber im Gesundheitswesen (20.08.2025)

Warum ist die Ökosystemkompetenz insbesondere im Gesundheitsbereich so wichtig? Ganz einfach: Eine Gesundheitsinnovation braucht mehr als technisches Wissen. Sie braucht vor allem Verbindungen. Zwischen Start-ups und Kliniken, zwischen Regulierern und Nutzer:innen, zwischen digitalen Lösungen und realer Versorgung.

Wie diese Verbindungen schnell und unkompliziert entstehen können, verraten Ihnen Moderatorin Barbara Groll und Matthias Schwarz (Geschäftsführer, Healthcare Founders).

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Sebastian Hilke
+49 911 20671-231
Leitung Innovationsnetzwerk Gesundheit, Bayern Innovativ GmbH, Nürnberg
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Presse, Bayern Innovativ GmbH, Nürnberg

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