Stromautobahn nach Südamerika
Transatlantisches HGÜ-Projekt könnte saisonale Stromlücken schließen und Versorgungskosten deutlich senken
01.12.2025
Quelle: E & M powernews
8.000 Kilometer Kabellänge, Stromhandel mit einer Zeitdifferenz von drei bis vier Stunden: Der Stiftung Klimaneutralität schwebt eine HGÜ-Verbindung nach Südamerika vor.
Zweimal im Jahr Sommer im PV-Stromhandel: Die Stiftung Klimaneutralität schlägt vor, die nördliche und südliche Hemisphäre über eine transatlantische Höchstspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitung (HGÜ) zu verbinden. Die Idee zielt auf ein Kabel, das Deutschland, Belgien und Portugal mit Brasilien, Uruguay und Argentinien zusammenschaltet. Rund 8.000 Kilometer wäre die Stromautobahn lang, 5.000 davon verliefen unter Wasser.
Durch die Zeitverschiebung von drei bis vier Stunden sowie gegenläufige saisonale Erzeugungsverläufe sollen Erzeugungsüberschüsse und Defizite zwischen Nord- und Südhalbkugel ausgeglichen werden, so die Überlegung. Auch zwischen den einzelnen Ländern an den Enden des Kabels würde der Stromhandel unterstützt, heißt es. Zudem würde die Iberische Halbinsel besser an das mitteleuropäische Netz angebunden.
Das Wegener Center der Universität Graz hat die Idee eines HGÜ-Kabels zwischen EU und Südamerika auf Kosten, Nutzen und Versorgungseffekte analysiert. Die Wissenschaftler kommen zu dem Ergebnis, dass eine Kopplung beider Kontinente die Versorgungslücken von Photovoltaik erheblich verringern und steuerbare Leistung zu wettbewerbsfähigen Kosten bereitstellen könnte.
Betrachtet werden die Kosten für flexibel abrufbare Leistung, die durch eine Kombination aus Photovoltaik und Stromspeichern bereitgestellt wird. Grundlage sind dem Vernehmen nach Optimierungsmodelle für die gesamte Lastkurve der EU sowie die Residuallast Deutschlands.
68 bis 77 Euro je MWh
Bei den heutigen Preisen würde eine Stromübertragung von Brasilien nach Portugal 27 bis 36 Euro/MWh kosten, heißt es. Perspektivisch halten die Wissenschaftler 8 bis 17 Euro/MWh für wahrscheinlich.
Für Deutschland ergeben die Berechnungen, dass eine Deckung der Residuallast zu Gesamtkosten für eine steuerbare Erzeugung von 68 bis 77 Euro/MWh führen würde. Dies liege unter den erwarteten Kosten von Gaskraftwerken auf Basis von klimaneutralem Wasserstoff, die mindestens 400 Euro/MWh erreichen dürften.
„Unser Vorschlag stellt keine Alternative zu dringend erforderlichen Backup-Kapazitäten für 2030 dar“, schreiben Rainer Baake, Direktor der Stiftung Klimaneutralität, und Professor Wolf Grossmann vom Wegener Center der Universität Graz. Ein oder mehrere Transatlantik-Kabel könnten allerdings in den 2030er und 2040er Jahren zusätzlich erforderliche Backup-Kapazitäten reduzieren oder sogar ersetzen. Für Planung, Genehmigung und Bau veranschlagen die Experten zehn bis zwölf Jahre.
Die Studie der Universität Graz steht kostenfrei im Internet bereit.
Autor: Manfred Fischer
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