KWK vernetzt Strom und Wärme
KWK bleibt Schlüsseltechnologie der Wärmewende und stärkt Effizienz und Versorgungssicherheit in kommunalen Wärmenetzen
05.12.2025
Quelle: E & M powernews
KWK bleibt auch in einem klimaneutralen Energiesystem relevant − für Spitzenlasten und als Effizienzbaustein der Wärmenetze. Das zeigen Beispiele von Stadtwerken und Versorgern.
Kommunen und mit ihnen Versorger und Stadtwerke stehen vor der Frage, wie sie langfristig klimaneutral heizen und zugleich die gesamte Energieinfrastruktur entlasten können. Beides lässt sich mit KWK-Energiekonzepten umsetzen.
Insbesondere größere KWK-Anlagen sind heute zumeist eingebunden in ein System aus Wärmenetz, Speicher, Wärmepumpen und zunehmend auch Power-to-Heat-Anlagen. Etwa zwei Drittel der installierten KWK-Leistung und nahezu alle Anlagen sind dezentral in die Verteilnetze eingebunden, hat eine KWK-Kurzstudie von Frontier Economics ergeben. Dadurch sinkt auch der Bedarf, Energie über große Distanzen zu transportieren. Über diese flexiblen „Wärmenetzsysteme“ werden viele Wärmekundinnen und -kunden versorgt. Gleichzeitig leisten sie wichtige Beiträge zur Versorgungs- und Systemsicherheit im Stromsektor − und das bereits heute, wie Beispiele zeigen.
EWE setze auf Biomethan und Wärmepumpen
Die EWE-Tochter TEWE hat zum Beispiel ein neues Wärmeerzeugungssystem im Heizhaus Erkner Mitte in diesem Herbst in Betrieb genommen. Nach nur etwas mehr als einem Jahr Bauzeit liefert die Kombination aus Großwärmepumpen und Biomethan-Blockheizkraftwerk klimaneutrale Fernwärme für die Kleinstadt Erkner (Landkreis Oder-Spree in Brandenburg). Durch den Umbau des Heizhauses Mitte steigt der Anteil erneuerbarer Energien im Wärmenetz von Erkner auf über 50 Prozent. Dafür sorgen Biomethan als Brennstoff für das BHKW und der Einsatz neuer Wärmepumpen. Zuvor erfolgte die Wärmeerzeugung ausschließlich über Erdgaskessel. Hauptabnehmer sind kommunale Einrichtungen, Wohnungsunternehmen und öffentliche Gebäude.
Das Biomethan-BHKW erzeugt mit 360 kW elektrischer und 400 kW thermischer Leistung gleichzeitig Strom und Wärme. Die Wärmepumpentechnik kombiniert eine Luft-Wasser- und eine Wasser-Wasser-Wärmepumpe, beide betrieben mit natürlichen Kältemitteln. Damit lässt sich Heizwasser auf bis zu 80 Grad Celsius erhitzen − versorgt aus Umweltwärme und einem Wärmespeicher. Die erwartete Jahresarbeitszahl (COP) liegt bei 3 bis 4. Die Wärmepumpen werden mit Strom aus dem eigenen BHKW betrieben − das entlastet zusätzlich das Stromnetz. Im Winter unterstützt ein bestehender Erdgaskessel die Versorgung.
Auch für die Stadt Gotha stellt die KWK auch künftig einen wichtigen Baustein des Transformationsplans zur Dekarbonisierung der Fernwärme dar. Das Ziel der thüringischen Kommune: Bis 2045 soll die Fernwärme in Gotha zu 100 Prozent klimaneutral erzeugt werden. Die Stadtwerke Gotha haben im Sommer dieses Jahres nun eine innovative KWK-Anlage am Heizkraftwerk Ost in Gotha-Siebleben installiert.
Das neue System besteht aus einem gasbetriebenen Blockheizkraftwerk mit einer thermischen Leistung von 2,2 MW, das einen Teil der Spitzenlast in der Heizperiode abdecken wird. Die beiden weiteren Komponenten sind eine Power-to-Heat-Anlage, die mit überschüssigem Strom aus erneuerbaren Energien Wärme erzeugt, sowie eine Luft-Wärmepumpe, die die Umgebungstemperatur zur Wärmegewinnung nutzt.
Im Sommer sollen die Wärmepumpen laufen, die in dieser Zeit sehr hohe Wirkungsgrade haben. Bei hohen Wärmelasten im Winter und einem hohen Strompreis sichert das BHKW die Wärmeversorgung mit ab. „Mit der Inbetriebnahme unserer iKWK-Anlage liefern wir verlässlich Wärme aus erneuerbaren Energiequellen“, erklärte Sven Anders, Geschäftsführer der Gothaer Stadtwerke Energie. Die Funktionsweise des innovativen Systems, das die grüne Wende in Gotha voranbringen soll, bringt Ferdinand von Stryk, Bereichsleiter Erzeugung und Wärmenetz bei den Stadtwerken, auf folgende Formel: „Wärmepumpen als Grundlasteinheiten und Gasmotoren, deren Spitzenlast Gaskessel im Winter ablösen.“
Durch das Zusammenspiel dieser drei Technologien sollen künftig rund 230 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart und etwa 400 Haushalte in Gotha versorgt werden.
Die hohen Investitionen von 5,2 Millionen Euro sollen sich dreifach auszahlen: Die Anlage soll dazu beitragen, dass die erneuerbaren Energien besser genutzt, der Gasverbrauch spürbar reduziert und Preisschwankungen an den Energiemärkten abgepuffert werden können.
Bundesweit haben sich einige Stadtwerke für ein innovatives KWK-System entschieden. Zum einen, weil es gefördert wird, aber auch wegen der wirtschaftlichen und zugleich systemdienlichen Eigenschaften. So haben die Stadtwerke Duisburg eine iKWK-Anlage am Klärwerk Huckingen errichtet. Sie ist die derzeit größte iKWK-Anlage an einer Kläranlage hierzulande und nutzt die thermische Energie des bereits gereinigten Abwassers für die Fernwärmeversorgung. Ergänzt wird das System durch zwei wasserstofffähige Blockheizkraftwerke und einen elektrischen Wärmeerzeuger am Standort Hochfeld.
Auch die Stadtwerke Bietigheim-Bissingen haben mit der Inbetriebnahme der Energiezentrale Mitte (EZM) ihr erstes innovatives KWK-System im vergangenen Jahr in Betrieb genommen. Die Anlage wird im Verbund mit weiteren Anlagen strommarktorientiert betrieben, verknüpft verschiedene Wärmeerzeuger und verbindet zwei bislang getrennte Fernwärmenetze im Stadtgebiet. Sie besteht aus einem Blockheizkraftwerk, Umweltwärmepumpen und einem Elektrokessel. Abhängig vom Strompreis lassen sich die iKWK-Erzeuger zielgerichtet einsetzen: Bei einem hohen Strompreis laufen die BHKW, bei einem niedrigen die Wärmepumpen, bei negativen Preisen wird der Elektrokessel genutzt. In den Wintermonaten soll die Wärme hauptsächlich im BHKW der Energiezentrale Mitte erzeugt werden. Sobald es die Außentemperaturen zulassen, nehmen die Umwelt-Wärmepumpen ihren Betrieb auf.
KWK bleibt zentraler Bestandteil der Wärmewende
Gerade in den Wintermonaten November bis Februar bleibt die gekoppelte Erzeugung aus KWK sinnvoll, um Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit zu gewährleisten. Das ergab auch eine Studie von Prognos. Marco Wünsch von der Prognos AG hob bei einem Vortrag auf dem BHKW-Jahreskongress Mitte Mai in Dresden die systemdienliche Rolle flexibler KWK-Anlagen hervor − etwa zur Deckung der Residuallast oder als Wärmeerzeuger bei hohen Strompreisen im Winter.
Da die meisten Anwendungen in Verkehr, Gebäuden und Industrie bis 2045 elektrifiziert werden, steige der Strombedarf deutlich. Gleichzeitig nehme die Saisonalität der Erzeugung zu und damit stiegen die Preise. Laut der Studie von Frontier Economics kann die KWK eine entscheidende Rolle bei der Schließung der Kapazitätslücke von 17.000 bis 21.000 MW bis 2030 spielen. Auch laut Prognos ist ein Ausbau der Kraftwerkskapazitäten notwendig. Diese Anlagen würden künftig unterschiedliche Funktionen erfüllen − sowohl als Grundlast- als auch als Spitzenlastkraftwerke.
Auch auf der Wärmeseite sichern KWK-Anlagen in Zeiten geringer Erneuerbaren-Einspeisung und hoher Strompreise eine verlässliche Versorgung. „Die KWK ist das Rückgrat der Fernwärme“, betonte Johannes Dornberger vom AGFW, ebenfalls Referent auf dem Dresdner BHKW-Kongress. Zukünftig werde die Technologievielfalt zwar zunehmen, doch bleibe die KWK aufgrund ihrer Effizienz ein entscheidender Faktor. Der sparsame Umgang mit Brennstoffen bleibe auch im klimaneutralen Energiesystem wichtig. Wasserstoff, Biomasse und unvermeidbare Abwärme seien knappe, aber notwendige Ressourcen. Laut Prognos werden auch 2045 noch etwa 30 Prozent des Fernwärmebedarfs über KWK und Biomasse gedeckt.
Karlsruhe plant wasserstofftaugliche KWK-Anlage
Die Stadtwerke Karlsruhe setzen ebenfalls weiterhin auf KWK als Baustein, um die Fernwärme sicher abdecken zu können. Sie wollen eine neue KWK-Anlage mit einer Wärmeleistung von rund 50 MW und einer elektrischen Leistung von ebenfalls rund 50 MW auf dem Stadtwerkegelände des Heizkraftwerks West in Karlsruhe realisieren. Die Betriebsaufnahme könnte 2029 sein. Die Anlage wäre dann Bestandteil der zukünftigen Anlagen der Fernwärmeerzeugung, mit denen insbesondere die Wärmeleistung des EnBW-Steinkohlekraftwerks ersetzt werden soll.
Die geplante Anlage ist laut dem Versorger deutlich effizienter als die getrennte Versorgung durch Heizkessel und Gaskraftwerke − und perspektivisch sogar CO2-neutral, wenn grüner Wasserstoff zum Einsatz kommt. „Mit dem Bau einer KWK-Anlage könnten wir als Stadtwerke einen zentralen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten. Gleichzeitig sorgen wir dafür, dass die Energieversorgung auch künftig zuverlässig, bezahlbar und regional verankert bleibt“, sagte Michael Homann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Stadtwerke Karlsruhe, zu dieser Entscheidung.
Systemintegration durch Speicher und Sektorenkopplung
Die Agora-Studie „Klimaneutrales Deutschland 2045“ weist in einer weitgehend strombasierten Energieversorgung der KWK ebenfalls weiterhin eine tragende Rolle zu. Während Wärmepumpen, Elektrokessel und saisonale Speicher den Grundbedarf abdecken, sichern flexible KWK-Anlagen auf Wasserstoffbasis die Versorgung in Zeiten hoher Nachfrage und niedriger Einspeisung aus Wind und Sonne. Ihr Betrieb sollte dabei ausschließlich stromgeführt erfolgen, sie laufen also nur, wenn hohe Strompreise auf einen Wärmebedarf treffen.
Saisonale Wärmespeicher und flexible Fahrweisen ermöglichen dies. Die Kombination mit Wärmepumpen, Elektrolyseuren und Power-to-Heat-Anlagen schafft ein integriertes System, das sowohl Strom- als auch Wärmespitzen abfangen kann. Damit bleibt die KWK auch im Jahr 2045 ein zentraler Bestandteil des Energiesystems − jedoch mit verändertem Betriebsprofil: selten im Einsatz, aber systemkritisch in der Funktion.
Trotz dieser positiven Beispiele halten sich sowohl Versorger als auch Industriebetriebe mit Investitionen in neue KWK-Anlagen zurück. „Es herrscht Unsicherheit im Markt, wohin die Reise für und mit Kraft-Wärme-Kopplung geht“, sagte Andreas Rimkus, seit September neuer Präsident des Bundesverbands Kraft-Wärme-Kopplung (B.KWK). Verbände und Unternehmen fordern von der Bundesregierung schnelle und klare Weichenstellungen: eine Verlängerung und inhaltliche Reform des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes (KWKG), eine Fortschreibung der Ausschreibungen, ein abgestimmtes Strommarktdesign und eine koordinierte Wärmegesetzgebung. Nur so könne die Branche ihren Beitrag zur Versorgungssicherheit und Wärmewende leisten. Denn dass „die KWK zum Energiesystem der Zukunft gehört, ist mittlerweile vielerorts erkannt“, sagte Rimkus auf Nachfrage von E&M.
Autorin: Heidi Roider
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