Energiewende trifft auch Mittelstand und Dienstleister
Steigende Energiepreise belasten zunehmend Mittelstand und Dienstleistungen – Experten fordern marktwirtschaftlichen Kurswechsel
28.11.20.25
Quelle: E & M powernews
Steigende Energie- und Transformationskosten treffen längst nicht mehr nur Industrieunternehmen. Auch Mittelständler geraten unter Druck, zeigt eine Studie von Frontier Economics.
Deutschland steht laut dem Beratungsunternehmen Frontier Economics vor einer doppelten Herausforderung: Über die Energiewende sollen die Klimaziele erreicht und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen erhalten bleiben. Doch die aktuellen politischen Rahmenbedingungen gefährden beides, wie eine im Auftrag der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) erstellte Studie zeigt.
Die Untersuchung ergänzt die bereits im September veröffentlichte Hauptstudie „Neue Wege für die Energiewende“. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass steigende Energie- und Transformationskosten längst nicht mehr nur energieintensive Industrien treffen. Sie wirken in die Breite der deutschen Wirtschaft − bis hin zu Maschinenbau, Bauwirtschaft, Handel und Dienstleistungen.
Breite Belastung für Wirtschaft und Mittelstand
Nach Berechnungen von Frontier Economics haben sich die Energiekosten zwischen den Jahren 2019 und 2024 nahezu verdoppelt. Auch ohne weitere politische Verschärfungen rechnet das Beratungshaus mit Hauptsitz in London mit anhaltend stark steigenden Energiepreisen. Neben den direkten Kosten für Strom und Gas entstünden zusätzliche Belastungen durch teurere Vorprodukte, Transporte, Personal und Verwaltung. Dadurch drohten Wertschöpfungs- und Beschäftigungsverluste weit über die energieintensiven Branchen hinaus.
Besonders hoch fällt die Belastung laut Studie in der Chemie- und Grundstoffindustrie aus. Aber auch mittelständische Unternehmen aus der Lebensmittel- und Getränkeindustrie, der Konsumgüterproduktion sowie der Elektrotechnik seien zunehmend unter Druck. Branchen wie Baugewerbe, Handel oder Gastgewerbe seien zwar weniger von Abwanderung bedroht, doch wirkten sich dort Preissteigerungen unmittelbar auf die Kaufkraft und damit auf die Inlandsnachfrage aus.
Netzentgelte als zentraler Kostentreiber
Einer der Hauptgründe für die steigenden Kosten liegt in den Strom- und Gasnetzentgelten, wie Frontier Economics erklärt. Um den Ausbau der Netze für erneuerbare Energien zu finanzieren, steigen die Stromnetzentgelte laut den Beratern bis 2045 um bis zu 70 Prozent, bei industriellen Großverbrauchern sogar um fast 130 Prozent. Für Haushalte erhöhen sie sich um etwa 50 Prozent. Parallel dazu sinkt der Gasverbrauch, wodurch sich die Gasnetzkosten auf immer weniger Kunden verteilen. Im Gewerbesektor steigen die Entgelte demnach von 1,6 Cent pro kWh im Jahr 2024 auf 4,3 Cent im Jahr 2040; in der Industrie nahezu von 0,6 auf 1,7 Cent pro kWh.
Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der DIHK, warnt mit Blick auf die Studie: „Nahezu alle Unternehmen sind auf bezahlbare Energiepreise, aber auch auf günstige Vorprodukte, Transportmöglichkeiten und stabile Löhne angewiesen, um ihre Produkte und Dienstleistungen wettbewerbsfähig zu halten.“ Bei einer Fortsetzung des aktuellen politischen Kurses drohe laut Dercks ein weiterer Abbau von Wertschöpfung in Deutschland.
Vorschlag: Flexibler CO2-Preis
Frontier Economics plädiert dafür, die Energiewende kosteneffizienter zu gestalten. Der von dem Unternehmen entwickelte „Plan B“ sieht einen einfacheren, marktwirtschaftlichen Rahmen mit einem umfassenden, sektorübergreifenden Emissionshandel vor. Dieses sogenannte „atmendes Cap-and-Trade“ soll den CO2-Preis flexibel anpassen: Steigt die Nachfrage nach Emissionszertifikaten, erhöht sich automatisch das Angebot. So ließen sich laut der Berater Preisspitzen vermeiden, ohne das Emissionsziel aufzugeben. Dieses Modell soll Technologieoffenheit ermöglichen und Preisspitzen dämpfen. Nach Berechnungen von Frontier Economics könnten die Systemkosten dadurch bis 2050 um bis zu eine Billion Euro sinken – ohne das Ziel der Klimaneutralität aufzugeben.
Da strukturelle Kostensenkungen Zeit benötigen, empfehlen die Autoren der Studie befristete, gezielte Fördermaßnahmen, um Übergangsphasen für Unternehmen abzufedern. Diese Hilfen müssten jedoch einfach, unbürokratisch und zeitlich klar begrenzt ausgestaltet werden.
Auch die DIHK fordert eine Neuausrichtung der Energiepolitik. Neben einem marktwirtschaftlichen Kurswechsel seien schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren, eine verlässliche Regulierung und der Ausbau moderner Infrastrukturen erforderlich. Nur wenn Energie-, Netz- und Systemkosten dauerhaft sinken, bleibe Deutschland ein wettbewerbsfähiger Industriestandort.
Die 47-seitige Studie „Neue Wege für die Energiewende (Plan B)“ steht auf der Internetseite.
Autorin: Davina Spohn
Das könnte Sie auch interessieren
Bayern Innovativ Newsservice
Sie möchten regelmäßige Updates zu den Branchen, Technologie- und Themenfeldern von Bayern Innovativ erhalten? Bei unserem Newsservice sind Sie genau richtig!