Aktuell weltweit nur fünf Meiler in Bau
Globale Trends, Neubauprojekte und die Rolle der Kernenergie im Energiemix
22.09.2025
Quelle: E & M powernews
Der „World Nuclear Industry Status Report 2025“ (WNISR 2025) bewertet Daten und Trends der Atomkraft weltweit. Er legt besonderen Fokus auf Neubauprojekte und Energiewende-Fragen.
Am 22. September wurde der aktuelle World Nuclear Industry Status Report 2025 vorgestellt. Der Bericht analysiert auf 589 Seiten Zustand und Entwicklung der weltweiten Atomwirtschaft. Er fasst Daten zu Betrieb, Produktion, Alter, Neubau und Stilllegung von Kernkraftwerken zusammen, beleuchtet die Situation in zentralen Ländern wie China, Südkorea, Taiwan, Frankreich, Japan, Russland, der Ukraine, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten.
Ein Schwerpunkt liegt laut Bericht auf der Vielfalt der Neubauprogramme sowohl in bestehenden Nuklearländern als auch in Staaten, die den Einstieg in die Kernenergie erwägen. Demnach sind aktuell nur fünf neue Kernkraftwerke weltweit tatsächlich im Bau, drei davon in China. Viele Projekte stagnierten im Planungsstadium.
Die Entwicklung kleiner modularer Reaktoren (SMR) wird in einem eigenen Kapitel dargestellt. Die Studie analysiert, wie sich Kernenergie in moderne Stromsysteme integrieren lässt, und vergleicht diese mit dem Einsatz Erneuerbarer.
Der Bericht wurde vom Kyoto Club in Rom veröffentlicht, einer 1999 gegründeten gemeinnützigen Organisation. Seine Mitglieder sind Unternehmen, Verbände und Regierungen, die die vom Kyoto-Protokoll festgelegten Treibhausgas-Reduktionsziele einhalten wollen. Dazu gehören deutscherseits die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung, die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung und das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE). Erstellt wurde er von Mycle Schneider Consulting.
Russland dominiert den Weltmarkt
Besondere Aufmerksamkeit widmet der Bericht der Rolle Russlands. Es dominiert den internationalen Nuklearmarkt, während China die meisten heimischen Kernkraftprojekte betreibt. Im Report wird die Abhängigkeit westlicher Kernkraft-Projekte von russischen Dienstleistungen und Produkten untersucht.
Ein weiteres Kapitel beschäftigt sich mit der Lage in Fukushima 14 Jahre nach der Katastrophe und den dort weiterhin bestehenden Herausforderungen. Den Gefahren durch kriegerische Angriffe widmet sich ein eigenes Kapitel über die Ukraine und ihre Reaktoren. Hinzu kommt eine Analyse des Status von Stilllegungsprojekten für inzwischen 218 Reaktoren weltweit. Demnach dauert es oft Jahrzehnte, bis Reaktoren zurückgebaut sind, und sichere Endlager für radioaktive Abfälle bestehen noch nicht.
Die interdisziplinäre Autorengruppe des WNISR 2025 besteht aus 18 Fachleuten aus Ländern wie Deutschland, Japan, Südafrika, Mexiko und den USA. Beteiligt waren Wissenschaftler renommierter Universitäten, darunter TU Berlin, Nagasaki University und University of British Columbia. Unterstützung kam zudem von Stiftungen wie Bellona und der Sasakawa Peace Foundation.
Italienische Tendenzen
Im Vorwort zum Bericht erinnert die Präsidentin des Kyoto Clubs, Letizia Magaldi, an die besondere Rolle Italiens in der Kernenergie-Geschichte. Demnach war Italien in den 1960er Jahren zeitweise der drittgrößte Atomstrom-Produzent der Welt. Nach den Referenden von 1987 (nach Tschernobyl) und 2011 (nach Fukushima) stieg das Land jedoch aus der Atomkraft aus.
Nun wird in Italien laut Magaldi über eine mögliche Rückkehr diskutiert. Studien der italienischen Zentralbank zeigten allerdings, dass neue Atomkraftwerke kaum zur Senkung der Strompreise beitragen dürften. Vielmehr könnten sie Preisvolatilitäten abfedern und die Abhängigkeit von internationalen Energiemärkten verringern. Magaldi folgert: „Erneuerbare Energien sind kein Versprechen mehr, sondern eine Realität, die schnell und stark wächst.“
Kernkraft-Projekte bleiben schwer kalkulierbar
Die Autorinnen und Autoren betonen auch die Grenzen neuer Reaktorkonzepte: Bauzeiten blieben mindestens doppelt so lang, wie ursprünglich geplant, die Investitionskosten würden überschritten und Abhängigkeiten von internationalen Lieferketten bestehen. Zudem zeige die Entwicklung erneuerbarer Energien eine preiswertere Alternative.
Laut Bericht verändert die wachsende Rolle von Solar- und Windkraft, Batterien und Stromelektronik bereits die Logik der Energiesysteme. Kernenergie sei nur eingeschränkt kompatibel mit dezentralen und volatilen Strukturen. Netzbildende Wechselrichter oder Speichersysteme könnten demnach flexibler auf Bedarfsschwankungen reagieren als Kernkraftwerke.
Es wird geschlussfolgert, dass Kernkraft unter Umständen eine ergänzende Rolle im Energiemix spielen könne, die Transformation der Energiesysteme aber klar von erneuerbaren Energien dominiert werde.
Der Weltkernenergieindustrie-Report 2025 (WNISR2025) steht in englischer Sprache als PDF zum Download bereit.
Autorin: Susanne Harmsen
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